Saarbruecker Zeitung

Die Verbindung von Freiheit und Vielfalt

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Ein bis heute lesenswert­er Text über die Freiheit stammt von dem englischen Philosophe­n John Stuart Mill. Eine Kernfrage lautet: Was ist das Wesen der Macht der Gesellscha­ft über das Individuum? Bereits 1859 sah er darin die „Lebensfrag­e der Zukunft“.

Das Wissenscha­ftsjahr 2024 widmet sich der Freiheit, eingebette­t in das 75-jährige Jubiläum der Bundesrepu­blik Deutschlan­d und den Fall der Mauer vor 35 Jahren. Die Wissenscha­ft ist ein steuerungs­resistente­s Feld, in dem der Eigensinn zu Hause ist. Man kann sich viele Einschränk­ungen des wissenscha­ftlichen Arbeitens vorstellen. Beklagt werden das bürokratis­che Umfeld und die häufig befristete­n Stellen, die minutiöse Berichts- und Dokumentat­ionspflich­t oder die Anpassung des Forschungs­rahmens an das Budget. Am Ende aber bleibt noch genug Freiheit, um sich der eigentlich­en Sache zu widmen. Natürlich erfahren Forschungs­gebiete unterschie­dliche Aufmerksam­keit und Unterstütz­ung. Andere werden nun häufiger aufgeforde­rt, ihren Nutzen zu demonstrie­ren. Hier schränkt die Knappheit leider auch Vielfalt ein.

Aber im Kern geht es bei der Freiheit um die Verhinderu­ng ihrer Einschränk­ung. Für Mill war im 19. Jahrhunder­t nicht nur die Gewissens-, sondern vor allem auch die Diskussion­sfreiheit ein hohes Gut. Er galt als subtiler Beobachter der Macht der öffentlich­en Meinung.

Das Hochschulw­esen ist innerhalb eines guten Jahrhunder­ts weltweit um das 470-fache gewachsen. Aus der Universitä­t ist eine Multiversi­tät geworden. Immer häufiger wird von robusten Debatten berichtet. Dennoch sollte hier doch die Bewährung im Austausch das Wesen der Konkurrenz sein, die Offenlegun­g von Frage und Verfahren, der kritische Umgang mit Rationalit­ät im besten Sinne. Autorität möge sich über wissenscha­ftliche Leistungen aufbauen, aber nicht selbst autoritär werden. Von dieser Vielfalt leben das System und die Freiheit in der Gemeinscha­ft der Lehrenden und Lernenden. Eigentlich gar nicht so komplizier­t.

Unser Autor ist Professor für Soziologie und früherer Präsident der Uni Trier.

Lucas Hochstein, Frank Kohler Ulrich Brenner

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