Deutsche Biathleten wollen „ein anderes Gesicht zeigen“
Das Team will in der zweiten WM-Woche aus der Negativspirale ausbrechen. Insbesondere das Material bereitet Sorgen. Selina Grotian feiert heute Debüt.
(sid/dpa) Benedikt Doll tankte auf einer Joggingrunde im ungewohnten Sonnenschein von Nove Mesto Energie, Franziska Preuß testete ihre Schießabläufe. Am Ruhetag feilten die Hoffnungsträger der deutschen Biathleten in Tschechien allerdings auch mit den Verantwortlichen am Masterplan für die zweite WM-Woche. „Wir müssen alles auf links drehen“, forderte Sportdirektor Felix Bitterling: „Wir müssen auch mal Outside-the-Box denken, also außerhalb unseres Systems.“Die gesamte Mannschaft müsse nun „in den Quark kommen“und den „Resetknopf“drücken.
Erst zum dritten Mal in diesem Jahrtausend blieben die deutschen Biathleten in der ersten WM-Woche ohne Medaille, angesichts der besorgniserregenden Materialprobleme besteht gar die Gefahr einer historischen Nullnummer. „Keine Panik“, forderte Männer-Coach Uros Velepec. „Wir geben uns nicht geschlagen“, sagte die mit zwei sechsten Rängen bislang am besten platzierte Preuß: „Das Coole am Biathlon ist, dass sich das Blatt schnell wenden kann.“
Doch wo die Hoffnung auf Besserung genau herkommt, blieb zunächst offen. Die am Montagmorgen in großer Runde mit allen Athleten, Trainern und Technikern entwickelten Ideen wollte Bitterling nicht verraten. Klar ist, die Kehrtwende wird angesichts der weiter vorhergesagten Plusgrade samt Regen und Wind zur Mammutaufgabe. Jetzt gilt es aus 200 Wachsen, 70 Handstrukturen („vermutlich die Problemquelle“, Bitterling) und zahlreichen Skischliffen den besten Mix für die weichen und schmutzigen Bedingungen zu finden. „Vielleicht“, hofft Preuß, finde das Techniker-Team bis zum Einzel der Frauen über 15 Kilometer an diesem Dienstag (17.10 Uhr/ARD und Eurosport) ähnlich wie die Franzosen noch „ein Geheimrezept“– die sind mit den Norwegern in Sachen Material bislang in einer eigenen Liga.
Im Frauen-Einzel startet neben Preuß, Vanessa Voigt und Janina Hettich-Walz erstmals Nachwuchshoffnung Selina Grotian (19). „Selina hat sehr gut trainiert, sowohl in der Vorbereitung als auch hier. Sie ist sehr stabil, sehr spritzig und war auch am Schießstand wirklich gut“, sagte Bitterling am Montag. Die fünfmalige Junioren-Weltmeisterin freut sich auf ihr Debüt, sie gilt als größtes Talent seit Magdalena Neuner und Laura Dahlmeier.
Preuß war bislang in den Einzelrennen trotz starker Schießergebnisse chancenlos, kassierte in der Loipe Rückstände von über einer Minute. Noch schlimmer war es gar bei den Männern, deren Unterlegenheit in Sachen Material mit bloßem Auge sichtbar war. „Aufgeben tun wir auf alle Fälle nicht, wir bleiben dran. Wir sind nicht so weit weg von den Medaillen, als dass wir gar keine Chance haben“, betonte Frauen-Trainer Kristian Mehringer. Auch Bitterling kündigte an: Das Team werde „ein anderes Gesicht zeigen und den Kopf nicht in den Sand stecken“.