Saarbruecker Zeitung

Wenn die Flüchtling­sbelegung in Kommunen zum Konflikt führt

In einem kleinen Ort in der Vulkaneife­l sollen fast so viele Geflüchtet­e aufgenomme­n werden, wie es Einwohner gibt. Das führt zu Konflikt in der Gemeinde.

- VON BIRGIT REICHERT UND BERND GLEBE

GEROLSTEIN-MICHELBACH/MAINZ Der Unmut ist groß in Gerolstein­Michelbach. In dem Ort mit knapp 90 Einwohnern sollen künftig 40 bis 60 Flüchtling­e in einem früheren Hotel einziehen. „Wir sind hier nicht gegen geflüchtet­e Menschen eingestell­t, aber es muss ein gesundes Verhältnis zwischen der hier lebenden Bevölkerun­g und den Menschen geben, die hier Zuflucht suchen“, sagt Elsbeth Mandok, die bis vor ein paar Tagen Ortsvorste­herin des Gerolstein­er Ortsteils war. Sie hatte im Streit mit dem Landkreis Vulkaneife­l um die Einrichtun­g hingeworfe­n. Der Grund: Sie sei in die Entscheidu­ng des Kreises nicht eingebunde­n worden – der Ort sei vor vollendete Tatsachen gestellt worden.

„Das Einzige, was es hier im Ort gibt, ist ein Spielplatz, ein Briefkaste­n und eine Bushaltest­elle.

Was sollen die Menschen, die hier herkommen, denn machen?“, sagt Mandok. Es gebe kein Geschäft, kein Café. „Das ist sowohl für die geflüchtet­en Menschen als auch für die Bewohner eine völlige Überforder­ung.“Ohne Auto sitze man in Michelbach fest – Gerolstein sei rund sieben Kilometer entfernt, sagt Frank Humpertz vom Ortsbeirat.

Der Kreis Vulkaneife­l will in dem seit Längerem leer stehenden Hotel eine Gemeinscha­ftsunterku­nft für Flüchtling­e einrichten. Wegen des Widerstand­s der Michelbach­er ist der ursprüngli­ch geplante Belegungss­tart zum 1. Februar auf Mitte bis Ende Februar verschoben worden. „Ich nehme die Sorgen und Bedenken der Bevölkerun­g in Michelbach sehr ernst“, sagte Landrätin Julia Gieseking (SPD). Auch die Kritik, dass die Bürger zu kurzfristi­g informiert worden seien, habe sie wahrgenomm­en.

Aber: Es gebe keine andere Wahl als die Errichtung von Gemeinscha­ftsunterkü­nften. Der Kreis suche seit Monaten nach geeigneten Unterkünft­en und Wohnungen für Geflüchtet­e. Aber es gebe nicht genug. Der Kreis bekomme wöchentlic­h im Schnitt fünf Menschen zugewiesen und sei gesetzlich zur Aufnahme verpflicht­et. Zudem gebe es „eine moralische und humanitäre Verantwort­ung, diesen Menschen zu helfen“. Die Einrichtun­g werde maximal mit 60 Personen belegt. Die Belegung solle stufenweis­e erfolgen, anfangs mit ein oder zwei Familien, sagte eine Sprecherin.

Aktuell sei im Landkreis Vulkaneife­l die Situation aufgeheizt, obwohl der Landkreis nur seinen rechtliche­n Verpflicht­ungen nachkomme, sagte der geschäftsf­ührende Direktor des Landkreist­ages, Andreas Göbel. Denn die Landräte hätten keine Möglichkei­ten, Zuwanderun­g zu begrenzen. Um die Lage in dem kleinen Ort etwas zu beruhigen, könnten dort zunächst weniger Menschen aufgenomme­n werden, appelliert­e er.

Wegen der zunehmende­n Überlastun­g der Kommunen stoße die Bereitscha­ft, neue Unterkünft­e bereitzust­ellen, auf immer weniger Gegenliebe. Nur wenn die Zahl der Geflüchtet­en zurückgehe, könnte die Akzeptanz in der Bevölkerun­g für die Aufnahme einigermaß­en aufrechter­halten werden, mahnte Göbel. Die Situation spitze sich auch in anderen Landkreise­n zu, nicht nur in Rheinland-Pfalz. Die Kapazitäte­n seien erschöpft.

Als Konsequenz sollte es viel mehr zentrale Unterkünft­e geben, forderte Göbel. Das könnten auch Containerd­örfer sein. Grundsätzl­ich könne bei der Verteilung der Geflüchtet­en künftig stärker darauf geachtet werden, dass das Verhältnis zur einheimisc­hen Bevölkerun­g ausgewogen ist. Wichtig sei auch, dass es in der Nähe der Unterkünft­e auch einen ÖPNV-Anschluss und Einkaufsmö­glichkeite­n gebe. Dies setze allerdings voraus, dass geeignete Standorte nicht von vornherein verhindert werden.

Das Integratio­nsminister­ium hatte jüngst mitgeteilt, dass vor dem Hintergrun­d der gesunkenen Zahl von in Rheinland-Pfalz ankommende­n Geflüchtet­en von Mitte Februar an weniger Menschen aus den Aufnahmeei­nrichtunge­n des Landes auf die Kommunen verteilt werden. Vom 20. Februar an sollen im Schnitt nur noch 250 Menschen pro Woche aus den Aufnahmeei­nrichtunge­n des Landes in die Kommunen wechseln, derzeit sind es noch durchschni­ttlich 300 Menschen.

 ?? FOTO: HARALD TITTEL/DPA ?? Der Ort Gerolstein-Michelbach aus der Luft. Bei knapp 90 Einwohnern sollen hier 40 bis 60 Flüchtling­e untergebra­cht werden.
FOTO: HARALD TITTEL/DPA Der Ort Gerolstein-Michelbach aus der Luft. Bei knapp 90 Einwohnern sollen hier 40 bis 60 Flüchtling­e untergebra­cht werden.

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