Streit in den Vogesen um das Auerhuhn
Sinnvolle Wiederansiedlung von seltenen Tieren oder sinnloses Projekt, bei dem Steuergeld zum Fenster herausgeworfen wird? Darüber debattieren derzeit Anwohner, Lokalpolitiker, Vogelschützer und Naturschützer in den Vogesen. Seit Jahren feilt man hier an der Wiederansiedlung von Auerhühnern, welche die dezimierte Population vor Ort aufpäppeln sollen. Auerhühner sind scheue, Ruhe liebende und in Mitteleuropa sehr selten gewordene Hühnervögel, die als „les grand tétras“als die emblematischen Tiere der Vogesen gelten.
Die Region Grand Est, die Vogesen-Präfektur und der regionale Naturpark Ballons des Vosges wollen dieses Jahr die ersten Wildfänge aus Norwegen ansiedeln. Ein Plan mit Begleitmaßnahmen, den die Expertengruppe „Groupe Tétras Vosges“erstellt, soll den natürlichen Lebensraum der Tiere in dem ostfranzösischen Mittelgebirge verbessern.
Allerdings hatte der nationale Wissenschaftsrat für Naturerbe (CNPN) vor rund einem Jahr eine ablehnende Stellungnahme für eine Wiederansiedlung in den kommenden fünf Jahren abgegeben. Der nationale Rat hatte aber dazu ermutigt, „den Druck auf die betroffenen empfindlichen Ökosysteme“dauerhaft zu verringern.
Nun würden neue Erkenntnisse vorliegen und die Weiterführung des Projekts erlauben, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung von Region, Präfektur und Naturpark. Konkret gehe es um Erkenntnisse zu Auswirkungen des Klimawandels auf das Auerhuhn und zur Kontrolle von Besucherzahlen in den geplanten Aussiedlungsgebieten. Experten gehen davon aus, dass es in den Vogesen nur noch zehn der scheuen Tiere gibt. Eine schnelle Wiederansiedlung sei eine Art letzte Chance.
Als Gebiet für die Wiederansiedlung sind die Südvogesen auserkoren. Im Detail handelt es sich um zwei bereits existierende Schutzzonen südöstlich von Gérardmer und nahe dem Schluchtpass. Das heißt, wenn Anwohner und lokale Politiker in der bald geplanten Abstimmung ihr Ja dazu abgeben. Das ist nicht sicher, denn allein die ersten Maßnahmen des Auerhuhn-Projekts werden nach Berichten des regionalen Senders France Bleu rund 100 000 Euro kosten.
Das Wiederansiedlungsprojekt in den Vogesen stößt aber nicht nur aus Kostengründen auf Kritik. Zu den Gegnern des Projekts gehört auch Claude Maurice von der Vogelschutzorganisation „Oiseaux Nature 88“aus Raon-aux-Bois, nach eigenen Angaben der größten Vereinigung zu Erforschung und Schutz der Natur in den Vogesen.
„Es ist eine Verschwendung von öffentlichen Geldern, um das Handeln der öffentlichen Hand grün zu machen“, teilt der ehrenamtliche Naturwissenschaftler mit. „Dieser Vogel wird als Objekt betrachtet. Man weiß, dass er in den Vogesen nicht überleben kann.“Die scheuen
Tiere in Norwegen zu fangen, würde tödlichen Stress bedeuten. „Und sie in einer feindlichen Umgebung freizulassen, die heute nicht mehr für sie geeignet ist, ist inakzeptabel“, so Maurice weiter.
Aber eine in den Vogesen durchgeführte Studie war 2020 zu dem Schluss gekommen, dass eine Verstärkung der Auerhühner in dem französischen Mittelgebirge durch die Umsiedlung von Tieren aus Mitteleuropa oder Skandinavien durchaus machbar sei. Auf Grundlage dieser Studie und einer Stellungnahme der Expertengruppe „Groupe Tétras Vosges“hatten sich der Präfekt der Vogesen, die Region und der Nationalpark 2021 darauf geeinigt, das Projekt anzugehen.