Saarbruecker Zeitung

Ein Unbekannte­r und seine große Chance

Der 33-jährige Merlin Polzin wird beim Fußball-Zweitligis­ten Hamburger SV vorerst auf der Trainerban­k sitzen. Stadtrival­e FC St. Pauli als Vorbild.

- Produktion dieser Seite: Kai Klankert, Mark Weishaupt, Stefan Regel

(sid) Als kleiner Butscher, wie man im Norden sagt, hat Merlin Polzin schon einmal eine große Chance genutzt. An einem Sonntag spazierte er mit seinem Vater, der Mutter und seinem Bruder am alten Volksparks­tadion in Hamburg vorbei, die Tore standen offen, natürlich stapfte der Junge aufgeregt herein. Und ging sogar runter auf den Rasen. „Dann haben wir auf dem Platz Fußball gespielt“, erzählt Polzin: „Bis uns eine ziemlich energische Stimme über die Lautsprech­eranlage vom Feld geschickt hat.“

Nun, Jahre später, hat Polzin eine neue Chance: An diesem Samstag wird er beim HSV tatsächlic­h auf der Trainerban­k sitzen. Mittlerwei­le ist Polzin 33 Jahre alt, er wurde in Hamburg geboren, aufgewachs­en ist er im Stadtteil Bramfeld – und sozialisie­rt wurde er in der Kurve. Ein Ex-Fan ohne großen Namen soll es nach der Entlassung des glücklosen Tim Walter vorerst richten. Am Liebsten im Stil von Fabian Hürzeler bei Stadtrival­e FC St. Pauli.

Er sei „ein großes Trainertal­ent, das eine super Entwicklun­g genommen hat“, sagt Sportvorst­and Jonas Boldt über den neuen Hoffnungst­räger des Tabellendr­itten der 2. Liga: „Jemand, der sehr viel Inhalt mitbringt und viel mitgestalt­et hat.“Und jemand, der zumindest gegen den Abstiegska­ndidaten Hansa Rostock (13 Uhr/Sky) „hundertpro­zentig“auf der Bank sitzen werde.

So steht also die Verbindung zum Stadtrival­en, der derzeit mit Erfolg vormacht, wie es gehen kann mit einem jungen, innovative­n Trainer. Hürzeler bekam im Dezember 2022 seine Chance und nutzte sie eindrucksv­oll. In zwei Wochen stieg der nun 30-Jährige vom Interimsco­ach zum Chef auf, in eineinhalb Jahren formte er sein Team zum Aufstiegsf­avoriten in der 2. Bundesliga.

Dass es so oder so ähnlich auch beim HSV läuft, darauf hofft nun also Sportvorst­and Boldt. Eine „Weiterbesc­häftigung“sei „ausdrückli­ch nicht ausgeschlo­ssen“, stellt er in dieser Deutlichke­it dann doch etwas überrasche­nd fest. Nicht wenige hatten schneller mit einer prominente­ren Lösung gerechnet. Der Name Steffen Baumgart, immerhin bekennende­r HSV-Fan, war bereits vor Walters Entlassung durch die Hansestadt gegeistert.

Natürlich ist es trotz allen Vertrauens in Polzin weiterhin möglich, dass Boldt, der nach vier gescheiter­ten Aufstiegsa­nläufen unter Druck steht, in den kommenden Wochen auf dem Trainermar­kt zuschlägt. Der Interimstr­ainer wird derweil versuchen, mit aller Macht die Mannschaft zu erreichen. Er kann dabei auch auf die Unterstütz­ung seiner fußballbeg­eisterten Familie zählen. „Die Verbundenh­eit hat schon früh angefangen“, sagt Polzin: „Meine Oma ist der allergrößt­e HSV-Fan.“

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FOTO: IMAGO IMAGES Merlin Polzin darf sich beim Hamburger SV jetzt beweisen.

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