Architekt Freese: „Wir haben was Tolles vor!“
Der Chef des Historischen Museums Saar Simon Matzerath rechnet mit Kritik der Architektenfamilie Böhm an seinen NeubauPlänen.
SAARBRÜCKEN Wie siamesische Zwillinge sind sie hierzulande seit rund 15 Jahren verbunden, die Begriffe Museumsbau und Ärger. Denn damals hatte der Architektenwettbewerb für den „Vierten Pavillon“der Modernen Galerie des Saarlandmuseums wegen einer anfechtbaren Jury-Entscheidung ein unschönes juristisches Nachspiel; der erste Preisträger flog raus aus dem Verfahren, gebaut wurde ein nachrangiger Entwurf. Nun soll, wie mehrfach berichtet, am Saarbrücker Schlossplatz das Historische Museum Saar erweitert werden, und mancher sieht wieder ähnliches Ungemach kommen. Denn das Bestandsgebäude, in das massiv eingegriffen werden muss oder das sogar – so das einstimmige Juryvotum – einem Neubau weichen soll, stammt von einem der bedeutendsten Architekten Deutschlands, dem 2021 im Alter von 101 Jahren verstorbenen Pritzker-Preisträgers Gottfried Böhm. Kaum anzunehmen, dass dessen Söhne, die ebenfalls Architekten sind, einen Abriss einfach so hinnehmen werden. Gegenwind von Böhmscher Seite könnte dem Projekt zweifellos massiv schaden.
Deshalb bemühte sich der Regionalverband als Hauptträger des Museums von Beginn an um eine Einbindung der Böhms, das berichtet Museumschef Simon Matzerath. Gottfried Böhms Sohn Stephan sei mehrfach vor Ort gewesen und habe sich aktiv an Überlegungen zu einer Optimierung der Museums-Abläufe beteiligt. Sogar Gottfried Böhm selbst hätte sich noch bis wenige Wochen vor seinem Tod eingebracht: „Die Familie hat erkannt, dass das Gebäude für die heutigen
Ansprüche nicht mehr funktionstüchtig ist“. Die Ideen der Böhms in Bezug auf die aktuell unbefriedigende Besucherführung im unterirdischen Bereich hätten dem Museums-Team „den Kopf geöffnet“. Allerdings, so Matzerath, sei bei diesen anfänglichen Gesprächen zur Museumsoptimierung über die Veränderung der oberirdischen Struktur, über Abriss oder Teilabriss, nicht gesprochen worden, auch nicht über einen Architektenwettbewerb.
Trotz der bisherigen „konstruktiven und freundlichen“Zusammenarbeit erscheint es auch ihm logisch, dass die Böhm-Erben mit der aktuellen Entwicklung kaum zufrieden sein können. Matzerath rechnet durchaus mit Kritik: „Es ist nicht zu erwarten, dass die Familie einen Abriss gutheißen wird.“Das klingt gefasst.
Generell betätigen sich Architekten höchst ungern am Schleifen von baukulturellem Erbe. Wie sieht
Henning Freese (Freese Architekten, Saarbrücken), der den komplexen Wettbewerb vorbereitet hat und das Verfahren weiter steuert, die Situation? Freese verweist auf die „Dynamik“, die sich während der Vorbereitung des Wettbewerbs entwickelt habe: „Wir sind keineswegs von Anfang an angetreten, mit dem Ziel, das Gebäude abzureißen.“Doch es habe sich schnell herauskristallisiert, dass „Grundlegendes“passieren müsse, die Standsicherheit des Böhm-Gebäudes sei nicht mehr gewährleistet, die Dachhülle undicht. „Das Gebäude ist à la longue nicht mehr nutzbar“, betont Freese, „selbst der Denkmalschutz sagt dann, dass man über Abriss nachdenken darf.“Wobei der Böhm-Bau selbst gar nicht als Denkmal eingestuft sei.
