Von „wilden Männern“und wütenden Bauern
Das Ende der Faschingszeit begehen die Parteien traditionell gerne in Bayern. Denn hier wird beim politischen Aschermittwoch immer kräftig ausgeteilt. An Streitthemen mangelt es nicht.
PASSAU/VILSHOFEN/LANDSHUT/DINGOLFING Es ist jedes Jahr ein PolitSpektakel der besonderen Art: Der politische Aschermittwoch geht auf einen Viehmarkt im 19. Jahrhundert im niederbayerischen Vilshofen zurück. In diesem Jahr ging es besonders zur Sache. Ein Überblick.
CSU: Die Markus-Söder-Show in Passau beginnt bereits kurz nach halb elf. „Achtung, Achtung, hier ist die CSU, hier ist Bayern!“, ruft der CSU-Chef Richtung Berlin. Die dortige Ampel-Koalition habe ihre Chance gehabt, doch jetzt sei die Zeit für Neuwahlen. „Die Ampel muss weg!“, fordert Söder. Sie sei die unbeliebteste Bundesregierung aller Zeiten, in den Sympathiewerten liege sie irgendwo „zwischen Strafzettel, Steuererklärung und Zahnwurzelbehandlung“. Söder grenzt sich zugleich klar von der AfD ab. „Höcke und die AfD, sie wollen uns an Putin ausliefern.“Die AfD sei die fünfte Kolonne Moskaus. „Die wirklich vaterlandslosen Gesellen, die hocken bei denen. Die reden über Deportationen von Millionen Deutschen mit ausländischen Wurzeln.“Das seien Gastronomen, Krankenpfleger, Un
ternehmer. „Wir sind dankbar dafür, was sie leisten für unser Land“, sagt Söder an die Adresse der Einwanderer. „Jeder und jede ist uns lieber als Höcke. Wenn jemand ausreisen soll, dann doch Höcke zu Putin. Gute Reise nach Moskau, Herr Höcke!“
SPD: Lars Klingbeil wird in Vilshofen von protestierenden Bauern, im Wolferstetter Keller aber mit viel Applaus begrüßt. Auch er liefert eine kämpferische Rede ab. „Wer meint, AfD wählen zu müssen aus Protest gegen die Regierung, der irrt. Rechtsextreme zu wählen, ist niemals eine Lösung eines demokratischen Problems“, betont er und hat eine Botschaft im Gepäck: „Kommt zu unseren Veranstaltungen, meckert mit uns, seid
frustriert, geht mit uns in den Dialog – aber wählt keine Nazis.“Klingbeil übt auch Kritik am politischen Gegner Union. „Die wollen den Rasen kaputt treten“, sagt Klingbeil. Friedrich Merz und Söder seien beleidigt, dass sie die letzte Bundestagswahl verloren hätten. „Das ist verantwortungslos, was diese Opposition macht.“Er wirft der Union vor, mit ihrem Nein zu einer Reform der Schuldenbremse eine veraltete Wirtschaftspolitik zu verfolgen. Ein wenig Selbstkritik übt er auch: Das mit der Ampel-Regierung, räumt er ein, das sei nicht immer so einfach.
Grüne: Das betont auch GrünenChef Omid Nouripour in Landshut. Dass er jedoch überhaupt im rappel
vollen Saal reden kann, ist insofern wichtig, als Co-Chefin Ricarda Lang in Baden-Württemberg nicht zum Reden kommt. Die Grünen müssen eine Kundgebung in Biberach wegen heftiger Proteste von Landwirten absagen. Die Polizei spricht von „aggressiven Protestaktionen“, bei denen mehrere Polizisten leicht verletzt worden seien. Auch in Landshut protestieren die Bauern vor dem Bernlochnersaal. „Lug und Trug“steht auf den Plakaten, es riecht nach Gülle. Doch die Menschen im Saal spenden stehend Applaus, als Nouripour seine Rede mit einer eindringlichen Warnung vor der AfD beendet. „Die AfD ist der sicherste Garant gegen den Frieden“, warnt er. Da klatschen auch die anwesenden Landwirte.
FDP: In Dingolfing wollen die Liberalen die schlechten Umfragen dieser Tage vergessen. Hier bringt sich die Spitzenkandidatin der FDP für die Europawahl, Marie-Agnes StrackZimmermann, schon mal in Wahlkampfstimmung. „Eine Dreierkombi, auch privat, ist nicht gut. Es ist echt anstrengend“, sagt sie lachend mit Blick auf die Streitereien in der Ampel-Regierung. Doch sie hält auch ein Plädoyer für die Grundsätze der Liberalen. Ohne „Frieden und Freiheit“sei alles nichts. Bürgerrechte dürften auch in schwierigen Zeiten niemals aufgegeben werden.
BSW: Die Chefin der neusten Partei im Land, Sahra Wagenknecht, macht in Passau Krieg und Frieden zum Schwerpunkt ihrer Rede – und den „Wilden Mann“. „Man wird nämlich in der Nacht davor im Hotel ‚Wilder Mann` untergebracht.“Gelächter im Publikum. Sie sei vor zehn Jahren da gewesen und angesichts vieler „Genderkämpfe“gespannt gewesen, ob es noch so heiße. Der „Wilde Mann“bildet auch die Überleitung zum Rest der Ansprache: Die Frage von Krieg und Frieden habe sie dazu gebracht, „eine Lösung für das Rätsel zu finden, warum es den wilden Mann noch gibt“. Seit die Frage der Kriegstüchtigkeit Deutschlands aufgekommen sei, „sind wilde Männer plötzlich wieder richtig hoch im Kurs“. Eine halbe Stunde zieht sie die Rolle Deutschlands als wichtiger Unterstützer der Ukraine im Verteidigungskampf gegen Russland ins Lächerliche, wirft den Regierungsparteien eine Politik der internationalen Eskalation vor und eine allzu große Nähe zu Rüstungskonzernen. Die Mehrheit im Saal klatscht, aber wenig euphorisch.