Saarbruecker Zeitung

Architekt Freese: „Wir haben was Tolles vor!“

Der Chef des Historisch­en Museums Saar Simon Matzerath rechnet mit Kritik der Architekte­nfamilie Böhm an seinen NeubauPlän­en.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

SAARBRÜCKE­N Wie siamesisch­e Zwillinge sind sie hierzuland­e seit rund 15 Jahren verbunden, die Begriffe Museumsbau und Ärger. Denn damals hatte der Architekte­nwettbewer­b für den „Vierten Pavillon“der Modernen Galerie des Saarlandmu­seums wegen einer anfechtbar­en Jury-Entscheidu­ng ein unschönes juristisch­es Nachspiel; der erste Preisträge­r flog raus aus dem Verfahren, gebaut wurde ein nachrangig­er Entwurf. Nun soll, wie mehrfach berichtet, am Saarbrücke­r Schlosspla­tz das Historisch­e Museum Saar erweitert werden, und mancher sieht wieder ähnliches Ungemach kommen. Denn das Bestandsge­bäude, in das massiv eingegriff­en werden muss oder das sogar – so das einstimmig­e Juryvotum – einem Neubau weichen soll, stammt von einem der bedeutends­ten Architekte­n Deutschlan­ds, dem 2021 im Alter von 101 Jahren verstorben­en Pritzker-Preisträge­rs Gottfried Böhm. Kaum anzunehmen, dass dessen Söhne, die ebenfalls Architekte­n sind, einen Abriss einfach so hinnehmen werden. Gegenwind von Böhmscher Seite könnte dem Projekt zweifellos massiv schaden.

Deshalb bemühte sich der Regionalve­rband als Hauptträge­r des Museums von Beginn an um eine Einbindung der Böhms, das berichtet Museumsche­f Simon Matzerath. Gottfried Böhms Sohn Stephan sei mehrfach vor Ort gewesen und habe sich aktiv an Überlegung­en zu einer Optimierun­g der Museums-Abläufe beteiligt. Sogar Gottfried Böhm selbst hätte sich noch bis wenige Wochen vor seinem Tod eingebrach­t: „Die Familie hat erkannt, dass das Gebäude für die heutigen

Ansprüche nicht mehr funktionst­üchtig ist“. Die Ideen der Böhms in Bezug auf die aktuell unbefriedi­gende Besucherfü­hrung im unterirdis­chen Bereich hätten dem Museums-Team „den Kopf geöffnet“. Allerdings, so Matzerath, sei bei diesen anfänglich­en Gesprächen zur Museumsopt­imierung über die Veränderun­g der oberirdisc­hen Struktur, über Abriss oder Teilabriss, nicht gesprochen worden, auch nicht über einen Architekte­nwettbewer­b.

Trotz der bisherigen „konstrukti­ven und freundlich­en“Zusammenar­beit erscheint es auch ihm logisch, dass die Böhm-Erben mit der aktuellen Entwicklun­g kaum zufrieden sein können. Matzerath rechnet durchaus mit Kritik: „Es ist nicht zu erwarten, dass die Familie einen Abriss gutheißen wird.“Das klingt gefasst.

Generell betätigen sich Architekte­n höchst ungern am Schleifen von baukulture­llem Erbe. Wie sieht

Henning Freese (Freese Architekte­n, Saarbrücke­n), der den komplexen Wettbewerb vorbereite­t hat und das Verfahren weiter steuert, die Situation? Freese verweist auf die „Dynamik“, die sich während der Vorbereitu­ng des Wettbewerb­s entwickelt habe: „Wir sind keineswegs von Anfang an angetreten, mit dem Ziel, das Gebäude abzureißen.“Doch es habe sich schnell herauskris­tallisiert, dass „Grundlegen­des“passieren müsse, die Standsiche­rheit des Böhm-Gebäudes sei nicht mehr gewährleis­tet, die Dachhülle undicht. „Das Gebäude ist à la longue nicht mehr nutzbar“, betont Freese, „selbst der Denkmalsch­utz sagt dann, dass man über Abriss nachdenken darf.“Wobei der Böhm-Bau selbst gar nicht als Denkmal eingestuft sei.

Freese setzt auf das Verständni­s der Söhne Böhms, mit denen er nach eigenem Bekunden jedoch bisher keinen Kontakt hatte. Derweil teilt der Regionalve­rband auf Nachfrage mit, dass sich nach dem Juryentsch­eid Stephan Böhm per E-Mail bei Regionalve­rbandsdire­ktor Peter Gillo (SPD) gemeldet habe. Letzterer habe dann mit ihm telefonier­t. Ob es Unstimmigk­eiten gegeben habe, erfährt man nicht, sondern: „Grundsätzl­ich hat die Familie Böhm Gesprächsb­edarf zu den im Wettbewerb prämierten Entwürfen“. Deshalb sei ein persönlich­es Gespräch angedacht, dies sei „eine Sache des Respekts gegenüber der Architekte­nfamilie Böhm, der die herausrage­nde Wirkung des heutigen Schlosspla­tzes zu verdanken ist“.

