Die Nato unter Trump-Schock
Die Nato-Verteidigungsminister sammeln in Brüssel neue Unterstützungszusagen für die Ukraine ein. Sie sehen sich bei der Steigerung ihrer Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent der Wirtschaftskraft aller europäischen Mitglieder auf einem guten Weg. Doch d
Es ist das erste Treffen hochrangiger Nato-Spitzen, seit Donald Trump die Basis des Bündnisses in Frage stellte. Wie Schockwellen verbreiteten sich nur Tage zuvor die Ansage, er werde als Präsident die Beistandspflicht nicht mehr für die gelten lassen, die nicht genug für ihre Verteidigung täten und die Russen ermuntern, mit ihnen anzustellen, was sie wollen. Zwar beeilten sich Amtsinhaber Joe Biden und NatoGeneralsekretär Jens Stoltenberg, die Beistandsgarantie als Garant auch der US-Sicherheit herauszustellen. Und Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius empfiehlt in Brüssel, nicht wie das Kaninchen auf die Schlange auf Zitate von jemandem zu schauen, „der Kandidat werden will“. Aber Wucht und Wirkung von Trump beschäftigen die Nato-Verteidigungsminister bei ihrem Treffen dann doch.
Denn da ist nicht erst der Wahltag im November und die mögliche Amtseinführung im Januar. Da ist die seit Wochen auch auf Betreiben Trumps unterbundene Lieferung der nächsten amerikanischen Militärhilfe an die Ukraine. „Wir sehen, dass unsere Unterstützung jeden Tag den Unterschied auf dem Schlachtfeld ausmacht“, hält Stoltenberg zu Beginn der Konferenz fest und verweist dann auf die jüngst gezeigten Fähigkeiten der Ukraine, ein russisches Kriegsschiff auszuschalten. Doch auf Nachfrage räumt er zur ausbleibenden US-Unterstützung unumwunden ein: „Wir sehen die Auswirkungen schon jetzt.“Von Rückzügen und Gebietsräumungen muss der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow den Kollegen berichten, als die ihn am Nachmittag per Video zuschalten.
Und so nehmen sich denn alle am Tisch vor, wenn sie im Anschluss nach München zur Sicherheitskonferenz reisen, dort auf die ebenfalls einfliegenden Kongressabgeordneten einzuwirken. Stoltenberg warnt: „Wenn wir Putin erlauben zu gewinnen, wird das nicht nur eine Tragödie für die Ukrainer, es wird auch gefährlich für uns.“Mit besonderem Nachdruck verkündet Stoltenberg nach dem Treffen neue Hilfszusagen aus Kanada, Finnland und Norwegen, verweist auf eine neue Koalition von Ländern, die eine Million Drohnen liefern wollen, eine andere, die der Ukraine bei der Minenräumung helfen will. Alle Partner hätten zusammen bereits Hilfe im Wert von hundert Milliarden Dollar geleistet. Nun komme auch noch ein neues Ausbildungszentrum für ukrainische Soldaten in Polen hinzu.
Doch Pistorius warnt. Nämlich vor der Vorstellung, die Europäer müssten sich nur gegen Trump wappnen und könnten sich zurücklehnen, wenn Biden wiedergewählt werde. „Europa muss mehr machen für die eigene Verteidigung, völlig unabhängig davon, wer nach dem Januar 2025 im Weißen Haus sitzt“, sagt der Deutsche nachdrücklich. Die Amerikaner hätten ein großes Interesse daran, ihr Interesse im Indopazifik im Zweifel hochfahren zu können und stünden daher vor der Frage, wie sie dann noch ihre Unterstützung in Europa
beibehalten könnten. Er sieht dabei Deutschland in einer besonderen Verantwortung und nennt „Essi“als gelungenes Beispiel.
Die Abkürzung steht für die „European Sky Shield Initiative“, also den von Deutschland eingeleiteten Vorstoß eines gemeinsamen Schutzschildes vor Angriffen aus der Luft. Am Rande des Nato-Treffens treten mit Griechenland und der Türkei noch am Donnerstag die Teilnehmer Nummer 20 und 21 der Initiative bei. Doch es ist mehr als ein Schönheitsfehler, dass große europäische Länder und Verbündete wie Frankreich, Polen und Italien sich nicht zum Mittun entschließen können. Zudem schimpft Pistorius über die Ungarn. Lange hielten sie im Schatten der türkischen Verzögerung die Ratifizierung des schwedischen Nato-Beitritts zurück, versicherten stets, sie würden „nicht die Letzten“sein. Und sind es nun doch. Die Verzögerung strapaziere „jede Geduld“, sagt Pis
torius. Und: „Der Beitritt Schwedens ist überfällig.“
Deutsche Führungsaufgaben auch bei der schnellen Verlegung von Personal und Material von West nach Ost. Das ist auch Teil der aktuell laufenden Übung, an der sich auch 12 000 Bundeswehrsoldaten mit 3000 Fahrzeugen beteiligen. Zusammen mit seinem niederländischen und seinem polnischen Kollegen habe er gerade einen ersten Transportkorridor geschaffen. „Effektive militärische Mobilität durch weniger Bürokratie und mehr Vereinheitlichung“, unterstreicht Pistorius. Das sei „echte Abschreckung“. Angesprochen auf die russische Wertung als aggressive Übung schüttelt Pistorius den Kopf, das wolle er nicht kommentieren: „Ich bin nicht der Vervielfältiger unsinniger Botschaften.“
Zurück hält er sich auch angesichts der Meldungen, Russland bereite einen atomaren Einsatz im Weltraum gegen Satelliten vor (siehe
Text unten). Er wolle auch hier keine „übereilten Antworten geben“, habe keine eigenen Erkenntnisse und werde sich erst einmal mit seinen Partnern darüber austauschen, sagt Pistorius. Auch Nato-Generalsekretär
Stoltenberg bleibt schmallippig bei diesem Thema. Die Nato habe alle möglichen Bedrohungen auf dem Schirm, und die Alliierten tauschten auch Geheimdiensterkenntnisse untereinander aus.