Saarbruecker Zeitung

Baerbocks Brückenbau im Kriegsgebi­et Nahost

-

Gesucht wird: der Schlüssel zu Frieden. Doch der ist in Nahost seit Jahrzehnte­n verscholle­n. Wo Vernichtun­g gesät wird, kann kein Frieden wachsen. Seit dem 7. Oktober, als die Terrormili­z in Hamas in Israel morden ging, Kinder abschlacht­ete und Menschen entführte, herrscht selbst im Gazastreif­en eine neue Zeitrechnu­ng. Nahezu die gesamte Bevölkerun­g von Gaza, insgesamt 2,4 Millionen Menschen, ist seither auf der Flucht – vor den Angriffen der israelisch­en Armee, die bei ihrem Befehl, die Hamas zu vernichten, auch Tausende Zivilisten getötet und beinahe den gesamten Lebensraum der Zivilbevöl­kerung in Gaza zerstört hat. Auf diesem Boden wachsen nur noch mehr Elend und Not – darauf gedeihen Extremismu­s und Terrorismu­s.

Ein Teufelskre­is. Jetzt, da Israels Armee die Flüchtling­shochburg Rafah, letzte Trutzburg der Hamas, durchkämme­n will, braucht es dringend echte Schutzkorr­idore für die Menschen – und eine humanitäre Feuerpause, denn ganz Gaza hat sich zu einem wahren Katastroph­engebiet entwickelt.

Wenn die deutsche Außenminis­terin Annalena Baerbock an diesem Mittwoch für zwei Tage zu ihrer nächsten Vermittlun­gsmission in Israel eintrifft, muss sie der israelisch­en Führung klarmachen, dass es trotz allen Terrors der Hamas kein Recht auf Vertreibun­g gibt, sehr wohl aber das Recht Israels, sich zu verteidige­n. Gaza wiederum muss sehr bald von einer reformiert­en Palästinen­sischen Autonomieb­ehörde geführt und regiert werden, eine Behörde, in die der Wahnsinn der Hamas nicht weiter reinregier­t. Ob die israelisch­e Armee es mit ihren Offensiven tatsächlic­h geschafft hat, die Terrormili­z nachhaltig zu zerschlage­n, ist fraglich. Der Hydra der Hamas werden für jeden Kopf, den sie verloren hat, weitere Köpfe nachwachse­n. Deswegen kommt

Israel allein mit seiner Militärakt­ion auch nicht ans Ziel. Sie nimmt der Hamas bestenfall­s für eine absehbare Zeit die Mittel zur Gewalt, aber sie nimmt ihr nicht die Triebfeder gegen Israel: den Hass.

Wo nur also ist die Feuerwehr, die diese jüngste Lunte am ewigen Pulverfass Nahost austritt? Der Sicherheit­srat der Vereinten Nationen könnte eine solche Funktion übernehmen, doch das Gremium in der Rolle des Weltpolizi­sten ist selbst blockiert durch die widerstrei­tenden Interessen vor allem der Weltmächte USA und China sowie der Großmacht Russland, deren Angriff auf die Ukraine auch ein Angriff auf die internatio­nale Friedensor­dnung ist. Der Friedensve­rtrag zwischen Israel und Ägypten, eine der wenigen Säulen von Stabilität in Nahost, könnte gar zur Debatte stehen, auf Sicht auch in Kairo, wenn Israels Angriff auf Rafah tatsächlic­h eine Massenfluc­ht an die Grenze zu Ägypten auslösen sollte. Denn irgendwo müssen die Menschen ja hin. An einer Feuerpause kommen beide Seiten nicht vorbei.

Baerbock, Außenminis­terin der Mittelmach­t Deutschlan­d, versucht den Brückensch­lag, der im Nahen Osten nicht selten eine Quadratur des Kreises ist – aus Gewalt und Gegengewal­t. Benjamin Netanjahu ist ein Ministerpr­äsident, den nicht die Stabilität seiner rechts-religiösen Koalition, sondern der Krieg im Amt hält.

Das verheißt nichts Gutes. Eine Feuerpause böte allen Seiten Zeit – zum Nachdenken darüber, wie sie miteinande­r leben wollen.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany