Braucht Saarbrücken ein Bettelverbot?
Ein Bettelverbot sorgt derzeit in Luxemburg für hitzige Debatten. Kritiker werfen der Regierung soziale Kälte vor. Befürworter sehen in dem Verbot eine notwendige Sicherheitsmaßnahme. Wie ist die Meinung in Saarbrücken?
SAARBRÜCKEN Schon einmal hat die Stadt Saarbrücken mit der Idee eines räumlich begrenzten Bettelverbots gespielt: 2017 setzte sich die damalige Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD) für die Errichtung einer bettelfreien Zone in der Saarbrücker Innenstadt ein. Zuvor hatten bereits Städte wie München, Stuttgart oder das österreichische Salzburg Bettelverbote im Kampf gegen vermeintliche Bettel-Banden aus Osteuropa eingeführt.
Den Vorstoß begründete Britz vor sieben Jahren damit, dass sich Passanten, Gewerbetreibende und Anwohner belästigt gefühlt hätten. Vor allem aggressives und organisiertes Betteln waren der damaligen Oberbürgermeisterin ein Dorn im Auge. Im Grunde vertrat sie also die gleichen Argumente, die jetzt auch die luxemburgische Regierung für ihr Verbot vorbringt. Damit prallte Britz jedoch am Saar-Innenminister Klaus Bouillon (CDU) ab, der ein generelles Bettelverbot auch in räumlich begrenzter Form als nicht rechtmäßig einstufte. Ein Verbot gegen organisiertes und aggressives Betteln existierte zu diesem Zeitpunkt allerdings schon und ist bis heute Teil einer Polizeiverordnung der Landeshauptstadt.
Nach dem Veto Bouillons gab sich Britz zunächst kämpferisch. Man wolle das Gespräch mit dem Ministerium suchen, sagte der damalige Stadtsprecher Robert Mertes und verwies zugleich auf den Zuspruch, den die Stadt für ihr Vorhaben aus der Bevölkerung erhalten habe. Kurz darauf scheint jedoch die Ernüchterung eingesetzt zu haben. „Vor dem Hintergrund der Entscheidung des Innenministeriums ist die Einrichtung einer bettelfreien Zone in der Innenstadt seither nicht weiter verfolgt worden“, teilt die Stadtverwaltung jetzt auf SZ-Anfrage mit.
Stattdessen verfolgt die Stadtverwaltung mit Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU) an der Spitze zur Begrenzung der Bettelei mittlerweile andere Ansätze. „Obdachlose Menschen werden regelmäßig durch die Streetworker der Landeshauptstadt sowie der sozialen Träger angesprochen. Dabei werden Hilfsund Unterstützungsleistungen und niedrigschwellige Angebote unterbreitet. Damit sollen Menschen von der Straße in sichere Umgebungen gebracht und aggressives Betteln reduziert werden“, sagt ein Pressesprecher der Stadt. Gleichzeitig würde aber auch kontrolliert, dass Betteln nur in erlaubter Form praktiziert wird: „Der Kommunale Ordnungsdienst (KOD) patrouilliert regelmäßig an sechs Tagen in der Woche im gesamten Citybereich. Dabei wird grundsätzlich die Einhaltung der Polizeiordnung kontrolliert – auch das Betteln.“
Die zweigleisige Strategie Saarbrückens scheint Erfolg zu haben. Laut Angaben der Stadt und des KOD seien die Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern wegen ordnungswidrigem, also organisiertem oder aggressivem Betteln, zusammen mit allgemeinen Beschwerden wegen Bettelei stark rückläufig und kämen nur noch selten vor. Die Ursachen für Bettelei selbst zu bekämpfen, gehe aber zum Teil über die Möglichkeiten der Stadt hinaus. Hier sei die Bundespolitik gefragt. „Ein Augenmerk sollte vor allem von der Bundespolitik auf die zugrunde liegenden Ursachen von Armut – wie zum Beispiel fehlende Bildung, Arbeitslosigkeit oder ein mangelnder Zugang zur Gesundheitsversorgung und anderen Ressourcen – gelegt werden“, fordert die Stadtverwaltung.
Für eine bettelfreie Innenstadt setzte sich 2017 nicht nur die Stadtverwaltung in Saarbrücken ein. „Es gab Geschäftsleute, die gemeint haben, das Betteln wäre geschäftsschädigend oder Kunden könnten angesprochen werden und das negativ auffassen“, erinnert sich
Manfred Klasen, Geschäftsführer der Saarländischen Armutskonferenz. „Es ist wichtig, dass sich die Besucher sicher und wohlfühlen“, betont auch Michael Genth, Vorsitzender des Vereins für Handel und Gewerbe Saarbrücken. Mittlerweile sei aber bereits viel in Sachen Bettelei erreicht worden: „Wir glauben, dass wir auf einem sehr guten Weg sind und es gute Sozialangebote in der Stadt gibt. Zum Beispiel die Wärmestube, das Bruder-KonradHaus und den Kältebus. Deswegen besteht keine zwingende Notwendigkeit zum Betteln mehr“, sagt Genth im Namen seines Vereins. Ein generelles Bettelverbot war demnach für diesen Fortschritt offenbar nicht nötig.
Dass Betteln für den Lebenserhalt nicht notwendig ist, sieht auch ein Betroffener so. Der 43-jährige André schlägt sich bereits seit 27 Jahren auf der Straße durch. „Betteln ist sozialer Kontakt“, meint der Obdachlose und merkt an „zum Essen ist niemand auf Betteln angewiesen“. Trotzdem würde es zur Lebensqualität beitragen: „So kann man auch mal zum Burger King gehen oder zum McDonalds.“Größere Wünsche könne man sich selbst mit Grundsicherung und Betteln zusammen nur schwer bis gar nicht finanzieren. „Wenn ich eine Wohnung hätte, würde da ganz viel Geld reinfließen für Miete, Strom und alles, was dazu gehört. Wenn ich dann noch ein Handy hätte, müsste ich auch monatlich für den Vertrag bezahlen“, nennt André Beispiele. Ohne Betteln lasse sich also durchaus überleben – aber selbst mit Betteln nicht unbedingt leben, fasst der Obdachlose zusammen.
Dass es Ausnahmen von dieser Regel gibt, weiß André ebenfalls: „Wenn man zum Beispiel illegal in Deutschland ist, keine Papiere hat und versucht, sich ohne die Ämter durchzuschlagen, dann kriegt man nix.“Aber eine fehlende Grundsicherung sei nicht nur Frage der Herkunft. „Es gibt Betroffene mit und ohne Migrationshintergrund“, sagt Manfred Klasen von der Saarländischen Armutskonferenz. Opfern von Sucht, psychischen Problemen oder Schicksalsschlägen kann es beispielsweise schwer fallen, bei den zuständigen Ämtern Hilfe einzufordern. Das Resultat ist für Klasen offensichtlich: „Viele Leute, die auf der Straße betteln, haben schlichtweg kein Geld und sehen keine andere Möglichkeit für sich.“
„Viele Leute, die auf der Straße betteln, haben schlichtweg kein Geld und sehen keine andere Möglichkeit für sich.“Manfred Klasen Saarländische Armutskonferenz