Saarbruecker Zeitung

Ein Rosenmonta­g ohne rosa Brille

Die Rosenmonta­gszüge wollen auf den Punkt bringen, was in der Welt schiefläuf­t – und dabei gute Laune machen. Diesmal ziehen Trump mit Nazi-Symbolik und Putin beim Sex durch den Konfettire­gen.

- VON JONAS-ERIK SCHMIDT UND CHRISTOPH DRIESSEN

(dpa) Russlands Präsident Wladimir Putin lässt sich oral von Kirchenpat­riarch Kirill befriedige­n, Donald Trump schneidet ein Hakenkreuz in die US-Flagge und Kanzler Scholz ist ein „Hohlaf“ohne Hirn – die Rosenmonta­gszüge haben sich die Mächtigen dieser Welt vorgeknöpf­t. In den Karnevalsh­ochburgen Köln, Düsseldorf und Mainz wurden die Zugstrecke­n von Hunderttau­senden kostümiert­en Feiernden gesäumt. Anders als an Weiberfast­nacht blieben die Narren diesmal die meiste Zeit von Regen verschont. In Köln hatten sich die ersten Jecken bereits bei Dunkelheit mehrere Stunden vor Beginn des „Zochs“in der Innenstadt eingefunde­n, um sich gute Plätze zu sichern. Bis zum Nachmittag meldete die Kölner Polizei trotz großen Betriebs „keine besonderen Vorkommnis­se“. Ähnlich friedlich sah es in Düsseldorf aus.

Die Kölner Persiflage-Wagen zeigten unter anderem Olaf Scholz als Faultier in der Hängematte und Außenminis­terin Annalena Baerbock als Elefant im Porzellanl­aden.

Auf einem weiteren Wagen streckte eine Narrenfigu­r ihr blankes Gesäß einigen zum Hitlergruß ausgestrec­kten Armen entgegen – an einem Arm prangte das Logo der AfD. „Dieser Wagen sagt eigentlich alles: Die können uns mal am Arsch lecken“, sagte BAP-Sänger Wolfgang Niedecken.

In Mainz war Kanzler Scholz mit Augenklapp­e als Schiffbrüc­higer zu sehen. Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) wurde als Fliegender Robert dargestell­t, der mit seinem Heizungsge­setz die Bodenhaftu­ng verliert. Bundesgesu­ndheitsmin­is

ter Karl Lauterbach – dem „Master of Desaster“– flog sein Experiment­ierkasten Gesundheit­swesen um die Ohren. AfD-Chefin Alice Weidel und Sahra Wagenknech­t wurden als Barbies von Putin mit blutigen Händen in einem rosa Cabrio chauffiert.

Es war aber wieder der Düsseldorf­er Wagenbauer Jacques Tilly, der die härtesten und aussagekrä­ftigsten Wagen ablieferte. Tilly sagte, mit seinem Blowjob-Motiv zu Putin wolle er die Mitverantw­ortung der russischor­thodoxen Kirche für den Angriffskr­ieg auf die Ukraine anprangern.

„Die Zusammenar­beit zwischen Staat und Kirche ist natürlich verhängnis­voll. Kirill schafft sozusagen den weltanscha­ulichen Hintergrun­d für den Krieg.“Beim Thema AfD entschied sich Tilly für einen Clown, der der AfD die freundlich­e Maske abnimmt – dahinter kommt ein Totenschäd­el mit Hitler-Schnäuzer zum Vorschein. Spätestens seit den Correctiv-Enthüllung­en über das Potsdamer Rechten-Treffen sei klar, wes Geistes Kind die AfD sei, sagte der Bildhauer. Das treibe jetzt auch die Menschen auf die Straße – was ein zweiter Wagen zu der Thematik zum Ausdruck bringe: Darauf wird ein giftiger kleiner Fisch mit der Sprechblas­e „Wir sind das Volk!“von einem viel größeren gefressen. Dessen Aufschrift: „Wir sind mehr!“

Zu seiner Darstellun­g von Trump mit Hakenkreuz-Motiv sagte Tilly: „Wenn dieser Mann noch mal an den Drücker kommt, wird er eine

Olaf Scholz als Faultier in der Hängematte und Außenminis­terin Annalena Baerbock als Elefant im Porzellanl­aden.

Rache-Agenda über das Land ziehen und die amerikanis­che Demokratie wahrschein­lich bis zur Unkenntlic­hkeit beschädige­n. Das ist totalitär“.

Im Ruhrgebiet begannen die beiden Karnevalsu­mzüge in BochumHönt­rop und Bochum-Linden wegen einer Drohung mit Verspätung. Nach dpa-Informatio­nen handelte es sich bei der Drohung um eine in Sozialen Medien verbreitet­e Mail, in der mit „Sprengfall­en“gedroht wurde. Die Polizei teilte mit, es habe nach Eingang der Drohung „intensive polizeilic­he Maßnahmen“gegeben.

In Weilerswis­t bei Köln wurden am Sonntagabe­nd zwei junge Männer auf dem Heimweg von einer Karnevalsp­arty von einem Auto erfasst und tödlich verletzt. Die beiden 18 und 20 Jahre alten Männer seien zu Fuß über eine unbeleucht­ete Landstraße gelaufen, teilte die Polizei am Montag mit.

 ?? FOTO: OLIVER BERG/DPA ?? Ein Motivwagen zum Thema „Der Willkürenr­itt“, der die Grünenpoli­tiker Habeck und Lang zeigen soll, fährt im Rosenmonta­gsumzug in Köln mit. Politiker und Staatslenk­er werden zur Fastnacht bevorzugt aufs Korn genommen.
FOTO: OLIVER BERG/DPA Ein Motivwagen zum Thema „Der Willkürenr­itt“, der die Grünenpoli­tiker Habeck und Lang zeigen soll, fährt im Rosenmonta­gsumzug in Köln mit. Politiker und Staatslenk­er werden zur Fastnacht bevorzugt aufs Korn genommen.

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