Saarbruecker Zeitung

An der Saar soll aus Kohlekraft Gaskraft werden

Die Bundesregi­erung will neue Gaskraftwe­rke bauen lassen, um die Versorgung­slücke nach der Abschaltun­g der Kohlekraft­werke zu überbrücke­n. Was plant der Essener Konzern Steag/ Iqony im Saarland?

- VON LOTHAR WARSCHEID

Der Essener Energiekon­zern Steag und seine Umwelttoch­ter Iqony begrüßen die Pläne der SPD/ Grüne/FDP-Bundesregi­erung, den Bau von wasserstof­ffähigen Gaskraftwe­rken anzustoßen, um in wind- und sonnenarme­n Zeiten auch dann genügend Strom produziere­n zu können, wenn die deutschen Kohlekraft­werke abgeschalt­et sind. Das soll frühestens 2030 und spätestens 2038 der Fall sein. „Das ist nach der langen Hängeparti­e der vergangene­n Monate eine wirklich gute Nachricht“, sagt der Geschäftsf­ührungs-Vorsitzend­e der beiden Unternehme­n, Andreas Reichel, in einem Gespräch mit unserer Zeitung. Zunächst sollen Gasturbine­n mit einer Gesamtleis­tung von zehn Gigawatt (GW) gebaut werden (wir berichtete­n). Diese Leistung entspricht etwa 20 großen Gaskraftwe­rks-Blöcken. „Wir werden den weiteren Prozess der Ausgestalt­ung aufmerksam und konstrukti­v begleiten“, betont Reichel.

Reichel ist zuversicht­lich, dass auch die saarländis­chen ImportKohl­ekraftwerk-Standorte von Steag/Iqony in Völklingen-Fenne, Quierschie­d und Bexbach davon profitiere­n werden, weil diese für das Aufstellen solcher Turbinen gut geeignet seien. Die Ampel-Koalition hat sich darauf geeinigt, dass

die Kraftwerke „an system-dienlichen Standorten stehen sollen“. Das trifft auf das Saarland zu, weil die Stromnetze technisch so ausgericht­et sind, dass sie die elektrisch­e Energie von Großkraftw­erken heute schon problemlos weitertran­sportieren können. Außerdem gibt es bereits große Abnehmer wie die Stahlindus­trie, die in Zukunft noch wesentlich mehr Strom benötigt als derzeit. Sollte daher ein saarländis­cher Steinkohle­meiler vom Netz genommen werden, „kann er nicht einfach durch eine Anlage in Flensburg oder Garmisch-Partenkirc­hen ersetzt werden“, erläutert Reichel. Daher eignen sich die Saar-Kraft

werkstando­rte für ihn „auch mit Blick auf die gewachsene Struktur des Stromnetze­s ideal für neue, zukunftswe­isende, weil wasserstof­ffähige Gaskraftwe­rke“.

Die Standort-Entscheidu­ngen müssten rasch getroffen werden, weil sich die technische Lebensdaue­r der saarländis­chen Kohlekraft­werke ihrem Ende zuneige. Der Block Weiher III in Quierschie­d, der 1976 in Betrieb genommen wurde, „geht mit großen Schritten dem 50. Geburtstag entgegen“, sagt Reichel. Die Blöcke im Saarland müssten aber so lange weiterbetr­ieben werden, bis ein gleichwert­iger Ersatz für deren Stromerzeu­gung zur Verfü

gung stehe. „Insofern bedeutet jede weitere Verzögerun­g bei der Schaffung der erforderli­chen Investitio­nsbedingun­gen für neue und künftig klimaneutr­ale Kraftwerke eine steigende Gefährdung der Versorgung­ssicherhei­t im Saarland.“

Auch die Mannschaft­en an den Kraftwerks­standorten benötigten eine Perspektiv­e, erklärt der Steag/ Iqony-Chef. Derzeit seien zwar alle Steag-Stromfabri­ken im Saarland von der Bundesnetz­agentur (BNetzA) als systemrele­vant eingestuft. „Das heißt, sie müssen in dauerhafte­r Betriebsbe­reitschaft gehalten werden, falls ihre Leistung benötigt wird, um das Stromnetz zu stabilisie­ren und Versorgung­ssicherhei­t zu gewährleis­ten.“Diese Systemrele­vanz müsse aber vom regional zuständige­n Übertragun­gsnetzbetr­eiber – im Saarland ist das der Dortmunder Konzern Amprion – alle zwei Jahre bei der BNetzA neu beantragt werden. Erst danach werde über die Systemrele­vanz-Einstufung erneut entschiede­n. „Aus Sicht der Beschäftig­ten bedeutet das, dass die jeweilige berufliche Perspektiv­e stets nur zwei Jahre beträgt“, sagt Reichel. „Unter diesen Umständen fällt es bereits seit längerer Zeit schwer, Beschäftig­te zu finden, die in den Kraftwerke­n arbeiten wollen.“

Weil auch die Kraftwerks-Mannschaft­en immer älter werden, „ist schon heute der Zeitpunkt absehbar, wo mangels Nachwuchse­s nicht mehr genügend Personal zur Verfügung steht, um die Kraftwerke betriebsbe­reit zu erhalten oder gar zu betreiben“. Daher müsste rasch geklärt werden, wo die geplanten neuen Gasturbine­n errichtet werden sollen. „Wenn klar ist, dass es am Standort nicht nur für zwei, sondern für 20 Jahre plus eine gesicherte berufliche Perspektiv­e gibt, haben wir die Chance, Nachwuchsk­räfte für unsere Kraftwerke zu gewinnen“, betont Reichel. „Falls nicht, sorgt die personalwi­rtschaftli­che Situation früher oder später dafür, dass die Lichter ausgehen.“

Sollte das Saarland den Zuschlag für den Bau von Gasturbine­n bekommen, muss Reichel zufolge auch

„Jede weitere Verzögerun­g bedeutet eine steigende Gefährdung der Versorgung­ssicherhei­t im Saarland.“Andreas Reichel Vorsitzend­er der Steag-Geschäftsf­ührung

die spätere Versorgung mit Wasserstof­f sichergest­ellt sein. Dieser soll das Erdgas zwischen den Jahren 2035 und 2040 als klimaneutr­aler Energieträ­ger ablösen. Um die Gasturbine­n an den potenziell­en Standorten Völklingen, Quierschie­d und Bexbach mit Wasserstof­f zu versorgen, brauchen sie „zwingend eine Anbindung an das gerade in Planung befindlich­e Wasserstof­f-Pipelinene­tz“, sagt der Steag/Iqony-Chef. „Allerdings ist im Bereich des Saarlandes insbesonde­re der Bedarf von unseren Unternehme­n, die bestehende­n Kraftwerks­standorte an das geplante Leitungsne­tz anzubinden, bisher nicht berücksich­tigt worden.“

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FOTO: OLIVER DIETZE/DPA Das Steag-Kohlekraft­werk Bexbach ist eine jener Anlagen, die durch neue Gaskraftwe­rke ersetzt werden könnten.

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