Die Filmproduzentin und Mutmacherin
Die Saarländerin Barbara Wackernagel-Jacobs ist Sozialdemokratin, Ex-Ministerin und Filmemacherin. Auch mit 73 Jahren ist die vielseitige Kulturschaffende beruflich aktiv. Besonders intensiv befasst sie sich derzeit mit dem Thema Älterwerden.
Die ehemalige Kettenfabrik im Saarbrücker Stadtteil St. Arnual ist einer der interessantesten Orte im Saarland. Sie ist über die Stadtgrenzen hinaus für ihre Jazzkonzerte bekannt und für die außergewöhnliche Art des Wohnens. Eine der Bewohnerinnen ist Barbara Wackernagel-Jacobs.
Ihre Küche ist ein ehemaliges Meisterhäuschen. Wir nehmen im angrenzenden Esszimmer Platz, das zum neu angebauten Teil ihres Hauses gehört und von dem aus man in einen üppig bewachsenen Garten blicken kann. Bei einer Tasse Kaffee kommen wir ins Gespräch. Sie ist am 5. Juni 1950 in Homburg geboren. Sechs Jahre ist sie alt, als die Familie ins pfälzische Frankenthal zieht. Hier geht sie zur Schule, und nach dem Abitur beginnt sie, in Mannheim Soziologie zu studieren.
Mit zwanzig Jahren heiratet sie zum ersten Mal. „Volljährig war man damals erst mit einundzwanzig, und ich brauchte dafür noch die Unterschrift meines Vaters.“Er ist ihr in liebevoller Erinnerung geblieben: „Ich bin Anfang der Siebziger wegen Willy Brandt in die SPD eingetreten. Es gab viele Auseinandersetzungen mit meinem Vater, aber er hat mich immer respektiert. Mein Vater war konservativ. Wir hatten viele politische Debatten zu Hause. Das fand ich sehr spannend.“
Ihr erster Mann lebt in Saarbrücken, daher wechselt sie von Mannheim an die Universität des Saarlandes. Mit 25, als diplomierte Soziologin, beginnt sie ihre Arbeit bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Das Thema ihrer Forschungsarbeit betrifft die Humanisierung der Arbeitswelt. Zwei Jahre später wechselt sie zum Diakonischen Werk, wo sie im Laufe der Zeit zur Projektleiterin aufsteigt. „Da war ich dann Leiterin des Projekts Jugendarbeitslosigkeit. Das war verbunden mit Stadtteilarbeit in Malstatt und in Burbach. Nicht nur in der Forschung zu bleiben, sondern vor Ort zu arbeiten, hat mir gutgetan.“Später, als die Sozialde
mokratin längst in der Politik aktiv war, war sie froh, diese Basisarbeit geleistet zu haben. „Wenn mir jemand sagte, das haben wir noch nie so gemacht, konnte ich, da ich diesen Hintergrund hatte, mit Fug und Recht entgegnen: Ich hätte aber gerne, dass wir dieses oder jenes Projekt fördern“, erinnert sich die 73-Jährige lächelnd.
Neben der Arbeit absolviert sie zusätzlich eine Ausbildung zur Familientherapeutin. „Das hat mich sehen gelernt. Es war eine systemische Ausbildung und dank dieser habe ich auch in systemischen Zusammenhängen denken gelernt.“
Zehn Jahre später wechselt die mittlerweile Vierzigjährige ins Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit. Ihre Stationen im Haus an der Franz-Josef-RöderStraße sind Abteilungsleiterin, Staatssekretärin, und als Krönung ihrer politischen Laufbahn ist sie drei Jahre lang Ministerin in den Kabinetten von Oskar Lafontaine und Reinhard Klimmt. 1999 verliert die SPD die Landtagswahl, und Barbara Wackernagel-Jacobs scheidet aus der Politik aus.
