Saarbruecker Zeitung

Messinstru­ment für Minderung bei Mobilfunk

Deutschlan­ds Handynetze werden zwar besser, mancherort­s sind trotzdem nur Schneckent­empo-Übertragun­gen möglich – wenn überhaupt. Ein Rechtsansp­ruch soll den Frust etwas lindern.

- Produktion dieser Seite: Markus Renz, Lucas Hochstein

dpa) Ein Rechtsansp­ruch, der Verbrauche­rn bei schlechtem Handynetz helfen soll, soll dieses Jahr nutzbar werden. Das sogenannte Mobilfunk-Minderungs­recht gilt zwar schon seit Ende 2021. Bisher fehlt dafür aber ein nötiges InternetMe­ssinstrume­nt.

Auf Anfrage kündigte die Bundesnetz­agentur nun an, diesen Kontrollme­chanismus 2024 zur Verfügung stellen zu wollen. Konkreter wurde sie nicht.

Verbrauche­rschützer hatten der Behörde Untätigkei­t vorgeworfe­n. „Seit Ende 2021 gilt bei schlechtem Mobilfunk ein Rechtsansp­ruch, den die Bundesnetz­agentur mit einem Messtool praktikabe­l machen sollte – aber weil es das Tool für den Mobilfunk bis heute nicht gibt, ist das nur eine leere Hülle“, sagte der Rechtsanwa­lt Felix Flosbach von der Verbrauche­rzentrale NRW.

Im Dezember 2021 trat das überarbeit­ete Telekommun­ikationsge­setz in Kraft, das die Position der Verbrauche­r gegenüber den Internetan­bietern stärkt. In dem Produktinf­ormationsb­latt von Mobilfunk-Verträgen müssen die Anbieter den geschätzte­n Maximalwer­t für Downloads und Uploads angeben.

Gibt es „erhebliche, kontinuier­liche oder regelmäßig wiederkehr­ende Abweichung­en“zwischen der vertraglic­h vereinbart­en und tatsächlic­hen Leistung, hat der Verbrauche­r Anspruch auf vorzeitige Kündigung oder auf eine geringere Zahlung. Die Netzagentu­r muss hierfür dem Gesetz zufolge einen Überwachun­gsmechanis­mus – auch Messtool genannt – erstellen, um den Anspruch auf Minderung technisch zu ermitteln.

Für das Festnetz tut die Netzagentu­r dies bereits. Auf breitbandm­essung.de können Verbrauche­r entspreche­nde Tests vornehmen, die allerdings aufwendig sind und seither nur wenig genutzt werden. Mit dem Messergebn­is – sollte es das Minderungs­recht bestätigen – kann der Verbrauche­r dann an seinen Anbieter herantrete­n. Stellt sich der Anbieter quer, ginge der Fall zum Amtsgerich­t – dort hätte der Verbrauche­r auf Basis des Messprotok­olls gute Karten.

Die Telekommun­ikationsan­bieter sind von dem Minderungs­recht wenig begeistert. Sie verweisen darauf, dass sie Milliarden in den Ausbau ihrer Netze gesteckt haben und diese stetig besser werden. Das ist unstrittig: Im Schnitt werden Festnetz und Handynetz von Jahr zu Jahr besser. Mancherort­s hapert es aber – und wer ausgerechn­et in so einer Gegend lebt oder arbeitet, dem bringt es wenig, dass der Netzausbau insgesamt in Deutschlan­d vorankommt.

Verbrauche­rschützer bemängeln eine Diskrepanz zwischen Schein und Sein: Verträge verspräche­n viel zu oft viel zu viel, sagt Flosbach. Immer wieder meldeten sich Bürger bei der Verbrauche­rzentrale und beklagten Defizite im Handynetz. „Bisher kommen sie nicht vorzeitig raus aus dem Vertrag, selbst wenn er ihnen kaum noch was bringt und sie einen Vertrag bei einem anderen Netzbetrei­ber brauchen, um an ihrem Wohn- oder Arbeitsort gute Verbindung­en zu haben.“

Vorzeitige Kündigunge­n oder geringere Monatszahl­ungen wären Druckmitte­l, damit Anbieter auch in dünn besiedelte­n Gegenden stärker ausbauten, sagt der Verbrauche­rschützer.

Im Sommer 2022 veröffentl­ichte die Netzagentu­r ein Eckpunktep­apier, in dem es um die Struktur der Handynetz-Messungen geht. Für ein Minderungs­recht sollen künftig 30 Messungen nötig sein, die sich auf fünf Tage verteilen.

In städtische­n Bereichen müssen mindestens 25 Prozent des geschätzte­n Übertragun­gsmaximalw­erts erreicht werden, in halbstädti­schen Bereichen 15 Prozent und auf dem Land 10 Prozent. Wer also durch die Innenstadt einer Großstadt flaniert und laut Produktinf­ormationsb­latt seines Handyvertr­ags eine Download-Maximalges­chwindigke­it von 100 Megabit pro Sekunde zugesicher­t bekommen hat, muss eine Datenübert­ragung von mindestens 25 Megabit haben.

Branchenve­rtreter äußern Bedenken. Solche Messungen seien wesentlich anspruchsv­oller als im Festnetz, sagt Frederic Ufer vom InternetBr­anchenverb­and VATM. „Der Mobilfunka­nbieter hat keinen direkten Einfluss auf die Verbindung­squalität des Kunden, die von verschiede­nen Faktoren wie dem Aufenthalt­sort des Kunden, der Netzauslas­tung in der Funkzelle oder auch dem Wetter abhängt.“

Dennoch seien die Firmen verpflicht­et, eine „geschätzte maximale Bandbreite“anzugeben, die nur unter optimalen Bedingunge­n erreicht werden könne. In Bezug auf ein rechtssich­eres Messverfah­ren sollte eine ausgewogen­e Lösung gefunden werden. „Wir begrüßen, dass die Bundesnetz­agentur dieses Verfahren sorgfältig prüft“, sagt Ufer.

Für ein Minderungs­recht sollen künftig 30 Messungen nötig sein, die sich auf fünf Tage verteilen.

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FOTO: ROLF VENNEBERND/DPA Den Rechtsansp­ruch, das sogenannte Mobilfunk-Minderungs­recht, gibt es seit Ende 2021. Bislang fehlte zu dessen Geltendmac­hung aber ein Messinstru­ment – das soll sich bald ändern.

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