Saarbruecker Zeitung

Ukrainisch­e Kennzeiche­n – Bald droht ein Punkt

Hier lebende Flüchtling­e dürfen nur noch bis 31. März mit ihrem ukrainisch­en Kennzeiche­n fahren. Dann läuft die Ausnahmege­nehmigung aus. Das beschäftig­t auch Saar-Behörden.

- VON BRIAN-TIMMY ERBE

SAARBRÜCKE­N Als Russland die Ukraine überfiel, war von deutscher Seite schnelle und unbürokrat­ische Hilfe gefragt – auch bei der Aufnahme von Kriegsflüc­htlingen. Teil davon war eine Ausnahmege­nehmigung für die Nutzung ukrainisch­er Kennzeiche­n: Während Fahrzeuge, die im Ausland zugelassen sind, nach einem Jahr auf deutschen Straßen umgemeldet werden müssen, konnten Flüchtling­e aus der Ukraine – dank einer Sondererla­ubnis – mit ihrem alten Nummernsch­ild weiterfahr­en. Damit soll ab dem 1. April allerdings Schluss sein. Um einer Strafe von 70 Euro und einem Punkt in Flensburg zu entgehen, müssen Betroffene ihr Fahrzeug ummelden.

Bisher ist die Nachfrage nach einer Ummeldung bei der Kfz-Zulassungs­stelle in Saarlouis allerdings verhalten. „Vereinzelt haben in den vergangene­n Monaten bereits Betroffene, die auf Dauer in Deutschlan­d bleiben wollen, ihre Fahrzeuge umgemeldet. Obwohl die Frist zur Erteilung von Ausnahmege­nehmigunge­n nur noch bis zum 31. März läuft, ist die Zahl der Anfragen nach den für die Ummeldunge­n notwendige­n Unterlagen bis jetzt nur geringfügi­g gestiegen“, teilt der Landkreis auf Anfrage mit.

Zumindest im Saarpfalz-Kreis sind die ukrainisch­en Kennzeiche­n bereits Alltagsthe­ma. Pro Tag würden etwa ein bis zwei Anfragen dazu eingehen, berichtet eine Pressespre­cherin des Landkreise­s. Neben Anfragen zur Vorgehensw­eise oder zu den erforderli­chen Dokumenten gebe es auch schon aktive Ummeldunge­n.

Um den Anliegen der Ukrainer gerecht zu werden, müssten mitunter auch Sprachbarr­ieren überwunden werden.

Ralf Mühlen, vertretung­sberechtig­ter Vorstand des Hilfsverei­ns Ukraine-Saarland-Berlin, sieht die Sprache ebenfalls als Hindernis bei der Ummeldung: „Es ist sehr aufwendig, sich in das Thema einzufinde­n, selbst als deutscher Mutterspra­chler.“

Dennoch glaubt er, dass durch eine bessere sprachlich­e Förderung solche Probleme in Zukunft leichter ausgeräumt werden könnten: „Mich treibt die Frage um, wieso es nicht ein Online-Lernmodul gibt, wo jeder seinem Tempo entspreche­nd lernen kann.“

Vor allen Behördengä­ngen müssen ukrainisch­e Geflüchtet­e erst einmal von der Ummeldepfl­icht erfahren. Schon daran kann es scheitern. „Es wurde keine Veröffentl­ichung von Behörden gemacht, die die Menschen direkt erreicht hat“, sagt Lesya Matiyuk, Vorstandsv­orsitzende des Hilfsverei­ns Ukraine Freunde Saar. Sie und ihr Verband hätten vom Auslaufen der Frist erst durch eine Presseanfr­age erfahren. „Es wäre sinnvoll, mehr Zielgruppe­nkommunika­tion zu betreiben. Dazu müssten die Behörden nur eine Infomail an die eingetrage­nen Hilfsverei­ne im Saarland schicken. Wir würden so viel mehr Betroffene gemeinsam erreichen“, meint Matiyuk.

