Das neue Gesicht der französischen Diplomatie
Stéphane Séjourné ist der jüngste Außenminister Frankreichs. Der 38-Jährige will gemeinsam mit Deutschland und Polen russische Desinformation bekämpfen.
PARIS Das Schloss von La CelleSaint-Cloud hat eine lange diplomatische Tradition. Das Anwesen westlich von Paris, das dem Außenministerium gehört, empfing bereits Königin Elizabeth II. und Leonid Breschnew. Am Montag war das Weimarer Dreieck zu Gast und Gastgeber war Frankreichs Außenminister Stéphane Séjourné.
Für den 38-Jährigen war es der erste große Auftritt im eigenen Land und entsprechend nervös wirkte er. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und seinem polnischen Kollegen Radoslaw Sikorski rückte er immer wieder seine Brille zurecht.
Séjourné war Mitte Januar überraschend zum Chef des Quai d'Orsay, des imposanten Außenministeriums an der Seine, ernannt worden. Als jüngster französischer Chefdiplomat überhaupt löste er die 67-jährige Catherine Colonna ab, der ein schlechtes Verhältnis zu Präsident Emmanuel Macron nachgesagt wurde.
Séjourné, der die Präsidentenpartei Renaissance leitet, ist dagegen ein enger Vertrauter des Staatschefs. Zuletzt führte der Europaabgeordnete in der EU-Volksvertretung die drittgrößte Fraktion Renew, der neben Renaissance auch die FDP angehört. Der Jurist galt auch als natürlicher Spitzenkandidat der Präsidentenpartei für die Europawahlen im Juni, doch Macron entschied anders. Er setzte mit Séjourné einen taktisch denkenden Politiker an die Stelle der Karrierediplomatin Colonna, die in den vergangenen Jahren kaum eigene Akzente setzen konnte.
Auch Séjourné dürfte das schwer fallen, denn die Außenpolitik ist in Frankreich traditionell Sache des Staatschefs. „Das ist das Hoheitsgebiet unseres Präsidenten“, antwortete der Minister am Montag auf die Frage, ob Frankreich andere europäische Länder unter seinen atomaren Abschreckungsschirm nehmen werde.
Ein anderes Thema will Séjourné aber selbst angehen: Die russischen Cyberattacken, denen Frankreich zusammen mit anderen Ländern wie Polen und Deutschland ausgesetzt ist. Erst am Montag hatte die französische Behörde Viginum, die gegen digitale Einmischung aus dem Ausland vorgeht, ein russisches Propagandanetzwerk mit knapp 200 gefälschten Nachrichtenseiten aufgedeckt. Ziel sei es gewesen, pro-russische Inhalte viral gehen zu lassen, sagte Séjourné nach dem Treffen des Weimarer Dreiecks. „Russland versucht, durch Manipulation der Nachrichten die Grenzen zwischen Wahrheit und Lüge zu verwischen“. Doch das Weimarer Dreieck, dem Frankreich, Deutschland und Polen angehören, werde seine Bürger schützen. Dazu vereinbarte er mit Baerbock und Sikorski einen gemeinsamen Warnmechanismus. „2024 ist ein wichtiges Wahljahr, vor allem in Europa. Wir werden keinen Einmischungsversuch in unsere demokratischen Prozesse dulden“, erklärten die drei Minister.
Bis zu seiner Ernennung als Nachfolger Colonnas hatte der wenig charismatisch wirkende Séjourné vor allem hinter den Kulissen agiert Seine Landsleute kannten ihn durch seine Beziehung zum späteren Regierungschef Gabriel Attal, mit dem er mehrere Jahre lang verpartnert war. Als Sohn eines Ingenieurs der staatlichen Telekomfirma France Télécom hatte Séjourné seine Kindheit in Madrid und Buenos Aires verbracht. In jungen Jahren schloss er sich den Sozialisten an und gehörte zur sozialliberalen Strömung rund um den früheren IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn, der 2011 wegen Vergewaltigungsvorwürfen aus dem Rennen um die Präsidentschaft schied.
Mit ähnlich gesinnten Kommilitonen, die er im Jura-Studium im westfranzösischen Poitiers kennen lernte, legte Séjourné danach den Grundstein für den Erfolg von Macron. Der Präsident dankte ihm sein Engagement nach der Wahl 2017 indem er ihn zu seinem Berater machte. Séjourné gab den Posten erst auf, als er Fraktionschef von Renew wurde. Intern dürften sich die beiden Männer, die ein „starkes Europa wollen, aber nach wie vor eng abstimmen.