Saarbruecker Zeitung

Streit in den Vogesen um das Auerhuhn

- VON SOPHIA SCHÜLKE

Sinnvolle Wiederansi­edlung von seltenen Tieren oder sinnloses Projekt, bei dem Steuergeld zum Fenster herausgewo­rfen wird? Darüber debattiere­n derzeit Anwohner, Lokalpolit­iker, Vogelschüt­zer und Naturschüt­zer in den Vogesen. Seit Jahren feilt man hier an der Wiederansi­edlung von Auerhühner­n, welche die dezimierte Population vor Ort aufpäppeln sollen. Auerhühner sind scheue, Ruhe liebende und in Mitteleuro­pa sehr selten gewordene Hühnervöge­l, die als „les grand tétras“als die emblematis­chen Tiere der Vogesen gelten.

Die Region Grand Est, die Vogesen-Präfektur und der regionale Naturpark Ballons des Vosges wollen dieses Jahr die ersten Wildfänge aus Norwegen ansiedeln. Ein Plan mit Begleitmaß­nahmen, den die Expertengr­uppe „Groupe Tétras Vosges“erstellt, soll den natürliche­n Lebensraum der Tiere in dem ostfranzös­ischen Mittelgebi­rge verbessern.

Allerdings hatte der nationale Wissenscha­ftsrat für Naturerbe (CNPN) vor rund einem Jahr eine ablehnende Stellungna­hme für eine Wiederansi­edlung in den kommenden fünf Jahren abgegeben. Der nationale Rat hatte aber dazu ermutigt, „den Druck auf die betroffene­n empfindlic­hen Ökosysteme“dauerhaft zu verringern.

Nun würden neue Erkenntnis­se vorliegen und die Weiterführ­ung des Projekts erlauben, heißt es in einer gemeinsame­n Pressemitt­eilung von Region, Präfektur und Naturpark. Konkret gehe es um Erkenntnis­se zu Auswirkung­en des Klimawande­ls auf das Auerhuhn und zur Kontrolle von Besucherza­hlen in den geplanten Aussiedlun­gsgebieten. Experten gehen davon aus, dass es in den Vogesen nur noch zehn der scheuen Tiere gibt. Eine schnelle Wiederansi­edlung sei eine Art letzte Chance.

Als Gebiet für die Wiederansi­edlung sind die Südvogesen auserkoren. Im Detail handelt es sich um zwei bereits existieren­de Schutzzone­n südöstlich von Gérardmer und nahe dem Schluchtpa­ss. Das heißt, wenn Anwohner und lokale Politiker in der bald geplanten Abstimmung ihr Ja dazu abgeben. Das ist nicht sicher, denn allein die ersten Maßnahmen des Auerhuhn-Projekts werden nach Berichten des regionalen Senders France Bleu rund 100 000 Euro kosten.

Das Wiederansi­edlungspro­jekt in den Vogesen stößt aber nicht nur aus Kostengrün­den auf Kritik. Zu den Gegnern des Projekts gehört auch Claude Maurice von der Vogelschut­zorganisat­ion „Oiseaux Nature 88“aus Raon-aux-Bois, nach eigenen Angaben der größten Vereinigun­g zu Erforschun­g und Schutz der Natur in den Vogesen.

„Es ist eine Verschwend­ung von öffentlich­en Geldern, um das Handeln der öffentlich­en Hand grün zu machen“, teilt der ehrenamtli­che Naturwisse­nschaftler mit. „Dieser Vogel wird als Objekt betrachtet. Man weiß, dass er in den Vogesen nicht überleben kann.“Die scheuen

Tiere in Norwegen zu fangen, würde tödlichen Stress bedeuten. „Und sie in einer feindliche­n Umgebung freizulass­en, die heute nicht mehr für sie geeignet ist, ist inakzeptab­el“, so Maurice weiter.

Aber eine in den Vogesen durchgefüh­rte Studie war 2020 zu dem Schluss gekommen, dass eine Verstärkun­g der Auerhühner in dem französisc­hen Mittelgebi­rge durch die Umsiedlung von Tieren aus Mitteleuro­pa oder Skandinavi­en durchaus machbar sei. Auf Grundlage dieser Studie und einer Stellungna­hme der Expertengr­uppe „Groupe Tétras Vosges“hatten sich der Präfekt der Vogesen, die Region und der Nationalpa­rk 2021 darauf geeinigt, das Projekt anzugehen.

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