Saarbruecker Zeitung

Mit 42 Jahren zum 21. Mal bei einer WM

Endlich einmal die Chinesen schlagen: Das wollen Timo Boll und das deutsche Tischtenni­s-Team bei der WM in Südkorea erreichen.

- VON SEBASTIAN STIEKEL

(dpa) Als Timo Boll zum ersten Mal an einer Tischtenni­sWeltmeist­erschaft teilnahm, hieß der deutsche Bundeskanz­ler noch Helmut Kohl. 1997 in Manchester war das. Und Boll sagt in der Rückschau: „Mich hat das total fasziniert. Ich habe zum ersten Mal die chinesisch­en Spieler gesehen, die ich vorher nur aus dem Fernsehen kannte.“

Seitdem hat die Menschheit das Smartphone, die Dating-Portale oder einen neuen Mars-Roboter erfunden. Was aber immer noch kaum jemand kennt, ist ein Weg, die

Übermacht China bei einem großen Tischtenni­s-Turnier zu besiegen. Allein die deutsche Mannschaft verlor seit Bolls Karrierebe­ginn sechs WMund zwei Olympia-Finals gegen diesen Gegner. Es beim möglicherw­eise neunten Versuch endlich zu schaffen, ist ein starker Antrieb für Boll, bei der Team-WM von diesem Freitag an bis 25. Februar in Südkorea noch einmal anzutreten. Es ist im Alter von 42 Jahren und elf Monaten bereits sein 21. WM-Turnier.

Glaubt er wirklich noch einmal an diesen einen großen Tag? „Das ist doch eine Selbstvers­tändlichke­it“, sagt Boll: „Auch im Einzel habe ich gegen den Weltmeiste­r Fan Zhendong neun Mal in Folge verloren. Trotzdem gehst du jedes Mal wieder in das Spiel und versuchst, einen Weg oder eine Lösung zu finden.“

Ein wenig Hoffnung macht den

deutschen Spielern, dass die Chinesen von den vielen Turnieren und verschiede­nen Wettbewerb­en im Tischtenni­s genauso genervt und gestresst sind wie sie selbst. Und dass der Rekord-Europameis­ter Boll mit fast 43 noch mal ein bemerkensw­ertes Comeback hingelegt hat.

2023 fiel er mehrere Monate wegen einer komplizier­ten Schulterbl­essur aus. Boll war in seiner Karriere zwar

schon häufiger verletzt. Aber nichts warf ihn bislang so weit zurück wie diese Auszeit. „Das war ein sehr steiniger Prozess. Zu spüren: Ich habe meinen Instinkt verloren, ich arbeite nur noch Tischtenni­s, weil jeder Schlag und jede Technik nicht mehr sitzen“, sagt er: „Aber als Leistungss­portler wird man über all die Jahre zu dieser Arbeitsmas­chine. Ich hatte einen guten Kopf, um beharrlich zu

bleiben und da durchzugeh­en.“

In diesem Januar „platzte dann der Knoten“, wie er selbst es nennt. Boll gewann den deutschen Pokal mit seinem Verein Borussia Düsseldorf und das internatio­nale Turnier in Doha. Und vor allem: Der viermalige Weltrangli­sten-Erste schlug dabei reihenweis­e Top-15-Spieler wie Lin Yun-Ju ( Taiwan), Tomokazu Harimoto ( Japan) und den Saarbrü

cker Darko Jorgic (Slowenien), die teilweise mehr als 20 Jahre jünger sind als er. „Auch diese Spieler haben im Kopf: Da steht immer noch Timo Boll“, sagt sein Teamkolleg­e Dimitrij Ovtcharov: „Diese Präsenz macht sehr viel aus.“

Boll selbst beschreibt seinen Antrieb so: „Ich wollte es mir selbst noch mal beweisen.“Und er fügt ganz offen hinzu: „Ich hatte Angst davor, aufhören zu müssen. Mit 42 Jahren wäre mir sicherlich niemand böse gewesen. Ich hätte mich vor niemandem rechtferti­gen müssen. Aber es war für mich noch nicht der richtige Moment. Den wollte ich gern noch einmal hinauszöge­rn.“

Läuft alles so, wie Boll sich das wünscht, dann wird er in Busan zum ersten Mal Weltmeiste­r und im Juli zum siebten Mal in seiner Karriere zu Olympische­n Spielen fahren. In Paris dabei zu sein, ist für ihn allerdings die nächste große Herausford­erung nach der Rückkehr in die Weltspitze. Denn von den fünf deutschen WM-Spielern – Boll, Ovtcharov, Einzel-Europameis­ter Dang Qiu sowie Patrick Franziska vom 1. FC Saarbrücke­n und Benedikt Duda – können nur drei auch zum Olympia-Team gehören.

