Ein unbeirrter Wüterich – Claus Weselsky wird 65
Arbeiterkind, ostdeutscher Gewerkschafter, CDU-Mitglied – ein Etikett lässt sich Claus Weselsky kaum aufdrücken. Nun naht der Ruhestand.
(dpa) Lügner, Nieten in Nadelstreifen, Vollpfosten – das Repertoire an Beleidigungen für Bosse ist groß bei Claus Weselsky. Zuletzt gab es wieder viele Diskussionen darüber, ob ein Gewerkschaftschef in der angespannten gesellschaftlichen Stimmung derart austeilen sollte. Beeinflussen ließ sich der gebürtige Dresdner davon nicht. In gut 16 Jahren als GDL-Chef ging Weselsky stets seinen eigenen Weg, unbeirrt. An diesem Sonntag wird er 65 Jahre alt.
Aktuell ringt der Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) mit der Deutschen Bahn um höhere Tarife und weniger Arbeitszeit. Es ist der letzte Tarifstreit vor seinem Ruhestand. Zuletzt hatten viele Beobachter das Gefühl, dass Weselsky mit dieser Tarifrunde seiner Karriere noch einen besonderen Erfolg hinzufügen will. Die Verhandlungen ließ er schnell scheitern, stattdessen gab es zwei Warnstreiks und zwei mehrtägige Streiks.
Seit dem 5. Februar verhandeln die GDL und die Bahn wieder, Informationen über den Fortgang der Gespräche gab es zuletzt nicht. In der Bahn-Branche wird viel darüber spekuliert, was Weselsky wieder an den Verhandlungstisch gebracht hat. Druck von den GDL-Mitgliedern, die schnell mehr Geld auf dem Konto haben wollen? Oder doch eher vom Beamtenbund dbb, der einen Großteil der Streik-Kosten der GDL zahlt? Bis zum 3. März soll verhandelt werden, Streiks wurden bis dahin ausgeschlossen. Ausgang offen.
Für Überraschungen ist Weselsky jedenfalls immer gut, das sagen auch seine Verhandlungspartner. Die GDL ist vor allem eine One-Man-Show des Vorsitzenden. Alles ist auf ihn zugeschnitten, in der Regel spricht auch nur Weselsky in die Mikrofone und Kameras. Seine beiden Stellvertreter, Mario Reiß und Lars Jedinat, stehen meist rechts und links von ihm und schauen finster drein, während ihr Chef in die Mikros schimpft. Vor allem auf Jüngere dürften die drei Herren in Anzügen und Krawatte etwas altbacken wirken.
Weselsky gehört in der Bundesrepublik sicher nicht zu den beliebteren Menschen, ganz im Gegenteil. Tarifkonflikte mit ihm an der GDL-Spitze bedeuteten zuletzt immer auch Ärger und Frust für Bahn-Fahrgäste. Vor einigen Jahren brauchte der Gewerkschaftschef sogar Polizeischutz, weil ein Medium seine private Adresse veröffentlicht hatte. Bis heute verbindet ihn deshalb eine Freundschaft mit dem Polizeigewerkschafter Rainer Wendt, der ihm damals half.
Doch die GDL-Mitglieder vertrauen auf sein Verhandlungsgeschick. „Clausi-Mausi“richte das schon, sagten einige von ihnen im Sommer, als die Gewerkschaft ihre Forderungen festlegte. Und „Clausi-Mausi“legte los, im November, Dezember und Januar wurde ständig irgendein Bahnunternehmen bestreikt. Bei den DB-Konkurrenten erreichte er mit dem harten Vorgehen bereits Tarifverträge mit 35-Stunden-Wochen für Schichtarbeiter – allerdings mit der Einschränkung, dass ihm dieser Verhandlungserfolg bei allen Branchenunternehmen gelingen muss. Damit lastet auch auf ihm selbst ein hoher Druck.
Als linker Popstar der Arbeiterklasse eignet sich Weselsky trotz allem Einsatz für die Arbeitsbedingungen nur bedingt. Schon allein weil der Gewerkschafter CDU-Mitglied ist. „Weil das meiner konservativen Grundhaltung am nächsten kommt“, erklärte er kürzlich in einem Interview. Abseits der Kameras kann er auch weniger krawallig. Nahbar, freundlich – gar humorvoll tritt er dann auf.
Der GDL-Boss wies stets zurück, dass er den Tarifkonflikt wegen seines nahenden Karriereendes eskalieren lässt. Tatsächlich unterscheidet sich die aktuelle Tarifrunde in ihrer Heftigkeit nicht von den vielen anderen, die Weselsky in seiner langen Laufbahn angeführt hat. Allein 2015 dauerte der Konflikt rund ein Jahr.