Freese setzt auf das Verständnis der Söhne Böhms, mit denen er nach eigenem Bekunden jedoch bisher keinen Kontakt hatte. Derweil teilt der Regionalverband auf Nachfrage mit, dass sich nach dem Juryentscheid Stephan Böhm per E-Mail bei Regionalverbandsdirektor Peter Gillo (SPD) gemeldet habe. Letzterer habe dann mit ihm telefoniert. Ob es Unstimmigkeiten gegeben habe, erfährt man nicht, sondern: „Grundsätzlich hat die Familie Böhm Gesprächsbedarf zu den im Wettbewerb prämierten Entwürfen“. Deshalb sei ein persönliches Gespräch angedacht, dies sei „eine Sache des Respekts gegenüber der Architektenfamilie Böhm, der die herausragende Wirkung des heutigen Schlossplatzes zu verdanken ist“.
Doch auch Wettbewerbs-Teilnehmer könnten eine WiderstandsFront bilden, wegen vermeintlicher Wettbewerbsverzerrung. Denn der erste Preisträger hielt sich nicht an die Ausschreibungs-Vorgabe, „die vorhandene Bausubstanz äußerst sensibel“zu behandeln. Mit einer juristischen Auseinandersetzung rechnet Freese allerdings nicht und begründet dies mit Informationen, die während eines Kolloquiums im Schloss kommuniziert worden seien. Alle Büros hätten auch online teilnehmen und hören können, dass die Botschaft lautete, dass freier gedacht werden dürfe als in der Ausschreibung formuliert. Bisher, so Freese, sei bei ihm auch kein Einspruch eingegangen, lediglich die Rüge eines Teilnehmers, den die Jury aus formalen Gründen ausgeschlossen habe. Die Einspruchsfrist beträgt laut Freese zehn Tage nach Bekanntmachung des Preisgerichtsprotokolls (30. Januar).
Auch einen anderen, einen Parteien-Streit um das Vorhaben oder sogar dessen Stopp hält Freese für wenig wahrscheinlich. Denn Mitglieder der Regionalverbandsversammlung seien als Preisrichter in Vorbesprechungen für den Wettbewerb gewesen. Dieser Tage fänden zudem Ausstellungs-Rundgänge statt, damit sich alle ein umfassendes Meinungsbild machen könnten. Erst danach wolle man in das Vergabeverfahren einsteigen, in dem in einem ersten Schritt mit den ersten drei Preisträgern alle noch offenen Fragen zu ihren Entwürfen geklärt werden und erste – allerdings sehr grobe – Kostenschätzungen vorgenommen würden.
An Spekulationen dazu will sich Freese nicht beteiligen, stellt jedoch klar, dass weder die in der Ausschreibung aufgeführten 3,5 Millionen Euro realistisch seien noch die Preisklasse von 39 Millionen Euro, die letztlich für den „Vierten Pavillon“fällig wurden und die von Skeptikern jetzt wieder ins Spiel gebracht würden. „Wenn das Museum, wie vorgesehen, etwa 1000 Quadratmeter groß werden soll, müssen wir selbst für einen Neubau keine beängstigenden Summen aufrufen“, so Freese. Er möchte das resignative Moment aus der Debatte heraus bringen: „Wir sollten nicht mit der Haltung ‚Wir haben kein Geld` an das Projekt heran gehen, sondern mit Vorfreude: Wir haben was Tolles vor!“
Wie geht es jetzt weiter? Nach den Kostensondierungen mit den Preisträgern wird eine Entscheidungsvorlage für die Regionalverbandsversammlung formuliert, sprich dem Gremium wird ein Büro zur Realisierung empfohlen. Nach Auskunft des Regionalverbandes ist dafür der 2. Mai vorgesehen. Damit ist der erste angedachte Zeitplan vermutlich schon dahin, bei dem die Planungsphase bereits im Sommer 2024 hätte ins Laufen kommen können. Bauantrag: Anfang 1925, Baubeginn: 2026, Bauzeit: etwa zwei Jahre. Dies alles wäre allerdings nur in einer idealen Bau-Welt so machbar.