Wem gehört das Land?
Vor einigen Jahren forderte der Chef der Jugendorganisation der südafrikanischen Regierungspartei ANC, die Weißen rauszuwerfen. Südafrika müsse wieder ganz den Zulus gehören, meinte er. Die Zulus sind ursprünglich ein Volk aus dem Kongo. Sie kamen im 17. Jahrhundert nach Südafrika. Ein paar Jahre später als die ersten Weißen, die Buren aus Holland. Beide vertrieben die Stämme der San, der Buschmänner. Wem also gehört das Land?
Wer die Geschichte bemüht, um heute einen Gebietsanspruch zu begründen, landet schnell in dichtem Gestrüpp. Putin hat erklärt, dass er die Ukraine beansprucht, weil sie früher zu „Großrussland“gehört habe. Stimmt für ein paar hundert Jahre, aber im Mittelalter war es lange umgekehrt. Da wurde Russland aus Kiew regiert. Fast 200 Jahre lang herrschte zudem das Großfürstentum Litauen über der Ukraine. Und ganz früher war alles, inklusive Russland, Teil des riesigen Mongolenreiches.
Die Chinesen betrachten Taiwan als ihr Gebiet, dabei war die Insel lediglich 250 Jahre unter ihrer Herrschaft. Genauso lange beuteten Portugiesen und Holländer die „schöne Insel“(Formosa) aus, später auch Japaner. Bis zum 16. Jahrhundert gehörten die Ureinwohner sich selbst. Sie wurden nie gefragt.
Besonders intensiv werden historische Gebietsansprüche im Falle Palästinas bemüht. Verdrängt wird die Tatsache, dass bis 1948 weder Juden noch Araber dort einen Staat hatten, sondern beide von Türken und später Briten regiert wurden. Und wer weiß schon, dass auch im Gazastreifen und in den arabischen Nachbarländern Israels einst viele Juden lebten, ehe sie zu Hunderttausenden von dort vertrieben wurden. Wollen die Palästinenser das auch zurückdrehen?
Man sieht, das Beharren auf solche historischen Ansprüche führt zu nichts außer Gewalt und Krieg. Europa hat nach dem katastrophalen 20. Jahrhundert vorgemacht, wie Frieden geht: Indem alle Seiten auf Hass und Revanchismus verzichteten. Wem gehört das Land? Die Antwort ist einfach: All jenen, die heute in ihm leben. Sie müssen es schaffen, friedlich miteinander auszukommen.