Saarbruecker Zeitung

Ein besonderes Gedenken an die Opfer von Hanau

Im Schatten der derzeitige­n Proteste gegen Rechtsextr­emismus wird am Samstag der Opfer des rassistisc­hen Anschlags vor vier Jahren gedacht.

- VON MICHAEL BAUER

(dpa) Nach Ansicht der Opferfamil­ien des Anschlags von Hanau steht die für diesen Samstag geplante Demonstrat­ion zum vierten Jahrestag des rassistisc­hen Anschlags in der Stadt unter besonderen Vorzeichen. Grund dafür seien die zuletzt zahlreiche­n Kundgebung­en gegen rechts. „Wenn man gegen Rechtsextr­emismus auf die Straße geht, dann muss man auch für Hanau auf die Straße gehen“, sagt Newroz Duman, Sprecherin der Initiative 19. Februar, in der sich Angehörige und Betroffene des Anschlags sowie Unterstütz­er zusammenge­schlossen haben. Der Anschlag habe gezeigt, wohin Hetze und Rassismus führen könnten.

In Hanau hatte am 19. Februar 2020 ein 43-jähriger Deutscher neun Menschen aus rassistisc­hen Motiven erschossen. Danach tötete er seine Mutter und sich selbst.

Zum vierten Jahrestag des Anschlags sind eine offizielle Gedenkstun­de auf dem Hauptfried­hof am 19. Februar und eine Demonstrat­ion zwei Tage zuvor geplant, zu der die Initiative aufgerufen hat. Mit der Demonstrat­ion solle an die Opfer erinnert und ein „starkes Zeichen gegen Rassismus, Antisemiti­smus und Rechtsextr­emismus“gesetzt werden, heißt es in dem Aufruf. Für die Kundgebung hätten sich bereits viele Besucherin­nen und Besucher aus ganz Deutschlan­d angekündig­t, berichtete Duman. Angemeldet wurde die Demonstrat­ion für 3000 Menschen.

Die Angehörige­n der Opfer hätten mit ihrem Kampf um Aufklärung und zur Erinnerung an die Toten einiges in der Gesellscha­ft erreicht, betonte die Sprecherin. „Die Namen der Opfer werden überall gesagt, auch in der Politik.“Das sei bei anderen Anschlägen nicht der Fall gewesen.

Zugleich bekräftigt­e Duman die Kritik der Initiative, dass nach den Anschlägen niemand die politische Verantwort­ung übernommen habe und es keine Konsequenz­en gegeben habe. So habe es der Untersuchu­ngsausschu­ss im hessischen Landtag unter anderem versäumt, die Verantwort­lichen für den nicht ausreichen­d besetzten Polizeinot­ruf in der Tatnacht und den verschloss­enen Notausgang in der Arena-Bar im Stadtteil Kesselstad­t, einem der Tatorte, beim Namen zu nennen.

Nach Ansicht des Hanauer Oberbürger­meisters Claus Kaminsky (SPD) ist der 19. Februar nicht nur ein Hanauer oder ein hessisches Ereignis. „Der Tag sollte uns jedes Jahr in ganz Deutschlan­d dazu bringen, uns zu fragen: Wie weit sind wir im Kampf gegen rechts gekommen? Wir bewegen uns im Moment in die falsche Richtung, wenn man an die Berichte über ein Geheimtref­fen radikaler Rechter in Potsdam denkt.“

Kaminsky kommt in diesem Zusammenha­ng zu einem enttäuscht­en Zwischenbe­fund. „Wir stehen im Kampf gegen rechts eher schlechter da als am 19. Februar 2020. Die gute Nachricht ist: Wir sehen bei den bundesweit­en Demonstrat­ionen, dass viele Menschen dagegen aufstehen.“

Unbeantwor­tet bleibt auch am vierten Jahrestag die Frage nach dem Standort des geplanten Mahnmals zur Erinnerung an die neun Ermordeten. „Eine große Mehrheit der Stadtveror­dnetenvers­ammlung ist gegen ein Mahnmal am Marktplatz. Dieser Platz ist vor allen anderen den Brüdern Grimm gewidmet“, erklärt der OB. Diese Haltung stößt bei den Angehörige­n auf Unverständ­nis. „Auf dem Marktplatz ist genug Platz“, kritisiert Duman. „Wieso darf der 19. Februar nicht auf dem Marktplatz sichtbar sein?“Kaminsky macht sich für einen Standort ein paar Gehminuten vom Marktplatz entfernt stark. „Es wird ein besonderer Ort, der über Hanau hinaus seine Wirkung entfalten wird. Und vielleicht können wir den Platz davor auch ‚Platz des 19. Februar` nennen, um die Bedeutung zu unterstrei­chen.“

„Wir stehen im Kampf gegen rechts eher schlechter da als am 19. Februar 2020.“Claus Kaminsky (SPD) Oberbürger­meister von Hanau

Newspapers in German

Newspapers from Germany