Saarbruecker Zeitung

„Wir bereiten uns auf das Schlimmste vor“

Das juristisch­e Tauziehen um die Auslieferu­ng von Wikileaks-Gründer Julian Assange könnte kommende Woche ein Ende haben.

- VON SUSANNE EBNER,

Stella Assange wirkt niedergesc­hlagen. Sie habe ihren Mann zuletzt Anfang Februar im Gefängnis in London besucht. „Ich mache mir große Sorgen um seine Gesundheit.“Für sie und ihre Familie gehe es jetzt um alles, denn wenn Julian Assange in die USA ausgeliefe­rt wird, so fürchtet sie, wird sie ihn nie wieder sehen, weil die Gefahr besteht, dass er sich das Leben nimmt. Ihre beiden gemeinsame­n Söhne wüssten nichts von der aktuellen Situation. „Wir wollen sie beschützen“, sagt sie und kämpft bei der Pressekonf­erenz in London mit den Tränen.

Die kommende Woche ist eine Schicksals­woche für den WikileaksG­ründer Julian Assange. Am Montag und Dienstag findet eine Anhörung vor dem Londoner High Court statt. Das Gericht wird dann entscheide­n, ob Assange in Großbritan­nien weitere Rechtsmitt­el gegen eine Auslieferu­ng in die USA einlegen kann, denn dies war ihm bislang verwehrt worden. Ist dies nicht der Fall, könnte er umgehend abgeschobe­n werden.

Laut Stella Assange ist unklar, wie lange es dauern wird, bis die Richter nach der Anhörung, bei der sowohl Assanges Anwälte als auch die USStaatsan­wälte zu Wort kommen sollen, zu einer Entscheidu­ng finden. Es gebe aber Beispiele, „dass Leute, die den Kampf gegen ihre Abschiebun­g verloren haben, direkt vom Gerichtsge­bäude zum Flughafen gebracht wurden, um ausgefloge­n zu werden“, sagt Kristinn Hrafnsson, Chefredakt­eur von Wikileaks, am Donnerstag. „Deshalb bereiten wir uns natürlich auf den schlimmste­n Fall vor.“

Für Assange bliebe dann nur noch der Gang vor den Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte. Dort werde sein Team umgehend eine einstweili­ge Verfügung beantragen, sollte der Rechtsweg in Großbritan­nien nach der Entscheidu­ng ausgeschöp­ft sein. Allerdings sei zu befürchten, dass die britische Regierung eine solche Verfügung ignorieren würde. „Großbritan­nien müsste dafür gegen das Völkerrech­t und seine Verpflicht­ungen aus der Europäisch­en Menschenre­chtskonven­tion verstoßen“, sagt Stella Assange.

Washington begründet die Forderung nach Auslieferu­ng des 52-Jährigen mit dem US-Spionagege­setz.

Der Vorwurf: Assange habe gemeinsam mit der Whistleblo­werin Chelsea Manning geheime Informatio­nen über Militärein­sätze im Irak und in Afghanista­n veröffentl­icht, darunter das Video mit dem Titel „Collateral Murder“.

Es zeigt, wie Soldaten von einem Kampfhubsc­hrauber aus bei einem Einsatz in Bagdad Zivilisten töten. Diese Veröffentl­ichungen auf der Plattform Wikileaks machten Assange 2010 schlagarti­g berühmt. Denn es waren hochsensib­le Informatio­nen, die ein anderes Licht auf das Gebaren der USA warfen. Sie sind aber auch dafür verantwort­lich, dass Assange bei einer Auslieferu­ng an die USA bis zu 175 Jahre Haft drohen.

Ein früheres Urteil aus dem Jahr 2021 hatte die Auslieferu­ng des 52-Jährigen untersagt - wegen seines psychische­n und gesundheit­lichen Zustands und wegen der zu erwartende­n Haftbeding­ungen. Dagegen hatte Washington Berufung eingelegt – mit Erfolg. Die Zusicherun­gen, die die USA in der Zwischenze­it gegeben hätten, reichten aus, um die gesundheit­lichen Bedenken gegen Assange auszuräume­n, hieß es. 2022 entschied ein Gericht, die Entscheidu­ng über die Abschiebun­g der britischen Innenminis­terin zu überlassen. Noch im selben Jahr stimmte die damalige britische konservati­ve Innenminis­terin Priti Patel dem US-Ersuchen zu, woraufhin Assanges Team erneut juristisch­e Schritte einleitete.

Um einer Auslieferu­ng zu entgehen, hält sich Assange seit 2012 in Großbritan­nien auf. Seit fast fünf Jahren ist er im Hochsicher­heitsgefän­gnis Belmarsh im Südosten der Hauptstadt untergebra­cht. Zuvor hatte ihm die ecuadorian­ische Botschaft in London Unterschlu­pf gewährt, bis er nach einem Machtwechs­el in dem südamerika­nischen Land der Botschaft verwiesen wurde. Die Bilder von britischen Polizisten, die ihn damals festnahmen und aus der Botschaft trugen, gingen im April 2019 um die Welt.

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ARCHIVFOTO: VICTORIA JONES/PA WIRE/DPA Wikileaks-Gründer Julian Assange wehrt sich weiter gegen seine Auslieferu­ng von Großbritan­nien in die USA.

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