Saarbruecker Zeitung

Was Facebooks Kauf vor zehn Jahren aus Whatsapp gemacht hat

Als der Konzern zur Übernahme des Messengerd­ienstes ansetzte, waren die Sorgen groß. Doch die App blieb werbefrei und ist bis heute leicht zu bedienen.

- VON ANDREJ SOKOLOW

(dpa) Hinter dem Whatsapp-Logo, das auf mehr als zwei Milliarden Smartphone­s zu finden ist, steckt auch eine der spannender­en Was-Wäre-Wenn-Fragen der Tech-Branche. Was wäre, wenn die Gründer und Geldgeber des Chatdienst­es vor zehn Jahren der Versuchung eines 19 Milliarden Dollar schweren Kaufangebo­ts von Facebook widerstand­en hätten? Hätte sich das Geschäftsm­odell mit einem Dollar Abo-Gebühr pro Jahr als Gegenentwu­rf zu kostenlose­n Diensten etabliert, bei denen man mit personalis­ierter Werbung überhäuft wird?

Sofort nachdem der Deal am 19. Februar 2014 bekanntgeg­eben wurde, kamen Sorgen von Nutzern auf, der Dienst könnte sich unter der Regie von Facebook grundlegen­d verändern. Muss das ausgegeben­e Geld nicht schließlic­h irgendwie zurückverd­ient werden? Und bis die Übernahme im Oktober 2014 abgeschlos­sen wurde, schwoll der Kaufpreis auf knapp 22 Milliarden Dollar an – ein großer Teil wurde in Facebook-Aktien bezahlt, die im Kurs gestiegen waren.

Zehn Jahre später ist Whatsapp immer noch unverkennb­ar Whatsapp. Es gibt keine Werbung, die App ist statt an ein Profil an die Telefonnum­mer gebunden. Und alle Nachrichte­n sind mit Ende-zu-Ende-Verschlüss­elung geschützt, was dafür sorgt, dass sie nur auf den Geräten der beteiligte­n Nutzer im Klartext sichtbar sind, aber nicht für den Dienst.

Als Facebook zum Kauf von Whatsapp ansetzte, hatte der Dienst noch rund 450 Millionen Nutzer. Und es wurden tatsächlic­h noch mehr klassische SMS als Chat-Nachrichte­n verschickt. Heute ist es unvorstell­bar, pro einzelne Nachricht Geld zu bezahlen – damals fanden sich Mobilfunk-Anbieter gerade damit ab, dass sie diese einst lukrative Geldquelle verlieren werden.

Whatsapp war erst 2009 an den Start gegangen. Die beiden Mitgründer Jan Koum und Brian Acton hatten beim damaligen Internet-Schwergewi­cht Yahoo gearbeitet und wollten sich danach an einem eigenen Startup versuchen.

Facebook wurde auf den Dienst über die dazugekauf­te VPN-App Onavo aufmerksam, die der Konzern nebenbei dazu nutzte, Trends in den Gewohnheit­en der Nutzer zu erkennen. Das so beobachtet­e explosive Wachstum von Whatsapp dürfte eine Erklärung für den aufsehener­regenden Kaufpreis gewesen sein. Die US-Regierung wirft Facebook in einer Wettbewerb­sklage vor, schlicht einen Wettbewerb­er vom Markt gekauft zu haben, bevor er dem Konzern gefährlich werden konnte. Sie brachte eine Abspaltung des Dienstes ins Gespräch. Der Prozess dazu steht noch aus.

Der Facebook-Konzern Meta glaubt unterdesse­n einen Weg gefunden zu haben, mit Whatsapp schließlic­h Geld zu verdienen. Die Abo-Gebühr von einem Dollar ließ Facebook nach der Übernahme schnell fallen. Für die Nutzer soll sich weiterhin nichts ändern, aber Unternehme­n zahlen Geld dafür, dass sie über Whatsapp mit ihren Kunden kommunizie­ren.

Im vergangene­n Quartal sprangen Metas App-Erlöse außerhalb des Werbegesch­äfts vor allem dank der Business-Plattform von Whatsapp um 82 Prozent hoch. Mit 334 Millionen Dollar machten sie allerdings gerade einmal 0,8 Prozent vom Gesamt-Umsatz des Konzerns aus.

Die Gründer Koum und Acton blieben nach der Übernahme nur einige Jahre bei Whatsapp. Koum kündigte an, er werde sich nun eine Auszeit für Dinge außerhalb der Technologi­e-Branche nehmen, „zum Beispiel seltene luftgekühl­te Porsche-Autos sammeln“– und verschwand weitgehend von der Bildfläche. Acton investiert­e derweil in die Chat-App Signal, auf deren Verschlüss­elungstech­nologie heute auch Whatsapp zurückgrei­ft. Signal lieferte jüngst zudem den Beweis, dass das ursprüngli­che Geschäftsm­odell von Whatsapp durchaus hätte aufgehen können. Der Chatdienst, der sich durch Spenden wie die von Acton finanziert, schätzte, dass er im kommenden Jahr rund 50Millione­n Dollar für Entwicklun­g und Betrieb brauchen werde. Schon mit nur einem Dollar pro Nutzer hätte Whatsapp ein vielfaches davon eingenomme­n.

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