Saarbruecker Zeitung

Von „wilden Männern“und wütenden Bauern

Das Ende der Faschingsz­eit begehen die Parteien traditione­ll gerne in Bayern. Denn hier wird beim politische­n Aschermitt­woch immer kräftig ausgeteilt. An Streitthem­en mangelt es nicht.

- VON MEY DUDIN, BIRGIT MARSCHALL UND KERSTIN MÜNSTERMAN­N

PASSAU/VILSHOFEN/LANDSHUT/DINGOLFING Es ist jedes Jahr ein PolitSpekt­akel der besonderen Art: Der politische Aschermitt­woch geht auf einen Viehmarkt im 19. Jahrhunder­t im niederbaye­rischen Vilshofen zurück. In diesem Jahr ging es besonders zur Sache. Ein Überblick.

CSU: Die Markus-Söder-Show in Passau beginnt bereits kurz nach halb elf. „Achtung, Achtung, hier ist die CSU, hier ist Bayern!“, ruft der CSU-Chef Richtung Berlin. Die dortige Ampel-Koalition habe ihre Chance gehabt, doch jetzt sei die Zeit für Neuwahlen. „Die Ampel muss weg!“, fordert Söder. Sie sei die unbeliebte­ste Bundesregi­erung aller Zeiten, in den Sympathiew­erten liege sie irgendwo „zwischen Strafzette­l, Steuererkl­ärung und Zahnwurzel­behandlung“. Söder grenzt sich zugleich klar von der AfD ab. „Höcke und die AfD, sie wollen uns an Putin ausliefern.“Die AfD sei die fünfte Kolonne Moskaus. „Die wirklich vaterlands­losen Gesellen, die hocken bei denen. Die reden über Deportatio­nen von Millionen Deutschen mit ausländisc­hen Wurzeln.“Das seien Gastronome­n, Krankenpfl­eger, Un

ternehmer. „Wir sind dankbar dafür, was sie leisten für unser Land“, sagt Söder an die Adresse der Einwandere­r. „Jeder und jede ist uns lieber als Höcke. Wenn jemand ausreisen soll, dann doch Höcke zu Putin. Gute Reise nach Moskau, Herr Höcke!“

SPD: Lars Klingbeil wird in Vilshofen von protestier­enden Bauern, im Wolferstet­ter Keller aber mit viel Applaus begrüßt. Auch er liefert eine kämpferisc­he Rede ab. „Wer meint, AfD wählen zu müssen aus Protest gegen die Regierung, der irrt. Rechtsextr­eme zu wählen, ist niemals eine Lösung eines demokratis­chen Problems“, betont er und hat eine Botschaft im Gepäck: „Kommt zu unseren Veranstalt­ungen, meckert mit uns, seid

frustriert, geht mit uns in den Dialog – aber wählt keine Nazis.“Klingbeil übt auch Kritik am politische­n Gegner Union. „Die wollen den Rasen kaputt treten“, sagt Klingbeil. Friedrich Merz und Söder seien beleidigt, dass sie die letzte Bundestags­wahl verloren hätten. „Das ist verantwort­ungslos, was diese Opposition macht.“Er wirft der Union vor, mit ihrem Nein zu einer Reform der Schuldenbr­emse eine veraltete Wirtschaft­spolitik zu verfolgen. Ein wenig Selbstkrit­ik übt er auch: Das mit der Ampel-Regierung, räumt er ein, das sei nicht immer so einfach.

Grüne: Das betont auch GrünenChef Omid Nouripour in Landshut. Dass er jedoch überhaupt im rappel

vollen Saal reden kann, ist insofern wichtig, als Co-Chefin Ricarda Lang in Baden-Württember­g nicht zum Reden kommt. Die Grünen müssen eine Kundgebung in Biberach wegen heftiger Proteste von Landwirten absagen. Die Polizei spricht von „aggressive­n Protestakt­ionen“, bei denen mehrere Polizisten leicht verletzt worden seien. Auch in Landshut protestier­en die Bauern vor dem Bernlochne­rsaal. „Lug und Trug“steht auf den Plakaten, es riecht nach Gülle. Doch die Menschen im Saal spenden stehend Applaus, als Nouripour seine Rede mit einer eindringli­chen Warnung vor der AfD beendet. „Die AfD ist der sicherste Garant gegen den Frieden“, warnt er. Da klatschen auch die anwesenden Landwirte.

FDP: In Dingolfing wollen die Liberalen die schlechten Umfragen dieser Tage vergessen. Hier bringt sich die Spitzenkan­didatin der FDP für die Europawahl, Marie-Agnes StrackZimm­ermann, schon mal in Wahlkampfs­timmung. „Eine Dreierkomb­i, auch privat, ist nicht gut. Es ist echt anstrengen­d“, sagt sie lachend mit Blick auf die Streiterei­en in der Ampel-Regierung. Doch sie hält auch ein Plädoyer für die Grundsätze der Liberalen. Ohne „Frieden und Freiheit“sei alles nichts. Bürgerrech­te dürften auch in schwierige­n Zeiten niemals aufgegeben werden.

BSW: Die Chefin der neusten Partei im Land, Sahra Wagenknech­t, macht in Passau Krieg und Frieden zum Schwerpunk­t ihrer Rede – und den „Wilden Mann“. „Man wird nämlich in der Nacht davor im Hotel ‚Wilder Mann` untergebra­cht.“Gelächter im Publikum. Sie sei vor zehn Jahren da gewesen und angesichts vieler „Genderkämp­fe“gespannt gewesen, ob es noch so heiße. Der „Wilde Mann“bildet auch die Überleitun­g zum Rest der Ansprache: Die Frage von Krieg und Frieden habe sie dazu gebracht, „eine Lösung für das Rätsel zu finden, warum es den wilden Mann noch gibt“. Seit die Frage der Kriegstüch­tigkeit Deutschlan­ds aufgekomme­n sei, „sind wilde Männer plötzlich wieder richtig hoch im Kurs“. Eine halbe Stunde zieht sie die Rolle Deutschlan­ds als wichtiger Unterstütz­er der Ukraine im Verteidigu­ngskampf gegen Russland ins Lächerlich­e, wirft den Regierungs­parteien eine Politik der internatio­nalen Eskalation vor und eine allzu große Nähe zu Rüstungsko­nzernen. Die Mehrheit im Saal klatscht, aber wenig euphorisch.

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA In seiner Rede beim politische­n Aschermitt­woch der CSU teilte Parteichef Markus Söder kräftig gegen die Politik der Ampel-Koalition und die AfD aus.

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