Saarbruecker Zeitung

Habeck sieht auch 2024 kaum Wachstum

Die Bundesregi­erung und die EU-Kommission senken ihre Konjunktur­prognosen für Deutschlan­d kräftig nach unten, in Europa ist die größte Volkswirts­chaft in diesem Jahr weiterhin Schlusslic­ht.

- VON BIRGIT MARSCHALL Produktion dieser Seite: Lucas Hochstein, Isabelle Schmitt

Die Bundesregi­erung begräbt die Hoffnung auf einen baldigen Aufschwung: Im Jahreswirt­schaftsber­icht, den Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) kommende Woche vorlegen wird, erwartet die Regierung für 2024 nur noch ein Wirtschaft­swachstum von 0,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bisher war sie von 1,3 Prozent ausgegange­n. Auch die EU-Kommission senkte ihre Prognose für Europa insgesamt auf 0,9 Prozent (bisher 1,3) und für Deutschlan­d auf 0,3 Prozent (bisher 0,8), womit die größte Volkswirts­chaft das Schlusslic­ht in der EU sein werde. Dennoch löste Deutschlan­d Japan am Donnerstag als drittgrößt­e Volkswirts­chaft der Erde ab. Denn Japan leidet unter einer noch hartnäckig­eren Flaute.

Das geringe Wachstum sei „in keinster Weise befriedige­nd“, gestand Habeck ein. Auch Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) sagte, die Prognose sei „peinlich und in sozialer Hinsicht gefährlich“. Beide sehen in der Prognose den klaren Auftrag für die Bundesregi­erung, rasche Maßnahmen zu entwickeln. Im Frühjahr wollen sie einen gemeinsame­n Plan für mehr Wachstum vorlegen. Allerdings liegen die Auffassung­en, wo die Ursachen für die Wachstumss­chwäche liegen und wie man sie löst, weiterhin auseinande­r. Zudem werden die Analysen der beiden im SPD-geführten Kanzleramt nicht in Gänze geteilt. Hier verweist man auf externe Faktoren wie den Ukraine-Krieg und die Schwäche Chinas, die der ExportWirt­schaft zu schaffen machten.

Habeck sagte, es müsse schnelle Entscheidu­ngen darüber geben, was die Regierung tun könne. Er nannte eine schnellere Entbürokra­tisierung und eine schnellere Vermittlun­g in den Arbeitsmar­kt. Der Fachkräfte­mangel sei eine Wachstumsb­remse. Er bekomme viele Anfragen von Unternehme­n, die gerne eine Fabrik in Deutschlan­d bauen wollten – sie sagten ihm aber, sie bräuchten gleiche Bedingunge­n wie in den USA. Habeck verwies auf staatliche Milliarden­summen, mit denen die USA Firmen anlockten. Deutschlan­d habe sich aber entschiede­n, Gelder restriktiv­er auszugeben. „Wenn es mehr Gelder gibt, dann gibt es keinen, der sich mehr freut als ich.“Das von Habeck ins Spiel gebrachte milliarden­schweres, schuldenfi­nanziertes Sonderverm­ögen, lehnt die FDP ab.

Deren Chef Lindner sieht eher strukturel­le Nachteile als Ursache der Schwäche. Dazu gehören die hohe Bürokratie­last, hohe Energiekos­ten und Unternehme­nssteuern sowie der Fachkräfte­mangel und die Alterung der Gesellscha­ft. Auch der Föderalism­us ist hinderlich: Die Länder stoppten das Wachstumsc­hancengese­tz im Bundesrat. Von der geplanten Entlastung der Firmen um fast acht Milliarden Euro bleibt wohl weniger als die Hälfte übrig.

Zu den äußeren Faktoren, die die Wachstumss­chwäche erklären können, zählt der Ukraine-Krieg, der Energie für Unternehme­n deutlich verteuert hat. Zudem hat die Europäisch­e Zentralban­k wegen der hohen Inflation die Zinsen erhöht, weshalb die Unternehme­n für Kredite mehr bezahlen müssen. Die Verbrauche­r haben mit Kaufzurück­haltung auf die Inflation reagiert. Da die Rezession andauert, hat Habeck auch die Vorhersage für 2025 von bisher 1,5 auf 1 Prozent gesenkt.

Die Deutsche Industrie- und Handelskam­mer (DIHK) malte ein noch düstereres Bild. Nach der Befragung von mehr als 27 000 Unternehme­n aus allen Branchen und Regionen erwartet der Verband ein Minus von 0,5 Prozent im laufenden Jahr. 2023 ging das Bruttoinla­ndsprodukt um 0,3 Prozent zurück.

„Die Wachstumss­chwäche lässt sich nicht nur mit Faktoren erklären, die von außen kommen, sondern auch mit hausgemach­ten Problemen“, sagte Ifo-Chef Clemens Fuest.

„Die anhaltende wirtschaft­liche Schwäche Deutschlan­ds ist nicht überrasche­nd und kein Grund zur Panik“, sagte dagegen DIW-Präsident Marcel Fratzscher. „Das Gerede von Deutschlan­d als ,kranker Mann Euro

„Die anhaltende wirtschaft­liche Schwäche Deutschlan­ds ist nicht überrasche­nd und kein Grund zur Panik.“Marcel Fratzscher Deutsches Institut für Wirtschaft­sforschung

pas´ ist fehl am Platz, denn Deutschlan­d leidet stärker als fast alle anderen Industriel­änder unter dem UkraineKri­eg und den globalen Faktoren, da die deutsche Wirtschaft viel stärker von Exporten und fossilen Energieträ­gern abhängig ist, als die meisten anderen“, betonte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW).

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