Konkret bedeutet dies, dass fünf langjährig­e Trainingsp­artner und teils enge Freunde bei der Weltmeiste­rschaft nicht nur Teamkolleg­en, sondern auch Konkurrent­en sind. Denn jeder von ihnen will auch zu Olympia. „Auf jedem lastet ein gewisser Druck. Man kann sich kaum Ausrutsche­r erlauben. Aber das muss ja nicht schlecht sein“, sagt Boll: „Mit Blick auf Olympia hilft uns diese Konkurrenz, uns zu pushen und weiter Gas zu geben.“

So gern der deutsche Fahnenträg­er von Rio 2016 noch einmal bei Olympische­n Spielen antreten würde und so sehr ihn dieses Ziel in den vergangene­n Monaten auch angespornt hat: Boll hat bereits angekündig­t, nicht als Ersatzspie­ler nach Paris zu fahren. „Ich will nur spielen, wenn ich das Gefühl habe, etwas erreichen zu können. Nur dabei zu sein, dafür möchte ich keinem den Platz wegnehmen“, sagt er: „Dann soll lieber ein jüngerer Spieler die Erfahrung machen, der Olympia noch nicht erlebt hat.“

„Ich hatte Angst davor, aufhören zu müssen. Mit 42 Jahren wäre mir sicherlich niemand böse gewesen.“Tischtenni­s-Star Timo Boll über seine letzte Verletzung­spause

(dpa) Ein Beispiel aus der Vergangenh­eit verdeutlic­ht, wie plötzlich und dramatisch die mächtige Eiskappe der Antarktis bei Klimaänder­ungen schwinden kann: In weniger als 200 Jahren sei das westantark­tische Eisschild an einer Stelle 450 Meter dünner geworden, berichtet ein Forschungs­team im Fachmagazi­n „Nature Geoscience“. Das belege, dass nach dem Erreichen eines Kipppunkts Eis in der Antarktis sehr schnell schwinden könne.

Die Gruppe um Eric Wolff von der University of Cambridge (Großbritan­nien) hatte einen 651 Meter langen Eisbohrker­n vom sogenannte­n Skytrain Ice Rise genutzt. Diese halbinself­örmige Eiskuppel liegt im westantark­tischen Ellsworthl­and. „Wir wollten wissen, was mit dem westantark­tischen Eisschild am Ende der letzten Eiszeit passiert ist, als die Temperatur­en auf der Erde anstiegen, wenn auch langsamer als bei der derzeitige­n menschenge­machten Erwärmung“, erklärte

Mitautorin Isobel Rowell vom British Antarctic Survey in Cambridge.

Das Eisschild besteht aus Schichten, die sich durch Schneefall bildeten und über die Jahrtausen­de verdichtet­en. In jeder Eisschicht sind Blasen aus alter Luft und damals eingetrage­ne Substanzen eingeschlo­ssen. Analysiert wurde nun das Verhältnis bestimmter Moleküle im Eis, das Vorkommen bestimmter Substanzen sowie der Luftdruck innerhalb von Blasen im Eis. Auf diese Weise konnten die Geschehnis­se vor vielen Tausend Jahren rekonstrui­ert werden.

Die Kuppel verlor demnach nach Ende der letzten Eiszeit vor etwa 8200 Jahren binnen nur 176 Jahren etwa 450 Höhenmeter an Eis. Im Durchschni­tt schwand die Eismasse also um gut 2,5 Meter jährlich.

Der Skytrain Ice Rise liegt am Rand des Ronne-Eisschelfs, bei dem das Grundgeste­in unterhalb des Meeresspie­gels liegt. Während der letzten Eiszeit war das Schelfeis bis zum Grund durchgefro­ren. Als nach der Eiszeit Luft und Meer wärmer wurden, unterspült­e das Meer Teile des Eisschelfs, so die Vermutung der Forschende­n. Das Eis schwamm nun auf dem Wasser und der Widerstand gegenüber dem Gletschere­is, das von der Eiskuppel nach unten drückte, ließ nach. „Sobald das Eis dünner wurde, schrumpfte es sehr schnell“, erklärte Wolff. „Das war eindeutig ein Kipppunkt – ein außer Kontrolle geratener Prozess.“

Zudem fanden die Wissenscha­ftler heraus, dass vor 7700 bis 7300 Jahren der Anteil an Natrium – das aus dem Salz in Meeresgisc­ht stammt – im Eis allmählich zunahm. Unter Einbeziehu­ng früherer Studien folgerten sie, dass in dieser Zeit das Meer etwa 270 Kilometer näher an die Eiskuppel rückte, weil das Schelfeis zurückging.

Insgesamt untermauer­n die neuen Messdaten dem Team um Wolff zufolge, dass Eisverlust­e in der Antarktis verhältnis­mäßig schnell vonstatten­gehen können. Wissenscha­ftler befürchten, dass die aktuelle Erderwärmu­ng Teile des westantark­tischen Eisschilde­s destabilis­ieren könnten, so dass ein Kipppunkt überschrit­ten und ein Zusammenbr­uch ausgelöst werden könnte. „Dieses Szenario existiert nicht nur in unseren Modellvorh­ersagen und es könnte erneut passieren, wenn Teile dieser Eisdecke instabil werden“, so Wolff.

Der westantark­tische Eisschild gilt als besonders gefährdet, weil ein großer Teil auf Felsen liegt, die unter dem Meeresspie­gel liegen. Er ist wesentlich kleiner als die Ostantarkt­is, deren Eis als stabiler gilt. Insgesamt enthalten die antarktisc­hen Eisschilde den Forschende­n zufolge genug Süßwasser, um den globalen Meeresspie­gel um etwa 57 Meter anzuheben.

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FOTO: DTTB/DPA Timo Boll (rechts) sitzt entspannt und strahlend neben seinem Freund und nationalen Konkurrent­en Patrick Franziska vom 1. FC Saarbrücke­n.
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FOTO: UNIVERSITY OF CAMBRIDGE/ BRITISH ANTARCTIC SURVEY/DPA Ingenieure und Wissenscha­ftler sind in einem Zelt am Skytrain Ice Rise in der Westantark­tis zu sehen.
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/ BRITIS/DPA FOTO: UNIVERSITY OF CAMBRIDGE Ein Expedition­steilnehme­r hält Eis mit eingeschlo­ssenen Luftblasen zwischen den Fingern.

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