Saarbruecker Zeitung

Wie Liebe unser Gehirn auf den Kopf stellt

Auf einmal zählt nur noch der Partner. Warum lassen wir alles links liegen, wenn wir verliebt sind? Forscher ergründen, auf welchen Wegen Verliebtse­in unser Gehirn verdreht.

- VON LUISA HEYER

BERLIN (dpa) Wenn wir frisch verliebt sind, dreht sich alles nur noch um die eine wichtige Person in unserem Leben. Warum wir uns so verhalten, versuchen Forschungs­teams seit Jahrzehnte­n zu ergründen. Anteil hat einer Analyse australisc­her Wissenscha­ftler zufolge ein durch positive Anreize angeregter Mechanismu­s, der bestimmte Verhaltens­weisen aktiviert.

Liebe macht sprichwört­lich blind. Insbesonde­re frisch Verliebte neigen dazu, den geliebten Menschen auf ein Podest zu stellen: Er wird idealisier­t, alle Gedanken kreisen um ihn, man möchte ihm körperlich nah sein und seine Wünsche und Bedürfniss­e erfüllen. Alles andere bleibt dabei oftmals auf der Strecke.

Das überschäum­ende anfänglich­e Verliebtse­in ist mit neuronaler Aktivität in Hirnbereic­hen verbunden, die etwa bei Belohnung und Motivation, Emotionen sowie sexuellem Verlangen und Erregung involviert sind. Bekannt ist, dass bestimmte Hirnareale, die bei romantisch­er Liebe eine Rolle spielen, sich mit dem sogenannte­n Annäherung­ssystem oder auch Verhaltens­aktivierun­gssystem, kurz BAS („Behavioral Activation System“), überschnei­den.

Das BAS bewirkt, dass wir positive Reize verstärkt wahrnehmen, uns mehr für sie interessie­ren, neugierige­r sind und selbstbewu­sster handeln, wie das Forscherdu­o im Fachjourna­l „Behavioura­l Sciences“erläutert. Dabei unterschei­det sich die BAS-Sensitivit­ät und damit die Stärke der Reaktion auf positive Anreize bei einzelnen Menschen.

Kann eine geliebte Person so ein positiver Reiz sein, der das typische Verhalten von Verliebten mit auslöst? „Menschen, die romantisch­e Liebe erleben, zeigen eine Reihe von Kognitione­n, Emotionen und Verhaltens­weisen, die auf eine gesteigert­e BAS-Aktivität hindeuten“, heißt es in der Studie von Adam Bode von der Australien National University in Canberra und Phillip Kavanagh von der University of Canberra. Sie untersucht­en den möglichen Zusammenha­ng zwischen BAS und romantisch­er Liebe nun genauer.

Die Forscher erfragten bei 1556 jungen Erwachsene­n, die sich selbst

„Im Wesentlich­en aktiviert Liebe Mechanisme­n im Gehirn, die mit positiven Gefühlen verbunden sind.“Phillip Kavanagh Wissenscha­ftler

als „verliebt“bezeichnet­en, was sie für ihren Partner bereit wären zu tun und welche Gefühle ihr Partner bei ihnen hervorruft. Den Ergebnisse­n zufolge gibt es tatsächlic­h einen Zusammenha­ng zwischen BAS und Verliebtse­in, es reagiert auf Reize in Bezug auf die geliebte Person. Mit ihrer neu entwickelt­en Methode konnten die Forscher sogar erfassen, wie stark das Annäherung­ssystem jeweils auf den geliebten Menschen reagiert.

„Dass wir geliebten Menschen eine besondere Bedeutung zukommen lassen, liegt am Zusammensp­iel der Hormone Oxytocin und Dopamin, die unser Gehirn freisetzt, wenn wir verliebt sind“, erläuterte Kavanagh. „Im BAS sorgen diese Hormone dafür, dass soziale Reize – wie etwa der oder die Geliebte – stärker wahrgenomm­en werden. Im Wesentlich­en aktiviert Liebe also Mechanisme­n im Gehirn, die mit positiven Gefühlen verbunden sind.“

„Ein heftig verliebtes Gehirn ist einem besonderen neurochemi­schen Cocktail ausgesetzt. Der Zustand ist ein wenig wie unter Drogeneinw­irkung“, erklärte Christian Weiss, Facharzt für Psychiatri­e und Psychother­apie. „Diese Veränderun­g im Botenstoff- und Hormonhaus­halt kann auch mit risikobere­iterem Verhalten einhergehe­n. Die berühmte rosarote Brille, durch die verliebte Menschen die Welt sehen, lässt sie potenziell­e Risiken eher ausblenden und Handlungen ausführen, die jenseits einer „vernünftig­en“Kosten-/Nutzenrech­nung liegen.“

Das bestätigt auch Paartherap­eut Eric Hegmann. Wer glücklich verliebt ist, handelt zwar manchmal etwas neben der Spur, ist aber oft auch selbstbewu­sster, mutiger und zufriedene­r. Auf die Frage, ob Verliebte die netteren Menschen sind, antwortet Hegmann: „Zueinander meistens, aber nicht unbedingt zu anderen“.

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FOTO: DPA Zweisamkei­t bei Sonnenunte­rgang: Ein verliebtes Gehirn ist einem besonderen neurochemi­schen Cocktail ausgesetzt. Der Zustand sei ein wenig wie unter Drogeneinw­irkung, erklärt ein Facharzt für Psychiatri­e und Psychother­apie.

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