EU-Plattform-Richtlinie scheitert nach FDP-Veto
Ein EU- Gesetz für mehr Rechte von Beschäftigten bei sogenannten Plattformfirmen wie Uber und Lieferando ist vorerst vom Tisch.
(may/afp) Mit der Aufforderung an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), das Thema nun zur Chefsache zu machen, haben die Europa-Grünen auf das Scheitern der EU-Richtlinie zur Plattformregulierung reagiert. „Ich verstehe nicht, wie ein sozialdemokratischer Bundeskanzler eine Enthaltung zum Schutz von Beschäftigten rechtfertigen kann“, sagte der Chef der deutschen Grünen-Gruppe im Europaparlament, Rasmus Andresen. Am Freitagnachmittag hatte die belgische Ratspräsidentschaft bei der mit Spannung erwarteten Abstimmung feststellen müssen, dass die erforderliche qualifizierte Mehrheit auch für den zweiten ausgehandelten Kompromisstext nicht zustande kam. Weil die FDP ihre Zustimmung in Berlin verweigerte, musste Deutschlands Vertreter mit Enthaltung votieren.
Da auch Frankreich erst noch Änderungen am Text und mehr Zeit für zusätzliche Verhandlungen wollte, daneben Estland und Griechenland der Richtlinie ebenfalls ihre Zustimmung verweigerten, fehlte die Mehrheit von mindestens 55 Prozent der Staaten mit mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung.
„Mit diesem Ergebnis machen sich Scholz und Macron zu den nützlichen Trotteln von Uber und Co.“, kritisierte der Plattform-Unterhändler des Parlamentes, der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke. Das sei ein „Schlag ins Gesicht für 28 Millionen Menschen“. Auch für die künftige Arbeit zwischen Rat und Parlament sei dies ein harter Schlag. Gewöhnlich ist nach einem einmal ausgehandelten Trilog-Ergebnis in den Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission die nochmalige Runde durch Rat und Parlament reine Formsache. In diesem und auch im Fall der Lieferketten-Richtlinie trat die FDP jedoch auf die Bremse, weil wichtige Vorgaben von den Unterhändlern nicht eingehalten worden seien. „Die Ablehnung bestätigt, dass
das Gesetz Scheinselbstständigkeit nicht zielgerichtet bekämpfen, sondern echte Solo-Selbstständige gefährden würde“, sagte die FDPWirtschaftsexpertin Svenja Hahn. „Kosmetische Änderungen werden nicht ausreichen, um das Grundproblem der nicht praxistauglichen Beweislastumkehr zu beheben, besser wäre ein neuer Anlauf“, unterstrich
die Europaabgeordnete. Das Gesetz soll dafür sorgen, dass Beschäftigte sogenannter Plattformfirmen unter bestimmten Bedingungen als voll angestellt gelten. Ursprünglich hatten sich die Unterhändler von Europaparlament und Mitgliedstaaten im Dezember dafür auf EU-weite Kriterien wie das Lohnniveau und festgelegte Regeln für Kleidung oder
Arbeitszeiten geeinigt. Eine Gruppe von EU-Ländern um Frankreich hatte den Kompromiss kurz darauf jedoch gekippt.
Vergangene Woche kam es zu einer neuen Einigung, die allerdings keine EU-weit einheitlichen Kriterien mehr vorsah. Der Text verwies stattdessen vor allem auf nationale Gesetze, internationale Abkommen und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Die Umsetzung der Rechte für die Beschäftigten läge damit fast ausschließlich bei den Mitgliedstaaten.
Die Einigung sorge für „große rechtliche Unsicherheiten“bei den Mitgliedstaaten, kritisierte ein französischer EU-Diplomat. Es drohe eine Zersplitterung des gemeinsamen Marktes in der EU. Auch die Bundesregierung schwenkte in der Folge um und signalisierte keine Zustimmung mehr.
Die Zukunft der neuen Regelungen ist nun ungewiss. „Wir glauben, dass diese Richtlinie, die einen wichtigen Fortschritt für die Arbeitnehmer darstellen muss, bereits einen langen Weg zurückgelegt hat“, erklärte die belgische EU-Ratspräsidentschaft. „Wir werden über die nächsten Schritte nachdenken.“Die Zeit wird mittlerweile jedoch knapp, um das Gesetz noch vor den Europawahlen Anfang Juni zu verabschieden.
Bislang sind etwa Uber-Fahrer oder Fahrradkuriere auf dem Papier häufig selbstständig und damit unter anderem nicht über ihren Arbeitgeber sozialversichert. Mehr als 30Millionen Menschen in der EU arbeiten für Plattformfirmen, bis 2025 könnte ihre Zahl auf mehr als 40 Millionen ansteigen. Rund 5,5 Millionen von ihnen sind nach Einschätzung der EU-Kommission fälschlicherweise selbstständig beschäftigt.
„Mit diesem Ergebnis machen sich Scholz und Macron zu den nützlichen Trotteln von Uber und Co.“Dennis Radtke CDU-Europaabgeordneter