Als die Völklinger aufmüpfig wurden
Neues aus dem 16. Jahrhundert: Alte Dokumente, in einem Wiesbadener Archiv entdeckt, zeigen: Von harten Arbeitsdiensten gebeutelt, begehrten die Völklinger zur Freude des Metzer Bischofs gegen Graf Johann IV. von Nassau-Saarbrücken auf – und scheiterten.
Wer hätte gedacht, dass die Völklinger so aufmüpfige Leute waren – im 16. Jahrhundert. Der Grund war, dass sich viele Völklinger ausgebeutet fühlten oder es tatsächlich waren: Die Saarbrücker Grafschaft regierte sich nicht von allein. Verwaltungsschwerpunkte und Streubesitz mussten mit Getreide versorgt werden, damit Amtmänner und Burgmannen ihren Aufgaben nachkommen konnten. Die lästige Pflicht zum Transport der Lebensmittel, ein Teil des sogenannten Frondienstes, blieb an den Untertanen hängen. Gerade die Bewohner Völklingens und seiner heutigen Stadtteile Wehrden, Fürstenhausen und Geislautern mussten regelmäßig nach Osten durch das gesamte Saarland und nach Westen bis kurz vor Metz reisen, um solche Frondienste zu leisten.
Zu allem Überfluss wurde bald nach Mitte des 16. Jahrhunderts mit einer Osterweiterung des Schlosses Homburg begonnen – wahrscheinlich auch auf dem Rücken der Völklinger. Das Resultat: In den 1560er Jahren war das Klima im heutigen Stadtgebiet vergiftet. Und genau in
diesem Moment leistete sich die gräfliche Verwaltung einen Affront zu viel: Das sogenannte Jahrgeding, bei dem Untertanen und Landesherr einmal jährlich über Rechte
und Pflichten in der Gemeinde berieten, wurde sang- und klanglos abgeschafft. Damit waren die Gemeindemitglieder nicht mehr nur überlastet, sondern auch mundtot gemacht. Die Gerichtsleute Völklingens entschieden sich daraufhin im Geheimen, den Saarbrücker Grafen in seine Schranken zu weisen. Dafür wandten sie sich direkt an den Metzer Bischof, denn der war damals der Lehnsherr des Saarbrücker Grafen Johanns IV.
Traditionell hielten sich die Metzer Bischöfe aus den Angelegenheiten ihrer Saarbrücker Vasallen heraus. Nicht so in diesem Fall. Aber irgenbdwie muss der Saarbrücker Graf Wind von der ganzen Sache bekommen haben. Denn bevor die Verhandlungen der Völklinger mit dem Bischof und seinen Verwaltern erfolgreich beendet werden konnten, ging Johann IV. mit aller Härte gegen die Verschwörer vor: Sieben Gerichtsleute wurden gefangen ge
nommen. Und den zum Großteil unbeteiligten Einwohnern Völklingens wurde das Nutzen der „Allmende“, also des gemeinschaftlichen Gemeindeeigentums verboten.
Doch dem Metzer Bischof François Beaucaire de Péguillon war der Völklinger Hilferuf gerade recht gekommen. Er und sein Nachfolger, Louis I. de Lorraine-Guise besaßen exzellente Verbindungen zur französischen Krone und dem lothringischen Herzoghaus. Und das bedeutete auch, nach Gelegenheiten Ausschau zu halten, um den lothringisch-französischen Einfluss in der Region zu erhöhen. Zum Beispiel durch die Grafschaft Saarwerden. Als Lehnsherren erkannten die Metzer Bischöfe das saarwerdische Erbe der Saarbrücker Grafen nicht an und schusterten das Gebiet kurzerhand den lothringischen Herzögen zu, die es im Jahr 1574 prompt einnahmen.
Nach der Verhaftung ihrer Nachbarn und der Verhängung der Kollektivstrafe war das Maß für einige Einwohner Völklingens endgültig voll. Kaum hatten sie sich zu einem Bund zusammengeschlossen, standen ihre Gesandten auch schon in Vic-sur-Seille und brachten dem Metzer Bischof ihre Beschwerden vor – und ließen die Gemeinde unter bischöflichen Schutz stellen. Ein anderer Teil der Völklinger versuchte allerdings, auf dem Weg der Versöhnung die Freilassung der Gefangenen Gerichtsleute zu erreichen – und war damit auch erfolgreich.
Frieden kehrte trotzdem nicht ein. Nachdem zwei aufständische Gemeindemitglieder in Saarbrücker Haft kamen und dort sogar verstarben, griff der Bischof von Metz durch: In einem Brief forderte sein Generalstatthalter den Saarbrücker Grafen auf, die Einwohner Völklingens in Ruhe zu lassen, da sie dem bischöflichen Schutz unterstehen würden. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, ließ er Schutzbriefe, sogenannte „salvae guardiae“, in Völklingen anschlagen, was einem direkten Angriff auf die Herrschaft Johanns IV. in der Gemeinde gleichkam.
Doch der so herausgeforderte Graf konterte umgehend und erinnerte den Bischof daran, dass sich große Teile des Metzer Bistums in Saarbrücker Pfandbesitz befanden, weil das Saarbrücker Grafenhaus dem Bistum Geld geliehen hatte. Darunter auch die Stadt St. Nabor, die der Bischof gerne dem mit ihm verwandten lothringischen Herrscherhaus übergeben hätte. Das zeigte Wirkung: So schnell wie sich der Bischof zum Schutz gräflicher Untertanen verleiten gelassen hatte, so schnell ließ er auch wieder von dem Vorhaben ab.
Leidtragende waren damit die fallengelassenen Völklinger, die sich in den Folgejahren mit noch mehr Arbeit herumschlagen mussten. Bereits 1570 ließ Johann IV. die Burg Wanborn abreißen. Sein Nachfolger errichtete an gleicher Stelle das Jagdschloss Philippsborn (wo heute das Forsthaus Neuhaus zwischen Riegelsberg und Saarbrücken steht). Und in Homburg sollte nach der Osterweiterung die ganze Burg in eine moderne Festungsanlage umgebaut werden. Damit galt es im Einzugsgebiet des Völklinger Frondiensts gleich zwei neue Mammutprojekt zu stemmen.