Ein Haus der Hilfe in der neuen Heimat
Deutschlandweit gibt es derzeit 20 „Houses of Resources“. Bedarfsorientiert und flexibel werden Migrantenselbstorganisationen, Initiativen und Vereinen unter anderem Räume, Beratung oder Geld zur Verfügung gestellt.
bedeutet eigentlich Heimat? Ein Ort, ein Gefühl, eine Kultur? Wer sich mit der Frage beschäftigt, bemerkt unter Umständen, dass eine Antwort darauf gar nicht so einfach zu finden ist. Auch ein Blick in die gängigen Nachschlagewerke zeigt: Allgemeingültig ist hier wenig.
„Wie komme ich an – und wie kann ich mich in einem fremden Land als Person behaupten?“Diese Fragen kennt Emine Isgören nur zu gut. Mit neun Jahren kam sie als Kind eines türkischen Gastarbeiters nach Saarbrücken. Mittlerweile lebt sie seit 42 Jahren in Deutschland, hat eine eigene Familie gegründet und kämpft als Projektleiterin des House of Resources (HoR) Saar unermüdlich für Integration und Vielfalt in der Gesellschaft.
Ihre eigene Migrationsgeschichte und jahrzehntelange Erfahrung in der Vereinsarbeit verleihen ihrer Arbeit eine einzigartige Perspektive. Sie tut, was sie tut, aus tiefer persönlicher Überzeugung.
Der Weg des HoR als Zentrum für interkulturelle Netzwerkarbeit und Mikro-Förderung war mit Hindernissen gespickt: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) rief das Projekt 2021 ins Leben. Und das Bamf finanziert es zum allergrößten Teil auch.
Nachdem die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Pro Ehrenamt im Oktober 2022 die Trägerschaft aufgegeben hatte, stand die Zukunft des HoR auf der Kippe. Mithilfe der Stadt Saarbrücken konnte die Initiative gerettet werden: Denn das Bamf hatte mit dem Landesverband Saar der Arbeiterwohlfahrt (Awo) zum 1. Januar 2023 eine neue Trägerschaft vereinbart.
Neu sind der Träger – und die Räume, die das HoR im Mai vergangenen Jahres nach schwieriger Suche beziehen konnte: Es handelt sich um 170 Quadratmeter am Schillerplatz direkt gegenüber des Saarländischen Staatstheaters.
Die Räume sind der Projektleiterin sehr wichtig: „Unsere Arbeit ist sehr vielfältig. Wir fördern, beraten und betreuen Migranten-Selbstorganisationen, Initiativen und Gruppen, die sich zum Beispiel keine Räume oder Equipment leisten können.“
So gibt es ein Gemeinschaftsbüro, in dem Vereine eigene Schränke haben und ungestört ihre Arbeit ausüben können. „Und natürlich den großen Raum für ihre Mitgliederversammlung oder Veranstaltungen nutzen“, sagt Isgören und ergänzt: „Wir verleihen aber auch kostenlos Equipment wie Pavillons, Stehtische, Nähmaschinen oder Beamer.“
Das HoR stellt Gruppen und Vereinen dabei nicht nur seine Räume samt technischer Ausrüstung zur Verfügung, sondern bietet auch finanzielle Unterstützung und veranstaltet Schulungen und Workshops zur Weiterbildung und Vernetzung der Migranten. „Unser Angebot hat sich mittlerweile auch herumgesprochen“, betont Isgören.
Eine dieser Gruppen ist „SOFAntastisch“, eine theatralische Sprachförderung für mexikanische Pflegekräfte. „Alle 14 Tage treffen sie sich bei uns, um hier Theaterstücke in deutscher Sprache einzustudieren“, sagt Isgören.
Die Menschen arbeiten als Fachkräfte im Gesundheits- und Pflegebereich des Winterberg-Klinikums und in der Uni-Klinik Homburg. „Durch das Theaterspielen lernen sie, die Sprache selbstsicher anzuwenden“, erklärt die Projektleiterin. Auch der Aufbau eines sozialen Umfeldes spiele eine wichtige Rolle.
Das Projekt erinnert Isgören an ihre eigene Geschichte: „Mein Vater wurde damals auch als Gastarbeiter angeworben. Er hatte eine Wohnung, eine Arbeit – und das war's. Für alles andere hat sich niemand interessiert. Er wusste nicht, wohin er gehen kann, mit wem er am Wochenende zusammenkommen kann – und ich spüre das bei den mexikanischen Pflegekräften auch.“
Genau deshalb sei das Projekt so wichtig. Denn es gehe bei „SOFAntastisch“auch darum, das soziale Umfeld aufzubauen und zu stärken. Isgören begleitet und fördert das Projekt seit zwei Jahren. Sie weiß, dass viele der Arbeitsmigranten nicht auf Dauer ohne ihre Angehörigen in Deutschland leben möchten. Sie kämpfen damit, Familienzusammenführungen zu beantragen.
„Da kriegt man auch mit, wie problematisch das für Menschen ist, mit dieser Sehnsucht umzugehen. Ich meine, diese Menschen sind für uns da, um ihre Dienstleistungen anzubieten. Aber sie sind ganz alleine. Und wir dürfen uns nicht damit zufriedengeben, indem wir sagen, wir haben ihnen Arbeit und Wohnung gegeben. Wir wollen ja die Fachkräfte behalten. Ohne ein soziales Umfeld geht das aber nicht.“
„Wir fördern, beraten und betreuen MigrantenSelbstorganisationen, Initiativen und Gruppen, die sich zum Beispiel keine Räume oder Equipment leisten können.“Emine Isgören über die Hilfsangebote im House of Resources
Neben laufenden Veranstaltungen wie beispielsweise der theatralischen Sprachförderung und dem regelmäßigen Austausch der „Ukraine Freunde Saar“stehen weitere Projekte wie das „Café Zusammenwachsen“und das „Frauennetzwerktreffen“bereits in den Startlöchern. Projekt-Ziel ist es, eine
Austausch-Plattform für Frauen im Zentrum der Stadt zu bieten.
Bei den ersten Treffen gehe es erst einmal um eine „Bedarfsanalyse“, um zu ermitteln, was die Frauen benötigen und sich wünschen.
Mit einem erweiterten Raumangebot, einer starken Trägerschaft durch die Awo und der fortgesetzten
finanziellen Unterstützung durch das Bamf und die Stadt Saarbrücken steht das House of Resources Saar jetzt auf einem soliden Fundament.
Emine Isgören blickt optimistisch in die Zukunft und kämpft weiter, um Vielfalt und Integration in Saarbrücken und dem Saarland voranzubringen.