EU will Kinderspielzeug sicherer machen
BRÜSSEL In einer Gemeinschaft mit 27 Staaten, Hunderten nationalen Parteien und 705 Europaabgeordneten ist eine einstimmige Entscheidung ein seltener Vorgang. Dass dies am Dienstag im Binnenmarktausschuss in Brüssel tatsächlich passierte, zeigt nicht nur, wie zufrieden die Fraktionen mit dem gefundenen Kompromisspaket sind, sondern auch, für wie dringend sie hier ein Einschreiten der EU halten. Gefährliches Spielzeug soll aus den Kinderzimmern, aus den Verkaufsregalen und den grenzüberschreitenden Lieferungen verschwinden.
„Kinder werden künftig besser vor gefährlichen chemischen Stoffen geschützt, gleichzeitig stellen wir sicher, dass die von vernetztem
Spielzeug ausgehenden Risiken begrenzt werden“, fasste die Chefunterhändlerin des EU-SpielzeugDossiers, Marion Walsmann (CDU), nach dem Votum des federführenden Ausschusses zusammen. Es gibt zwar bereits eine EU-Richtlinie, die seit 2009 die Beschaffenheit und den Verkauf von Spielzeug reglementiert. Sie wurde schon mehrere Male ergänzt und ist doch in die Jahre gekommen. So machte die EU-Kommission im Sommer 2023 einen Neuaufschlag.
Sie erweiterte in ihrem Gesetzesvorschlag vor allem jene Stoffe, die bei der Produktion von Spielsachen nicht mehr verwendet werden dürfen. Bislang gilt das für Chemikalien, die krebsauslösende, genverändernde oder fortpflanzungsschädliche Wirkungen hervorrufen können. Nach der neuen EU-Spielzeugverordnung werden auch solche Chemikalien in Spielwaren verboten, die besonders tückisch für Kinder sind. Dazu gehören solche Stoffe, die die normalen Hormonaktivitäten im Körper oder das Atmungssystem beeinträchtigen oder für ein bestimmtes Organ schädlich sind.
Schon der veränderte Rechtsrahmen macht die Dringlichkeit eines europäisch einheitlichen Schutzes deutlich. Statt einer Richtlinie, bei der die Mitgliedstaaten regelmäßig größeren Spielraum bei der Anwendung haben, wird die Reglementierung zu einer Verordnung hochgestuft, die unmittelbar wirkende Rechtsfolgen hat.
Die Kommission hatte in ihrem Gesetzesvorschlag zum Stichwort „Digital“lediglich eine verbesserte Kontrolle vorgesehen. Danach muss jedes Spielzeug künftig einen eigenen Digitalpass bekommen, sodass bei der Einfuhr an der europäischen Außengrenze elektronisch sofort überprüft werden kann, ob alles in den Containern auch den EU-Vorgaben entspricht oder eine nähere Überprüfung angezeigt ist. Digitalisierung innerhalb der Spielsachen wollte die Kommission an dieser Stelle aussparen, da sie Teil anderer Gesetzgebungsvorhaben sei.
Da machte der Binnenmarktausschuss jedoch nicht mit und fügte an etlichen Stellen auch den Schutz der Kinder vor negativen Auswirkungen Künstlicher Intelligenz in Puppen, Pkw und Plüschtieren ein. Schlagzeilen hatten hier vor einigen Jahren drei „Spione im Kinderzimmer“gemacht: „Meine Freundin Cayla“hatte mit einem eingebauten Mikrofon Kinderfragen aufgezeichnet, an eine Cloud geschickt und sich an Antworten versucht, ein Roboter hatte im Kinderzimmer Unterhaltungen begonnen, und ein Spielzeugpanzer Fotos geschossen und übertragen. Die Bundesnetzagentur stufte das als „verbotene Sendeanlagen“ein und untersagte Betrieb und Nutzung in Deutschland. Solche Spielsachen kamen nun zusammen mit anderen ans Internet angeschlossenen Gegenständen in die EU-Reglementierung zur Cyberresilienz.
Das Parlament wird voraussichtlich erst im März die vom Fachausschuss entworfene Positionierung beschließen, der Ministerrat muss ebenfalls noch einig werden, und erst danach können die Verhandlungen beginnen. So wird es vermutlich 2025 werden, bis das Vorhaben auf die Zielgerade kommt.
Auch vom Cyberresilienzgesetz ist kein schneller Schutz zu erwarten: Selbst wenn das Vorhaben noch diesen Sommer im Gesetzblatt veröffentlich sein wird, bleibt den Mitgliedstaaten Zeit bis Mitte 2027 für die Umsetzung.