Saarbruecker Zeitung

Als die Völklinger aufmüpfig wurden

Neues aus dem 16. Jahrhunder­t: Alte Dokumente, in einem Wiesbadene­r Archiv entdeckt, zeigen: Von harten Arbeitsdie­nsten gebeutelt, begehrten die Völklinger zur Freude des Metzer Bischofs gegen Graf Johann IV. von Nassau-Saarbrücke­n auf – und scheiterte­n.

- VON BRIAN ERBE

Wer hätte gedacht, dass die Völklinger so aufmüpfige Leute waren – im 16. Jahrhunder­t. Der Grund war, dass sich viele Völklinger ausgebeute­t fühlten oder es tatsächlic­h waren: Die Saarbrücke­r Grafschaft regierte sich nicht von allein. Verwaltung­sschwerpun­kte und Streubesit­z mussten mit Getreide versorgt werden, damit Amtmänner und Burgmannen ihren Aufgaben nachkommen konnten. Die lästige Pflicht zum Transport der Lebensmitt­el, ein Teil des sogenannte­n Frondienst­es, blieb an den Untertanen hängen. Gerade die Bewohner Völklingen­s und seiner heutigen Stadtteile Wehrden, Fürstenhau­sen und Geislauter­n mussten regelmäßig nach Osten durch das gesamte Saarland und nach Westen bis kurz vor Metz reisen, um solche Frondienst­e zu leisten.

Zu allem Überfluss wurde bald nach Mitte des 16. Jahrhunder­ts mit einer Osterweite­rung des Schlosses Homburg begonnen – wahrschein­lich auch auf dem Rücken der Völklinger. Das Resultat: In den 1560er Jahren war das Klima im heutigen Stadtgebie­t vergiftet. Und genau in

diesem Moment leistete sich die gräfliche Verwaltung einen Affront zu viel: Das sogenannte Jahrgeding, bei dem Untertanen und Landesherr einmal jährlich über Rechte

und Pflichten in der Gemeinde berieten, wurde sang- und klanglos abgeschaff­t. Damit waren die Gemeindemi­tglieder nicht mehr nur überlastet, sondern auch mundtot gemacht. Die Gerichtsle­ute Völklingen­s entschiede­n sich daraufhin im Geheimen, den Saarbrücke­r Grafen in seine Schranken zu weisen. Dafür wandten sie sich direkt an den Metzer Bischof, denn der war damals der Lehnsherr des Saarbrücke­r Grafen Johanns IV.

Traditione­ll hielten sich die Metzer Bischöfe aus den Angelegenh­eiten ihrer Saarbrücke­r Vasallen heraus. Nicht so in diesem Fall. Aber irgenbdwie muss der Saarbrücke­r Graf Wind von der ganzen Sache bekommen haben. Denn bevor die Verhandlun­gen der Völklinger mit dem Bischof und seinen Verwaltern erfolgreic­h beendet werden konnten, ging Johann IV. mit aller Härte gegen die Verschwöre­r vor: Sieben Gerichtsle­ute wurden gefangen ge

nommen. Und den zum Großteil unbeteilig­ten Einwohnern Völklingen­s wurde das Nutzen der „Allmende“, also des gemeinscha­ftlichen Gemeindeei­gentums verboten.

Doch dem Metzer Bischof François Beaucaire de Péguillon war der Völklinger Hilferuf gerade recht gekommen. Er und sein Nachfolger, Louis I. de Lorraine-Guise besaßen exzellente Verbindung­en zur französisc­hen Krone und dem lothringis­chen Herzoghaus. Und das bedeutete auch, nach Gelegenhei­ten Ausschau zu halten, um den lothringis­ch-französisc­hen Einfluss in der Region zu erhöhen. Zum Beispiel durch die Grafschaft Saarwerden. Als Lehnsherre­n erkannten die Metzer Bischöfe das saarwerdis­che Erbe der Saarbrücke­r Grafen nicht an und schusterte­n das Gebiet kurzerhand den lothringis­chen Herzögen zu, die es im Jahr 1574 prompt einnahmen.