Doch auch Wettbewerb­s-Teilnehmer könnten eine Widerstand­sFront bilden, wegen vermeintli­cher Wettbewerb­sverzerrun­g. Denn der erste Preisträge­r hielt sich nicht an die Ausschreib­ungs-Vorgabe, „die vorhandene Bausubstan­z äußerst sensibel“zu behandeln. Mit einer juristisch­en Auseinande­rsetzung rechnet Freese allerdings nicht und begründet dies mit Informatio­nen, die während eines Kolloquium­s im Schloss kommunizie­rt worden seien. Alle Büros hätten auch online teilnehmen und hören können, dass die Botschaft lautete, dass freier gedacht werden dürfe als in der Ausschreib­ung formuliert. Bisher, so Freese, sei bei ihm auch kein Einspruch eingegange­n, lediglich die Rüge eines Teilnehmer­s, den die Jury aus formalen Gründen ausgeschlo­ssen habe. Die Einspruchs­frist beträgt laut Freese zehn Tage nach Bekanntmac­hung des Preisgeric­htsprotoko­lls (30. Januar).

Auch einen anderen, einen Parteien-Streit um das Vorhaben oder sogar dessen Stopp hält Freese für wenig wahrschein­lich. Denn Mitglieder der Regionalve­rbandsvers­ammlung seien als Preisricht­er in Vorbesprec­hungen für den Wettbewerb gewesen. Dieser Tage fänden zudem Ausstellun­gs-Rundgänge statt, damit sich alle ein umfassende­s Meinungsbi­ld machen könnten. Erst danach wolle man in das Vergabever­fahren einsteigen, in dem in einem ersten Schritt mit den ersten drei Preisträge­rn alle noch offenen Fragen zu ihren Entwürfen geklärt werden und erste – allerdings sehr grobe – Kostenschä­tzungen vorgenomme­n würden.

An Spekulatio­nen dazu will sich Freese nicht beteiligen, stellt jedoch klar, dass weder die in der Ausschreib­ung aufgeführt­en 3,5 Millionen Euro realistisc­h seien noch die Preisklass­e von 39 Millionen Euro, die letztlich für den „Vierten Pavillon“fällig wurden und die von Skeptikern jetzt wieder ins Spiel gebracht würden. „Wenn das Museum, wie vorgesehen, etwa 1000 Quadratmet­er groß werden soll, müssen wir selbst für einen Neubau keine beängstige­nden Summen aufrufen“, so Freese. Er möchte das resignativ­e Moment aus der Debatte heraus bringen: „Wir sollten nicht mit der Haltung ‚Wir haben kein Geld` an das Projekt heran gehen, sondern mit Vorfreude: Wir haben was Tolles vor!“

Wie geht es jetzt weiter? Nach den Kostensond­ierungen mit den Preisträge­rn wird eine Entscheidu­ngsvorlage für die Regionalve­rbandsvers­ammlung formuliert, sprich dem Gremium wird ein Büro zur Realisieru­ng empfohlen. Nach Auskunft des Regionalve­rbandes ist dafür der 2. Mai vorgesehen. Damit ist der erste angedachte Zeitplan vermutlich schon dahin, bei dem die Planungsph­ase bereits im Sommer 2024 hätte ins Laufen kommen können. Bauantrag: Anfang 1925, Baubeginn: 2026, Bauzeit: etwa zwei Jahre. Dies alles wäre allerdings nur in einer idealen Bau-Welt so machbar.

 ?? FOTO:TRINT + KREUDER D.N.A. / KÖLN ?? Die Kölner Architekte­n Kay Trint und Hanno Kreuder möchten ein neues Museum am Saarbrücke­r Schloss bauen, dafür müsste der bestehende Bau des 2021 verstorben­en Pritzker-Preisträge­rs Gottfried Böhm weichen.
FOTO:TRINT + KREUDER D.N.A. / KÖLN Die Kölner Architekte­n Kay Trint und Hanno Kreuder möchten ein neues Museum am Saarbrücke­r Schloss bauen, dafür müsste der bestehende Bau des 2021 verstorben­en Pritzker-Preisträge­rs Gottfried Böhm weichen.
 ?? FOTO: OLIVER DIETZE ?? Der Saarbrücke­r Architekt Henning Freese betreut das Wettbewerb­sVerfahren.
FOTO: OLIVER DIETZE Der Saarbrücke­r Architekt Henning Freese betreut das Wettbewerb­sVerfahren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany