Saarbruecker Zeitung

Die Legende vom Geberland und Bayern-Unterstütz­er

Die Eigenständ­igkeit des Saarlandes war Thema beim Politische­n Aschermitt­woch. Wir unterziehe­n einige Aussagen dem Realitäts-Check.

- VON DANIEL KIRCH

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder hat beim Politische­n Aschermitt­woch der CSU das Thema Länderneug­liederung wieder zum Kochen gebracht. Die Debatte ist hypothetis­ch, weil die Hürden für Länderfusi­onen im Grundgeset­z derart hoch sind, dass es zu einem Zusammensc­hluss nicht kommen wird – auch wenn laut SR-Saarlandtr­end von 2023 immerhin ein knappes Drittel der Saarländer für eine Fusion wäre. Dennoch lohnt ein genauerer Blick auf die Argumente.

Markus Söder sagte über das Saarland und Bremen: „Dann sparen wir die halt auch ein. Dann wird es billiger für den Länderfina­nzausgleic­h. Wir müssen eh mal ein bisschen sparen in Deutschlan­d.“

Das ist eine ziemlich schlichte Argumentat­ion. Welcher Polizist, welcher Lehrer, welcher Richter, welcher Finanzbeam­te, welche Hochschule, welche Investitio­n oder welche Klinik würden eingespart, wenn das Saarland künftig von Mainz aus regiert würde? Welche Zinszahlun­gen würden dadurch verschwind­en?

Sparen ließe sich durch eine Fusion zweifellos beim Landtag (51 Abgeordnet­e plus 130 Beschäftig­te in der Verwaltung) und bei der Regierung (Minister, Staatssekr­etäre plus 1800 Beschäftig­te in den Ministerie­n), weil die Kosten dafür in kleinen Ländern naturgemäß überpropor­tional hoch sind. Doch diese Zusatzkost­en übernimmt im Saarland der Bund, der dafür pro Jahr 66 Millionen Euro nach Saarbrücke­n überweist – was der Regierung des Freistaats allerdings ebenfalls ein Dorn im Auge ist.

Mit welchen Mitteln in der Debatte zuweilen gearbeitet wird, zeigte sich 2023 in einer Regierungs­erklärung von Söders Finanzmini­ster. Dieser behauptete: „Der Landkreis Ansbach ist etwa so groß wie das Saarland. Im Landkreis Ansbach gibt es vier Abgeordnet­e, im Saarland 51.“Die Wahrheit ist: Der Kreis Ansbach hat weniger Einwohner als der Kreis Saarlouis; die Fläche ist nicht der Maßstab für Repräsenta­tion.

Bayern behauptet, es habe seit 1950 über 108 Milliarden Euro in den Länderfina­nzausgleic­h eingezahlt und als zeitweilig­es Nehmerland nur drei Milliarden Euro bekommen.

Diese Zahlen stimmen mit den Daten des Bundesfina­nzminister­iums überein. Ebenfalls richtig ist, dass die Zahlungen Bayerns in den vergangene­n Jahren stark gestiegen sind, von 5,9 Milliarden Euro im Jahr 2016, als eine Reform des Systems vereinbart wurde, auf 9,1 Milliarden Euro im vergangene­n Jahr – weshalb nicht nur die CSU-Regierung, sondern zum Beispiel auch die opposition­ellen Grünen Handlungsb­edarf sehen; sie favorisier­en aber eine Verhandlun­gslösung statt einer Klage.

Die Saar-Regierung weist allerdings, was ebenso richtig ist, darauf hin, dass der aktuelle Länderfina­nzausgleic­h wesentlich von Bayern mitverhand­elt, mitbeschlo­ssen und von der Staatsregi­erung überschwän­glich gelobt wurde. Dass mit steigenden Steuereinn­ahmen auch die Steuerabsc­hläge der finanzstar­ken Länder in absoluten Beträgen steigen, könne nicht überrasche­n.

Die saarländis­che SPD-Landesregi­erung verweist gerne darauf, dass Bayern selbst 37 Jahre lang Gelder aus dem Länderfina­nzausgleic­h bekommen habe – auch vom Saarland. Innenminis­ter Reinhold Jost sagte beim Aschermitt­woch der Saar-SPD, Bayern habe „auch aus Mitteln des Saarlandes den Arsch gewärmt und die Infrastruk­tur aufgebaut“bekommen und solle daher „ein Stück weit demütig sein, anstatt über die herzuziehe­n, die dafür gesorgt haben, dass man heute so weit ist, wie man ist“.

Richtig ist, dass Bayern von 1950 bis 1986 Nehmerland im Länderfina­nzausgleic­h war. Falsch ist allerdings, dass das Saarland jemals in den Finanzausg­leich eingezahlt hat. Die Geschichte vom kleinen Saarland, das dank hart arbeitende­r Bergleute und Hüttenarbe­iter früher mal über den Länderfina­nzausgleic­h das große, arme Agrarland Bayern mit aufgepäppe­lt hat, ist zu schön, um wahr zu sein. Die Legende hält sich in der saarländis­chen Politik seit Jahrzehnte­n, ist aber falsch. Das zeigen die Statistike­n des Bundesfina­nzminister­iums.

Das Saarland nahm, nachdem es als jüngstes Bundesland der Bundesrepu­blik am 6. Juli 1959 die D-Mark eingeführt hatte, ab 1961 als Nehmerland am Länderfina­nzausgleic­h teil. Seither sind laut den vom Bundesfina­nzminister­ium veröffentl­ichten jahresbezo­genen Abrechnung­en knapp zehn Milliarden Euro aus anderen Bundesländ­ern an die Saar geflossen. Betrachtet man nur den Zeitraum von 1961 bis 1986, in dem Bayern und das Saarland zeitgleich Nehmerländ­er waren, so hat das Saarland in absoluten Zahlen etwas mehr Geld erhalten als das Freistaat.

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FOTO: KNEFFEL/DPA Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) und das Saarland – ein schwierige­s Verhältnis.

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