Saarbruecker Zeitung

Schwarzfah­ren entkrimina­lisieren!

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Menschen wegen eines fehlenden Fahrschein­s ins Gefängnis zu stecken, ist sinnlos. Es sorgt für mehr soziale Ungerechti­gkeit und steht in keinem Verhältnis zu anderen Straftaten wie Mord. Laut der Initiative „Freiheitsf­onds“sind Betroffene überwiegen­d arbeitslos (87 Prozent), obdachlos und suizidgefä­hrdet (jeweils 15 Prozent). Was nützt es, diese Menschen zusätzlich zu kriminalis­ieren?

Der Sinn einer Gefängniss­trafe sollte sein, weitere Taten zu verhindern und die Personen zurück in die Gesellscha­ft zu führen. Beides ist hier nicht gegeben. Sie werden sich die Fahrt auch künftig nicht leisten und je nach Grund – etwa zum Jobcenter zu fahren – auch nicht darauf verzichten können. Weil sie im Gefängnis sitzen, fliegen sie vielleicht aus Hilfsprogr­ammen und kommen dort mit echten Straftäter­n in Kontakt. Ihre Prognose verschlech­tert sich.

Im Saarland gibt es das Fair-Ticket ab 31,10 Euro im Monat. Das ist für Bürgergeld­empfänger wohl stemmbar. Allerdings gibt es solche Sozialtick­ets nicht überall und nicht jeder, der Anspruch auf finanziell­e Hilfe hätte, ist in der Lage, davon Gebrauch zu machen, etwa wegen psychische­r Probleme.

Die Herabstufu­ng des Schwarzfah­rens zur Ordnungswi­drigkeit ist somit längst überfällig, aber nur ein erster Schritt. Denn auch wegen einer Ordnungswi­drigkeit kann man hinter Gittern landen. Schwarzfah­ren komplett zu entkrimina­lisieren wäre nicht unfair gegenüber denen, die zahlen. 2018 hatte die Linksfrakt­ion im Bundestag eine kleine Anfrage gestellt. Ergebnis: 200 Millionen Euro fallen jedes Jahr an Kosten für die Inhaftieru­ng von Menschen an, die Geldstrafe­n nicht bezahlen konnten. Ein Haftplatz kostete damals im Schnitt etwa

130 Euro pro Tag. Straffreih­eit für jene, bei denen nichts zu holen ist, käme die Gesellscha­ft billiger. Schöner wäre kostenlose­r ÖPNV für alle.

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