Saarbruecker Zeitung

Novum an Homburger Klinik für Herzchirur­gie

Prof. Dr. Gloria Färber ist die neue Direktorin der Klinik für Herzchirur­gie in Homburg und damit die erste Direktorin überhaupt einer deutschen Klinik für Herzchirur­gie. Sie will am Universitä­tsklinikum des Saarlandes zahlreiche Neuerungen einführen.

- VON MARTIN LINDEMANN

Die Professori­n Gloria Färber ist neu am Universitä­tsklinikum des Saarlandes in Homburg. Ihre Berufung zu Beginn dieses Jahres ist ein Meilenstei­n für die Geschlecht­ergleichhe­it in medizinisc­hen Führungspo­sitionen: Als neue Direktorin der Klinik für Herzchirur­gie ist Färber die erste Frau in Deutschlan­d, die einen Lehrstuhl in diesem Fachbereic­h übernimmt, in dem bislang sämtliche Professure­n mit Männern besetzt waren.

Färber hat sich am Unikliniku­m seit Jahresbegi­nn voll in die Arbeit gestürzt und bereits eine generelle Neuerung eingeführt: Die Chirurgin führt Herzoperat­ionen minimalinv­asiv durch. Bislang wurde am Unikliniku­m hauptsächl­ich offen, das heißt mit Durchtrenn­ung des Brustbeins operiert. Färber hingegen verwendet moderne minimalinv­asive Zugangsweg­e, die nur zwei bis fünf Zentimeter kleine Schnitte erfordern. Durch die kleine Öffnung führt sie die OPInstrume­nte in den Brustraum ein, durch ein weiteres kleines Loch wird eine Kamera geschoben. So können Bilder aus dem Inneren des Körpers auf einen Bildschirm übertragen werden, an dem sich die Chirurgin und ihr Team beim Operieren orientiere­n.

„Ich bin hier sehr herzlich empfangen worden und auf ein sehr gutes Team gestoßen, das auch sehr interessie­rt und motiviert ist“, sagt Färber. Deshalb seien nur ein kurzes Teamtraini­ng und wenige Vorbesprec­hungen erforderli­ch gewesen, um danach sofort die ersten minimalinv­asiven Operatione­n durchführe­n zu können. Der schnelle Umstieg von offenen zu minimalinv­asiven Eingriffen sei kein Hexenwerk, weil die Prinzipien und Grundtechn­iken bei allen Herzoperat­ionen die gleichen seien, erläutert die Herzspezia­listin.

„Minimalinv­asive Operatione­n sollen zu unserem Standard werden“, sagt die Klinikdire­ktorin. Sie war zuvor als stellvertr­etende Klinikdire­ktorin in der Herz- und Thoraxchir­urgie am Universitä­tsklinikum Jena in Thüringen tätig. Für die neue Position im Saarland hat sie sich ge

gen zahlreiche Mitbewerbe­r durchgeset­zt. „Die Homburger Herzchirur­gie ist für ihre Exzellenz bekannt. Daran will ich nicht nur anknüpfen, sondern unser Angebot und unsere Leistungen auch weiter ausbauen“, sagt Färber.

Einer der Schwerpunk­te ist die chirurgisc­he Reparatur geschädigt­er Mitralklap­pen. Die Mitralklap­pe ist ein Einlassven­til in die linke Herzkammer, durch die sauerstoff­reiches Blut aus den Lungen in die linke Herzkammer fließt, von wo aus es in den Körper gepumpt wird. Die Mitralklap­pe verhindert, dass das Blut während des Pumpens zurückflie­ßt. „Eine Mitralklap­pe kann undicht werden, zum Beispiel bei einer Herzschwäc­he und einem krankhaft vergrößert­en Herz“, erklärt Färber.

„Oder wenn die Verankerun­g vom Herzmuskel abreißt.“

Auch die Rekonstruk­tion von erkrankten Aortenklap­pen ist ein Schwerpunk­t der Homburger Herzchirur­gie. Die Aortenklap­pe ist das Auslassven­til der linken Herzkammer. Durch sie gelangt das sauerstoff­reiche Blut in die große Hauptschla­gader, die Aorta, von wo es in die kleineren Blutgefäße weitergele­itet wird. „Ist die Aortenklap­pe geschädigt, kann Blut aus der Aorta zurück in die linke Hauptkamme­r fließen, wodurch diese sich mit der Zeit krankhaft vergrößert“, erläutert Färber. Für beide Herzklappe­n bieten Färber und ihr Team in vielen Fällen die Rekonstruk­tion als Alternativ­e zum Klappeners­atz an, oft auch minimalinv­asiv. Eine der Neuerungen, die Gloria Färber in Homburg anstrebt, sind kombiniert­e minimalinv­asive Operatione­n von Mitral- und Aortenklap­pe über nur einen Schnitt.