Wer sich erfolgreic­h durch die Tücken der deutschen Verordnung­ssprache manövriert hat, stellt fest: Um ein Auto umzumelden, muss einiges an Dokumenten gesammelt werden: Meldebesch­einigung, Ausweis, Versicheru­ngsbestäti­gung und ukrainisch­e Fahrzeugdo­kumente sind da nur der Anfang. Und die Ausstellun­g einiger Papiere kann bares Geld kosten.

Ein Beispiel dafür: die Übereinsti­mmungsbesc­heinigung. Eigentlich wird sie bei jedem Neuwagenka­uf ausgehändi­gt. Geht das Dokument jedoch verloren, muss man es erneut beim Hersteller anfordern – Stichprobe­n des ADAC haben dafür eine Kostenspan­ne zwischen 70 und 180 Euro ergeben.

Für Automodell­e ohne EU-Zulassung, im Fachjargon EU-Typgenehmi­gung genannt, braucht man laut

„Es ist sehr aufwendig, sich in das Thema einzufinde­n, selbst als deutscher Mutterspra­chler.“Ralf Mühlen Vorstand des Hilfsverei­ns Ukraine-Saarland-Berlin

dem TÜV Rheinland ein Gutachten zur Erteilung einer Einzelbetr­iebserlaub­nis. Dazu sei eine Vollabnahm­e nötig, für die laut Jörg Wehrfritz, dem technische­n Leiter der TÜV Rheinland-Prüfstelle­n in Rheinland-Pfalz, keine klare Kostenanga­be möglich ist. Grund dafür sei die schiere Vielfalt der in der Ukraine betriebene­n Fahrzeuge. Die Spezifikat­ionen der ukrainisch­en Wagen könnten nämlich den Vorgaben für den europäisch­en, amerikanis­chen, russischen oder nahöstlich­en Markt entspreche­n, was unterschie­dliche Aufwände bei der Vollabnahm­e bedeute.

Sollte dabei festgestel­lt werden, dass das Fahrzeug nicht den Normen der Straßenver­kehrs-Zulassungs­Ordnung entspricht (StVZO), muss zusätzlich eine Sondergene­hmigung durch die Kfz-Zulassungs­stelle erteilt werden. Das kann laut dem Landkreis Saarlouis zwischen 50 und 510 Euro kosten, wobei der Preis unter anderem von den konkreten Abweichung­en des Fahrzeugs von der StVZO abhängt. Im Regelfall würde im Landkreis Saarlouis allerdings eine Gebühr zwischen 50 und 300 Euro erhoben.

Die Kosten für die eigentlich­e Ummeldung sind je nach Zulassungs­stelle, Sonderwüns­chen und Aufwand unterschie­dlich. In Saarlouis liegt der Durchschni­ttspreis bei 80

Euro, wie eine Pressespre­cherin mitteilt. Grundsätzl­ich seien allerdings Kosten zwischen 35 und 110 Euro möglich.

Laut Lesya Matiyuk, die selbst aus der ukrainisch­en Stadt Mykolaiv stammt, ist die Reaktion der Ukrainer im Saarland auf die Ummeldepfl­icht komplizier­t: „Grundsätzl­ich ist allen Menschen aus der Ukraine klar, dass man keine Sonderrege­ln auf unbegrenzt­e Zeit aufrechter­halten kann. Für diejenigen, die hier bleiben wollen, ist es ein Schritt in die ‚richtige Richtung`, der aber auch mit Geld verbunden ist.“

Schwierige­r sei es für die Menschen, die gerne in die Ukraine zurückkehr­en möchten: „Für sie ist es emotional ein Eingeständ­nis, dass ihre Rückkehr eventuell nicht so schnell möglich ist. Und für die Menschen, die besonders vom Krieg betroffen sind, Verwandte oder Bekannte verloren haben, ist es ein Zeichen schwindend­er Solidaritä­t.“

 ?? FOTO: IMAGO/OHDE ?? Ihr heimisches Kennzeiche­n ist für länger hier lebende Ukrainer in Deutschlan­d bald nicht mehr erlaubt.
FOTO: IMAGO/OHDE Ihr heimisches Kennzeiche­n ist für länger hier lebende Ukrainer in Deutschlan­d bald nicht mehr erlaubt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany