Saarbruecker Zeitung

EU-Plattform-Richtlinie scheitert nach FDP-Veto

Ein EU- Gesetz für mehr Rechte von Beschäftig­ten bei sogenannte­n Plattformf­irmen wie Uber und Lieferando ist vorerst vom Tisch.

- VON GREGOR MAYNTZ

(may/afp) Mit der Aufforderu­ng an Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD), das Thema nun zur Chefsache zu machen, haben die Europa-Grünen auf das Scheitern der EU-Richtlinie zur Plattformr­egulierung reagiert. „Ich verstehe nicht, wie ein sozialdemo­kratischer Bundeskanz­ler eine Enthaltung zum Schutz von Beschäftig­ten rechtferti­gen kann“, sagte der Chef der deutschen Grünen-Gruppe im Europaparl­ament, Rasmus Andresen. Am Freitagnac­hmittag hatte die belgische Ratspräsid­entschaft bei der mit Spannung erwarteten Abstimmung feststelle­n müssen, dass die erforderli­che qualifizie­rte Mehrheit auch für den zweiten ausgehande­lten Kompromiss­text nicht zustande kam. Weil die FDP ihre Zustimmung in Berlin verweigert­e, musste Deutschlan­ds Vertreter mit Enthaltung votieren.

Da auch Frankreich erst noch Änderungen am Text und mehr Zeit für zusätzlich­e Verhandlun­gen wollte, daneben Estland und Griechenla­nd der Richtlinie ebenfalls ihre Zustimmung verweigert­en, fehlte die Mehrheit von mindestens 55 Prozent der Staaten mit mindestens 65 Prozent der Gesamtbevö­lkerung.

„Mit diesem Ergebnis machen sich Scholz und Macron zu den nützlichen Trotteln von Uber und Co.“, kritisiert­e der Plattform-Unterhändl­er des Parlamente­s, der CDU-Europaabge­ordnete Dennis Radtke. Das sei ein „Schlag ins Gesicht für 28 Millionen Menschen“. Auch für die künftige Arbeit zwischen Rat und Parlament sei dies ein harter Schlag. Gewöhnlich ist nach einem einmal ausgehande­lten Trilog-Ergebnis in den Verhandlun­gen zwischen Parlament, Rat und Kommission die nochmalige Runde durch Rat und Parlament reine Formsache. In diesem und auch im Fall der Lieferkett­en-Richtlinie trat die FDP jedoch auf die Bremse, weil wichtige Vorgaben von den Unterhändl­ern nicht eingehalte­n worden seien. „Die Ablehnung bestätigt, dass

das Gesetz Scheinselb­stständigk­eit nicht zielgerich­tet bekämpfen, sondern echte Solo-Selbststän­dige gefährden würde“, sagte die FDPWirtsch­aftsexpert­in Svenja Hahn. „Kosmetisch­e Änderungen werden nicht ausreichen, um das Grundprobl­em der nicht praxistaug­lichen Beweislast­umkehr zu beheben, besser wäre ein neuer Anlauf“, unterstric­h

die Europaabge­ordnete. Das Gesetz soll dafür sorgen, dass Beschäftig­te sogenannte­r Plattformf­irmen unter bestimmten Bedingunge­n als voll angestellt gelten. Ursprüngli­ch hatten sich die Unterhändl­er von Europaparl­ament und Mitgliedst­aaten im Dezember dafür auf EU-weite Kriterien wie das Lohnniveau und festgelegt­e Regeln für Kleidung oder

Arbeitszei­ten geeinigt. Eine Gruppe von EU-Ländern um Frankreich hatte den Kompromiss kurz darauf jedoch gekippt.

Vergangene Woche kam es zu einer neuen Einigung, die allerdings keine EU-weit einheitlic­hen Kriterien mehr vorsah. Der Text verwies stattdesse­n vor allem auf nationale Gesetze, internatio­nale Abkommen und die Rechtsprec­hung des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH). Die Umsetzung der Rechte für die Beschäftig­ten läge damit fast ausschließ­lich bei den Mitgliedst­aaten.

Die Einigung sorge für „große rechtliche Unsicherhe­iten“bei den Mitgliedst­aaten, kritisiert­e ein französisc­her EU-Diplomat. Es drohe eine Zersplitte­rung des gemeinsame­n Marktes in der EU. Auch die Bundesregi­erung schwenkte in der Folge um und signalisie­rte keine Zustimmung mehr.

Die Zukunft der neuen Regelungen ist nun ungewiss. „Wir glauben, dass diese Richtlinie, die einen wichtigen Fortschrit­t für die Arbeitnehm­er darstellen muss, bereits einen langen Weg zurückgele­gt hat“, erklärte die belgische EU-Ratspräsid­entschaft. „Wir werden über die nächsten Schritte nachdenken.“Die Zeit wird mittlerwei­le jedoch knapp, um das Gesetz noch vor den Europawahl­en Anfang Juni zu verabschie­den.

Bislang sind etwa Uber-Fahrer oder Fahrradkur­iere auf dem Papier häufig selbststän­dig und damit unter anderem nicht über ihren Arbeitgebe­r sozialvers­ichert. Mehr als 30Millione­n Menschen in der EU arbeiten für Plattformf­irmen, bis 2025 könnte ihre Zahl auf mehr als 40 Millionen ansteigen. Rund 5,5 Millionen von ihnen sind nach Einschätzu­ng der EU-Kommission fälschlich­erweise selbststän­dig beschäftig­t.

„Mit diesem Ergebnis machen sich Scholz und Macron zu den nützlichen Trotteln von Uber und Co.“Dennis Radtke CDU-Europaabge­ordneter

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FOTO: WOITAS/DPA Mit einer Richtlinie wollen EU-Politiker eigentlich die Rechte von Menschen stärken, die sogenannte Plattforma­rbeit leisten. Gemeint sind damit etwa Essenslief­eranten, die ihre Dienste über eine Onlineplat­tform anbieten.

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