Meisterwerk wird aus Saar-Museum abgezogen
Das Saarlandmuseum steckte eines der HauptWerke des Informel-Stars K.O. Götz, „ Jonction 3.10.90“, ins Depot. Das gefiel den Leihgebern nicht. Sie suchten eine bessere Bleibe – den Berliner Bundestag. Die Geschichte eines herben Verlustes.
Lissmann gehört nicht zu den Lauten im Land. Sonst wüssten viel mehr Saarländer, dass eine Stiftung, die den Nachlass eines der bedeutendsten Nachkriegskünstler betreut, einen Ankerpunkt in Saarbrücken hat: die K.O. Götz und Rissa Stiftung. Denn der Saarbrücker Kunstsammler Lissmann, zunächst ein Fan, dann ein Freund des Informel-Meisters Karl Otto Götz, ist Geschäftsführer der Stiftung und Vertrauter der Künstlerwitwe Karin Götz, genannt Rissa. Und in dieser Funktion wurde er vor geraumer Zeit tätig, zum Wohle von K.O. Götz (1914-2017) und zum Nachteil des Saarlandes, denn das verliert eines der Schlüsselwerke von K.O. Götz, „Jonction 3.10.90“, eine Dauerleihgabe des Künstlers. Am 13. Februar verließ das riesige, über fünf Meter lange Gemälde die Moderne Galerie – Richtung Berlin.
„Die Stiftung hat dem Deutschen Bundestag das Werk geschenkt, dort wird es dauerhaft gezeigt“, so Lissmann. Auch für das Saarlandmuseum habe diese Option mal bestanden, doch dazwischen kam offensichtlich ein Entfremdungs-Prozess. „Als Lokalpatriot tut es mir leid für Saarbrücken, aber wir sehen schon lange ein mangelndes Interesse am Informel“, sagt Lissmann. Seit Jahren – Lissmann sagt zehn bis zwölf, das Museum spricht von acht Jahren – sei „Jonction 3.10.90“nicht mehr gezeigt worden, obwohl dies im Leihvertrag als Bedingung auftauche. Nun wechselt es also seinen Standort, macht einen Aufmerksamkeits-Sprung. Mancher Kunstkenner wird sich freilich wundern, denn existiert im Bundestag nicht bereits ein „Jonction“-Gemälde, eine bräunliche Version?
Dies erklärt sich damit, dass K.O. Götz eine dreiteilige „Jonction“-Se
rie schuf, Anlass war die deutsche Wiedervereinigung. Das dem Saarlandmuseum zur Verfügung gestellte, in Schwarz-Weiß gehaltene Werk gilt als das beste und authentischste der drei Versionen, deren letzte auf 1991 datiert ist. Das Gemälde, das jetzt nach Berlin wandert, entstand am 3. Oktober 1990 in Götz` Haus im Westerwald, nachdem er im Fernsehen die Feierlichkeiten zur Wiedervereinigung verfolgt hatte. „In einem Zug (…) ungestört, als Erinnerung an diesen Tag“, so wird es in einem Text beschrieben, der zugleich die ungewöhnliche Einordnung „informelles Historienbild“verwendet. Für manchen lässt sich die Explosion wirbelnder Pinselstriche sogar
gegenständlich lesen: Die Zweiteilung nimmt Bezug auf die beiden deutschen Teilstaaten, die schwarze Farbspur könnte man als fallende Mauer interpretieren, gegen die eine horizontale Bahn, eine Menschenmasse, anrennt. „Jonction“kommt aus dem Französischen und bedeutet Wiederanknüpfung, was stärker als der Begriff „Wiedervereinigung“den Annäherungsprozess betont.
Wie kam es überhaupt zu dieser kostbaren Leihgabe? Laut Lissmann kam das Gemälde 1999 ins Saarlandmuseum, der damalige Direktor Ernst-Gerhard Güse habe den Künstler darum gebeten, habe einen späteren Ankauf in Aussicht gestellt. K.O. Götz willigte ein, denn
er war und blieb dem Saarlandmuseum seit den 80er-Jahren verbunden, seit dessen Chef Georg W. Kötzsch, der zwischen 1978 und 1988 das Haus führte, als einer der ersten in Deutschland das „Informel“zu einem Haupt-Sammelgebiet erklärte. Die Stiftung Kulturbesitz kaufte daraufhin Frühwerke von K.O. Götz an, der schenkte ihr unter anderem das Stahlrelief „Marianne“(2008), das an der Fassade hängt.
Bis heute prägt das Informel das Profil und das internationale Ansehen der Modernen Galerie. Bei weitem nicht mehr genug, meint Lissmann und verweist auf die Auflösung des Informel-Saales. Auch sei der Ankauf nie in Angriff genommen
worden, nachdem Güse 2002 die Stiftung verließ, sagt der Geschäftsführer. Trotzdem habe K.O. Götz auch in der Direktorenzeit von Ralph Melcher den Leihvertrag stillschweigend verlängert, weil bis dahin „das Museum überregional einen hervorragenden Ruf bezogen auf das Deutsche Informel genoss. Danach verwässerte sich die Hängung im Museum. Eine klare kunsthistorische Linie war nicht mehr erkennbar.“Das Ergebnis aus seiner Sicht? „Jonction“genoss in Saarbrücken keinerlei Beachtung mehr. Ganz anders in Berlin, dort war man nach Lissmanns Aussage seit je am besseren Gemälde interessiert gewesen und nehme die Gelegenheit nun wahr, sich „Jonction 3.10.90“
schenken zu lassen. Vom Bundestag gab es zu diesem Vorgang trotz Nachfrage der SZ keine Auskunft.
Lissmann spricht von einer Ausnahme: „Es besteht ein Stopp, es gibt nichts Schwierigeres, als dem Bundestag etwas schenken zu wollen.“Denn welcher Künstler oder Künstler-Erbe wollte nicht Teil der nationalen Sammlung und derart prominent platziert sein? Weshalb Lissmann auch konzediert, dass, selbst wenn das Saarlandmuseum massive Anstrengungen unternommen hätte, „Jonction“zu behalten, der Bildertausch stattgefunden hätte. Freilich weiß er von nichts zu berichten, was man als Versuch deuten könnte, die K.O. Götz Stiftung umzustimmen. Lissmann sagt, er habe zwei Versuche über das Vorzimmer der Stiftungsvorständin gemacht, mit Andrea Jahn über das Vorhaben zu sprechen und habe sehr lange auf Rückruf gewartet. In einem kurzen Gespräch habe Jahn dann lediglich ihr Bedauern über seine Entscheidung und den Verlust ausgedrückt. Wie bitter das sein muss, sagt Lissmann nicht. Nur: „Wir sehen uns nicht mehr so geschätzt wie früher.“
Die Saarbrücker Zeitung bat die Museumleitung um eine Stellungnahme zu diesem Vorgang. Sie lautet wie folgt: „Grundsätzlich verfügt die Stiftung über zahlreiche Dauerleihgaben, von denen viele nicht dauerhaft gezeigt werden können.“