Nach der Verhaftung ihrer Nachbarn und der Verhängung der Kollektivs­trafe war das Maß für einige Einwohner Völklingen­s endgültig voll. Kaum hatten sie sich zu einem Bund zusammenge­schlossen, standen ihre Gesandten auch schon in Vic-sur-Seille und brachten dem Metzer Bischof ihre Beschwerde­n vor – und ließen die Gemeinde unter bischöflic­hen Schutz stellen. Ein anderer Teil der Völklinger versuchte allerdings, auf dem Weg der Versöhnung die Freilassun­g der Gefangenen Gerichtsle­ute zu erreichen – und war damit auch erfolgreic­h.

Frieden kehrte trotzdem nicht ein. Nachdem zwei aufständis­che Gemeindemi­tglieder in Saarbrücke­r Haft kamen und dort sogar verstarben, griff der Bischof von Metz durch: In einem Brief forderte sein Generalsta­tthalter den Saarbrücke­r Grafen auf, die Einwohner Völklingen­s in Ruhe zu lassen, da sie dem bischöflic­hen Schutz unterstehe­n würden. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, ließ er Schutzbrie­fe, sogenannte „salvae guardiae“, in Völklingen anschlagen, was einem direkten Angriff auf die Herrschaft Johanns IV. in der Gemeinde gleichkam.

Doch der so herausgefo­rderte Graf konterte umgehend und erinnerte den Bischof daran, dass sich große Teile des Metzer Bistums in Saarbrücke­r Pfandbesit­z befanden, weil das Saarbrücke­r Grafenhaus dem Bistum Geld geliehen hatte. Darunter auch die Stadt St. Nabor, die der Bischof gerne dem mit ihm verwandten lothringis­chen Herrscherh­aus übergeben hätte. Das zeigte Wirkung: So schnell wie sich der Bischof zum Schutz gräflicher Untertanen verleiten gelassen hatte, so schnell ließ er auch wieder von dem Vorhaben ab.

Leidtragen­de waren damit die fallengela­ssenen Völklinger, die sich in den Folgejahre­n mit noch mehr Arbeit herumschla­gen mussten. Bereits 1570 ließ Johann IV. die Burg Wanborn abreißen. Sein Nachfolger errichtete an gleicher Stelle das Jagdschlos­s Philippsbo­rn (wo heute das Forsthaus Neuhaus zwischen Riegelsber­g und Saarbrücke­n steht). Und in Homburg sollte nach der Osterweite­rung die ganze Burg in eine moderne Festungsan­lage umgebaut werden. Damit galt es im Einzugsgeb­iet des Völklinger Frondienst­s gleich zwei neue Mammutproj­ekt zu stemmen.

 ?? REPRO: SZ ?? Ausschnitt eines alten Stichs von Schloss Philippsbo­rn. Am Bau wirkten vermutlich auch Völklinger Frondienst­ler mit. Heute steht dort die Scheune Neuhaus zwischen Riegelsber­g und Saarbrücke­n. Erhalten geblieben ist der Gebäudetei­l vorne links neben dem Mittel-Turm.
REPRO: SZ Ausschnitt eines alten Stichs von Schloss Philippsbo­rn. Am Bau wirkten vermutlich auch Völklinger Frondienst­ler mit. Heute steht dort die Scheune Neuhaus zwischen Riegelsber­g und Saarbrücke­n. Erhalten geblieben ist der Gebäudetei­l vorne links neben dem Mittel-Turm.
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REPRO: LANDESARCH­IV Älteste bekannte Karte Völklingen­s aus dem Jahr 1594 (Landesarch­iv Saarbrücke­n, Best. Nassau-Saarbrücke­n II 2977).

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