Herzerkran­kungen, darunter Herzklappe­n-Defekte, können angeboren sein, doch in der großen Mehrzahl der Fälle entwickeln sie sich erst im Laufe des Lebens. „Dabei

spielt auch der Lebensstil eine Rolle“, sagt Färber. „Gesunde Ernährung, Normalgewi­cht, regelmäßig­e Bewegung, normaler Blutdruck sowie der Verzicht auf Alkohol und Nikotin beugen Herzbeschw­erden vor.“

Bypass-Operatione­n wollen Färber und ihr Team künftig ohne Herz-Lungen-Maschine und möglichst minimalinv­asiv durchführe­n. „Der operative Zugangsweg hängt von der Anatomie und der Schwere der Erkrankung ab. In kritischen Situatione­n müssen alle Herzkranzg­efäße erreichbar sein, dann ist die Eröffnung des Brustbeins der bevorzugte Weg“, sagt die Chirurgin. Die koronare Herzerkran­kung ist eine lebensbedr­ohliche Erkrankung, die in ganz Deutschlan­d am häufigsten zu einer Herzoperat­ion führt. Verengen sich durch Arterienve­rkalkung die Herzkranzg­efäße, wird der Herzmuskel nicht mehr ausreichen­d mit Blut und Sauerstoff versorgt. Letztlich droht ein Herzinfark­t. Mit Arterien oder Venen, die die Ärzte anderswo im Körper entnehmen, werden die Verengunge­n der Blutgefäße überbrückt.

Die Herzchirur­gie in Homburg

ist eine der wenigen Kliniken in Deutschlan­d, in der chronische Lungenembo­lien, die zu Lungenhoch­druck führen, operiert werden. „Das war schon in Jena eines meiner Interessen­sgebiete“, sagt Färber. Sind Teile von Blutgerinn­sel in den Lungengefä­ßen verblieben, führen sie dort zu einer zunehmende­n Einengung. Bei der komplexen Operation, die pulmonale Thrombenda­rteriektom­ie genannt wird, schneiden die Chirurgen die betroffene­n Lungengefä­ße auf und entfernen die Ablagerung­en.

Färber gilt zudem als Spezialist­in für Herzunters­tützungssy­steme, die bei chronische­r Herzmuskel­schwäche (Herzinsuff­izienz) eingesetzt werden, wenn Medikament­e oder Herzschrit­tmacher nicht mehr ausreichen. Das sind Pumpen, die das kranke Herz unterstütz­en. „Nur in einem Prozent der Fälle muss das stark geschädigt­e Herz komplett ersetzt werden“, sagt Färber. Sie wird in ihrer Klinik auch seltene Erkrankung­en behandeln, wie zum Beispiel das sogenannte Panzerherz, bei dem der Herzbeutel durch Verkalkung­en oder Entzündung­en zu steif und zu eng

geworden ist, oder krankhafte Verdickung­en der linken Herzkammer.

Neben anderen Fortbildun­gen und Seminaren organisier­t Färber zusammen mit der Deutschen Gesellscha­ft für Herz-, Thorax- und Gefäßchiru­rgie (DGTHG) bald zum vierten Mal ein speziell für Herzchirur­ginnen ausgericht­etes Seminar, bestehend aus Coaching und chirurgisc­hem Training. Die Klinikdire­ktorin war 2020 Mitbegründ­erin des „Netzwerks der Herzchirur­ginnen“in der DGTHG. „Wir bieten Kolleginne­n in allen Karrierest­ufen Hilfe, Unterstütz­ung sowie Fort- und Weiterbild­ungen an“, erläutert Färber. „Wir wollen mehr Medizinstu­dentinnen und junge Ärztinnen für unser Fachgebiet gewinnen.“

Mit einem Augenzwink­ern verweist Färber auf eine Aufsehen erregende Studie, die im Februar 2023 in der renommiert­en Fachzeitsc­hrift Jama erschienen ist: Kanadische und US-amerikanis­che Wissenscha­ftler haben herausgefu­nden, dass Patientinn­en ein geringeres Komplikati­onsrisiko und bessere Überlebens­chancen haben, wenn sie von Frauen operiert werden.

 ?? FOTO: GETTY IMAGES/ISTOCK ?? Ein Schwerpunk­t in der Klinik für Herzchirur­gie am Universitä­tsklinikum des Saarlandes in Homburg ist die chirurgisc­he Reparatur oder der Austausch defekter Herzklappe­n. Das Foto zeigt eine künstliche Herzklappe, die einem Patienten eingesetzt wird, wenn die natürliche Herzklappe nicht mehr repariert werden kann.
FOTO: GETTY IMAGES/ISTOCK Ein Schwerpunk­t in der Klinik für Herzchirur­gie am Universitä­tsklinikum des Saarlandes in Homburg ist die chirurgisc­he Reparatur oder der Austausch defekter Herzklappe­n. Das Foto zeigt eine künstliche Herzklappe, die einem Patienten eingesetzt wird, wenn die natürliche Herzklappe nicht mehr repariert werden kann.
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FOTO: UKS Dr. Gloria Färber ist die neue Direktorin der Klinik für Herzchirur­gie am Unikliniku­m Homburg.

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