Draußen wird es langsam dunkel, der Abend zieht herauf, und wir sind an dem Punkt ihres Lebenslaufs angelangt, den man eine Zäsur nennen kann oder, um in die
Filmsprache zu wechseln – einen Cut. Mit fast fünfzig wechselt sie das Metier, wird Filmproduzentin und übernimmt die Produktionsfirma „carpe diem“. Zu Beginn produziert sie auch Spielfilme, wie „Amundsen, der Pinguin“. Ab 2005 konzentriert sie sich dann aber
auf Dokumentarfilme mit gesellschaftspolitischen und kulturellen Themen. „Ich nutze den Dokumentarfilm, um konstruktive Botschaften zu senden“, beschreibt sie ihre Vorliebe für dieses Genre. 2006 entsteht die Reihe „Das Image der Politik und der Politiker“. Zehn Por
träts entstehen, unter anderem mit Matthias Platzeck, Luc Jochimsen und Christian Ude.
Die Intention von WackernagelJacobs geht über das bloße Produzieren hinaus. „Wir haben an einigen saarländischen Schulen Projekte gestartet, die von der Bundeszentrale für politische Bildung übernommen wurden“, berichtet sie. „Die Arbeit mit den Schulklassen war Teil des gesamten Films und floss auch in einen Langfilm zu diesem Thema ein.“Für Wackernagel-Jacobs war es interessant zu sehen, wie sich das Image der Politiker bei den Schülern verändert oder gefestigt hatte.
Wichtig, so betont sie, sei ihr auch immer wieder, Porträts über saarländische Persönlichkeiten wie Albert Weißgerber, Edith Aron oder Gustav Regler zu drehen. „Wir stellen sie vor, um dem Saarland auch Selbstbewusstsein zu geben.“Ein weiteres großes Projekt, mit zehn Einzelporträts, nennt sich „Europa Komplex“, mit dem sie Mut für Europa machen möchte.
Wir sprechen über aktuelle Politik und kommen zu einem Thema, das wie selbstverständlich auf Barbara Wackernagel-Jacobs zukam: Das Älterwerden. „Es gibt noch viele Ältere, die gerne etwas machen, sich involvieren möchten. Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen, die nachweisen, dass jene Menschen, die Aufgaben haben, ob nun bezahlte Arbeit oder Ehrenamt, besser älter werden“, sagt sie. Begrüßten viele den Eintritt ins Rentenalter zuerst als eine Art Urlaub, so vermissten sie nach einiger Zeit einen strukturierten Tagesablauf, soziale Kontakte, Wertschätzung und ein positives Selbstwertgefühl.
„Ich habe über mein eigenes Älterwerden realisiert, dass ich in eine Altersgruppe hineinwachse, die nur noch mit Problemen und Defiziten gleichgesetzt wird. Die Hauptthemen sind Pflege und Demenz, das fehlende Personal und all die Katastrophen, die damit verbunden sind. Aber ich hatte das Gefühl, das ist nur die eine Seite der Wahrheit“, erklärt Wackernagel-Jacobs, zu deren ministeriellen Aufgabenbereichen in den neunziger Jahren auch das Thema Senioren gehörte. Die andere Seite komme in den Medien überhaupt nicht vor.
„Die Lebensphase ab sechzig“, so die zweifache Mutter und zweifache Großmutter, „sollte man unter anderen Vorzeichen betrachten.“Sie erhofft sich endlich einen positiven Blick auf das Älterwerden. Ihr Beitrag dazu ist der 2014/2015 mit dem Regisseur Lukas Schmid gedrehte sechzigminütige Dokumentarfilm „Sputnik Moment“, der diese Thematik anhand mutmachender Porträts beleuchtet.
Der Film kommt gut an. Ein Begleitbuch entsteht, und Vorträge sowie Podiumsdiskussionen folgen. Auch einen Altersstrategieplan für die Gemeinde Illingen hat sie verfasst. Wackernagel-Jacobs: „Das Thema des Älterwerdens ist mein zweites Standbein geworden. Ich mache zwar noch andere Filme, aber dieses Thema ist jetzt ein großer Schwerpunkt.“
„Das Thema des Älterwerdens ist mein zweites Standbein geworden.“Barbara Wackernagel-Jacobs