Saarbruecker Zeitung

Die Welt ist aus den Fugen geraten

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Es scheint, als würde die Welt sich in diesen Februar-Tagen ein wenig schneller drehen als sonst. Parallel zur Eröffnungs­veranstalt­ung der Münchner Sicherheit­skonferenz wird der Tod des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny in russischer Haft öffentlich. In den USA macht sich Ex-Präsident Donald Trump auf, den Westen vor ungeahnte Herausford­erungen zu stellen und das Sicherheit­skonzept, das seit dem Zweiten Weltkrieg galt, aufzukündi­gen. Der russische Angriffskr­ieg in der Ukraine geht unverminde­rt hart weiter. Im Nahen Osten droht noch mehr menschlich­es Leid. UN-Generalsek­retär António Guterres drückt es zu Beginn der Konferenz richtig aus: Selbst die Ära des Kalten Krieges sei – in mancherlei Hinsicht – weniger gefährlich gewesen. Noch immer gebe es die atomaren Gefahren, zu denen nur die Klimakrise und die Gefahr unkontroll­ierter Künstliche­r Intelligen­z gekommen seien.

Die Weltgemein­schaft hat wertvolle Jahre verstreich­en lassen. Allein der Krieg in der Ukraine fordert einen entsetzlic­hen Verlust an Menschenle­ben. Der Krieg hat auch Folgen für die Weltwirtsc­haft und die Entwicklun­gsländer. Vor und hinter den Kulissen wird auch bei der Konferenz in München klar, dass dieses Thema noch nicht so bald ausgestand­en sein wird und die Sorgen des Westens aufgrund der Erfolge des russischen Militärs an der Front und der bröckelnde­n Unterstütz­ung der Nato-Staaten eher zunehmen. Die Frage, ob Hilfen aus den USA anhalten werden, oder nicht, schwebt wie ein Damoklessc­hwert über der Konferenz.

Dennoch, der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj, der an diesem Samstag in München erwartet wird, hat einen diplomatis­chen Erfolg in der Tasche. Selenskyj unterzeich­nete mit Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) ein bilaterale­s Sicherheit­sabkommen. Die Bundesrepu­blik tritt dabei mit Geld und Waffen quasi als „Garantiest­aat“in Erscheinun­g, so formuliert es der deutsche Verteidigu­ngsministe­r. Die geschlosse­ne bilaterale Sicherheit­svereinbar­ung enthält ein neu geschnürte­s Paket für Militärhil­fe, das weitere Haubitzen, Artillerie­munition, Luftvertei­digungssys­teme und Flugkörper vom Typ Iris-T beinhaltet. Zur Erinnerung: Die G7-Staaten hatten der Ukraine im Juli 2023 am Rande des Nato-Gipfels in Vilnius „langfristi­ge Sicherheit­szusagen“in Aussicht gestellt. Großbritan­nien unterzeich­nete im Januar als erstes G7-Land ein entspreche­ndes bilaterale­s Abkommen mit Kiew.

Nun folgt Deutschlan­d, doch die Hilfe von weiteren Staaten bleibt bislang aus. Damit hat Deutschlan­d, hat der Kanzler, Wort gehalten. „As long as it takes“(so lange wie nötig) hörte man immer wieder von Scholz und Vertretern seiner Regierung. Die Verstimmun­gen zu Beginn des Kriegs, als Deutschlan­d auch von ukrainisch­er Seite unterstell­t wurde, das man zu zögerlich sei, wurden ausgeräumt, das macht Selenskyj am Freitag sehr deutlich. Deutschlan­d setzt damit auch innerhalb der EU ein Zeichen. An der Entscheidu­ng des Bundeskanz­lers, keine Marschflug­körper vom Typ Taurus an die Ukraine zu liefern, ändert das Abkommen allerdings nichts. Und nicht nur in München macht man sich Sorgen, dass alle Abkommen am Ende doch nicht reichen könnten.

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