Künstler-Signal für Kompromiss im Fall Breitz
Nach einem Künstler- Gespräch zum Fall Candice Breitz mit der Ministerin ist immer noch offen, ob der öffentliche Diskurs wirklich eröffnet wird – und von wem.
Wirklich auf Krawall gebürstet waren sie wohl nicht, die saarländischen Künstler, sonst hätten sie das für Mittwoch anberaumte Gespräch mit Christine Streichert-Clivot (SPD) zum Fall Candice Breitz bereits im Vorfeld abgesagt. Denn die Ministerin hatte in einem Interview mit der Saarbrücker Zeitung klar Stellung bezogen: Sie sagt Nein zur Idee der Künstler, ein Antisemitismus-Symposion unter Teilnahme der Künstlerin zu veranstalten, deren Ausstellung in der Modernen Galerie gecancelt wurde, wegen vermeintlich israelfeindlicher Positionierungen.
Für letztere wird es im Saarland kein staatliches Forum geben, zu diesem unmissverständlichen Ministerinnen-Nein gesellte sich während des von beiden Parteien als „konstruktiv“erachteten Austauschs zumindest ein „Jein“hinzu. So erlebten es die drei Künstler, die in Vertretung von rund 450 weiteren Unterzeichnern eines offenen Briefes am Treffen teilnahmen und dabei nicht etwa auf die von ihnen erwartete „Wand“stießen, sondern auf eine „emotionale“Ministerin. „Sie hat zu
erkennen gegeben, dass sie offen für eine Veranstaltung mit einem breiten Meinungsspektrum ist, wenn wir ein kluges Format dafür vorschlagen“, fasst Leslie Huppert ihren Eindruck zusammen. Vorstellbar sei eine Online-Veranstaltung, denn StreichertClivot habe Sorge, dass es bei einer öffentlichen Veranstaltung zu einer
Eskalation kommen könnte. Huppert führte zusammen mit Petra Jung und Armin Rohr das Gespräch.
„Denkbar wären auch zwei Veranstaltungen“, sagt Huppert, eine, wie von den Künstlern gefordert, mit Breitz. Die müsse dann außerhalb der Stiftung Kulturbesitz und ohne finanzielle Unterstützung des Mi
nisteriums laufen – doch woher das Geld nehmen? Stattfinden könne aber durchaus eine Debatte ohne Breitz, die das Plazet der Ministerin finde. Der typische saarländische Kompromiss?
In einem „Positionspapier“, das als Argumentations-Grundlage für das Treffen diente, und das der SZ vor
liegt, finden sich allerdings schon Namen möglicher Debatten-Gäste, die zu einer „differenzierten Auseinandersetzung mit dem Antisemitismusbegriff“beitragen sollen: Deborah Feldmann, Marina Weisband, Aleida Assmann und Emilia Roig.
Bemerkenswert im Papier sind Passagen, die das „Klima der Angst“ verdeutlichen, von dem im offenen Brief die Rede war. „Wie weit wird man in Zukunft gehen?“, fragen die Künstler mit Blick auf die saarländische Ausstellungspolitik. „Will man das Unsichtbare Mahnmal von Jochen Gerz am Saarbrücker Schloss nun herausreißen, weil er 2019 wie Candice Breitz (…) in einem offenen Brief die Bundesregierung aufgefordert hat, die israelkritische Bewegung BDS nicht pauschal als antisemitisch einzustufen?“Oder wird ein Werk von Gerz, das sich im Besitz der Stiftung Kulturbesitz
„Sie hat zu erkennen gegeben, dass sie offen für eine Veranstaltung mit einem breiten Meinungsspektrum ist, wenn wir ein kluges Format dafür vorschlagen.“Leslie Huppert Künstlerin, nach dem Gespräch mit Ministerin Christine Streichert-Clivot
befindet, womöglich nicht mehr gezeigt? Und wie geht man mit dem Werk von Jonathan Meese in der Modernen Galerie um, der 2012 den Hitler-Gruß zeigte? Er wurde freigesprochen, aber: „Soll sein Bild abgehängt werden?“
Gesinnungsprüfung, Gesinnungstauglichkeit, die Schere im Kopf – im persönlichen Gespräch mit Huppert, Rohr und Jung wird deutlich, wie sehr sie das beunruhigt. Für Künstler ist Cancel-Culture nun mal keine akademische Debatte, sondern eine existentielle Frage.