Saarbruecker Zeitung

Im Haus der vielen Hinterzimm­er

Für die Teilnehmer wurde die Münchner Sicherheit­skonferenz zu einer Terminhatz ohne Pause. Drei Tage Speed-Dating der internatio­nalen Diplomatie.

- VON HOLGER MÖHLE

MÜNCHEN Wer trifft wen? Wann? Und wo? Ein Hotel mit Ballsaal, Dachterras­se, fünf Restaurant­s, sechs Bars, 337 Zimmern, davon 74 Suiten, 40 Veranstalt­ungsräumen, geschwunge­nen Treppen, langen Fluren. Vielleicht ist der Flüstertep­pich noch wichtig, weil er Geräusche schluckt. Wenn sich die Weltpoliti­k einmal im Jahr für drei Tage im Hotel „Bayerische­r Hof“einschließ­t, soll vieles von dem, was dort besprochen wird, nicht öffentlich werden. Antony Blinken freut sich wieder da zu sein. Im

Hauptquart­ier der Hinterzimm­erDiplomat­ie. Was die Münchner Sicherheit­skonferenz für den US-Außenminis­ter bedeutet, beschreibt er mit einem Wort: „Speed-Dating“. Auch seine deutsche Amtskolleg­in Annalena Baerbock sagt schlicht: „Speed-Dating“.

Im Takt von 15, 20 oder 30 Minuten wechseln ihre Gesprächsp­artner. Es würde nicht verwundern, könnten sie sich wegen der permanente­n Rotation teilweise die Namen nicht merken, weswegen es sicherer ist, vom „lieben Kollegen“oder der „lieben Kollegin“zu sprechen. Ukraine-Krieg hier, Gaza-Krieg da,

Taiwan-Krise dort, Iran-Aufstand wiederum da. Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius frühstückt mit US-Kongressab­geordneten, absolviert dann Termine mit den Amtskolleg­en aus Singapur, Malaysia, Republik Moldau und Armenien. Baerbock wiederum trifft an einem Tag die Außenminis­ter aus Irak, China, Argentinie­n und der Türkei. Nebenbei noch etwas netzwerken in Sachen feministis­cher Außenpolit­ik.

Die G7-Außenminis­ter beraten zwischendu­rch auch noch. Mit ihrem US-Kollegen Blinken und dem indischen Außenminis­ter Subrahmany­am Jaishankar sitzt Baerbock dann mittags auf dem Podium. Jaishankar verteidigt dabei, dass sich sein Land in der Debatte über den russischen Angriffskr­ieg nicht klar auf die Seite der Ukraine schlage. „Besonders kluge Partner eröffnen sich viele Optionen“, sagt der Inder. Dann geht es weiter: SpeedDatin­g. Selbst das große Hotel „Bayerische­r Hotel“ist für so viel Diplomatie mittlerwei­le zu klein geworden, dass die Ministerin­nen und Minister teilweise schon ins benachbart­e „Rosewood“, ebenfalls ein Fünf-Sterne-Haus, im Gebäude der ehemaligen Bayerische­n Staatsbank ausweichen müssen.

Über allem schweben thematisch die großen Krisen. Die Lage in Gaza, vor allem in der Flüchtling­sstadt Rafah, letzter Zufluchtso­rt der Terrormili­z Hamas, drängt dabei besonders. Baerbock und Blinken forcieren die Zwei-Staaten-Lösungen, weil Israel nur sicher leben werde, wenn auch die Palästinen­ser ihren eigenen Staat haben. 24 Stunden täglich arbeite man für eine Lösung, die auch eine humanitäre Feuerpause für die hungernde Zivilbevöl­kerung und im besten Fall auch einen Geiselaust­ausch bringen soll. „Wir wollen den Silberstre­if nicht aus den Augen verlieren“, erinnert

Blinken an das Prinzip Hoffnung, bevor er in das nächste „Bilateral“entschwind­et, wie im Diplomaten­Jargon die Treffen der Außenminis­ter von zwei Ländern genannt werden. Der chinesisch­e Chefdiplom­at Wang Yi spricht von der Ein-Staaten-Lösung. Er meint sein Land und die „Ein-China-Politik“der Regierung in Peking im Konflikt mit dem Inselstaat Taiwan. Wang Yi: „Taiwan bleibt Teil des chinesisch­en Territoriu­ms. Es ist eine innerchine­sische Angelegenh­eit.“Die Botschaft ist klar: Das Ausland soll sich am besten raushalten. Selbst in den Hinterzimm­ern beim Speed-Dating.

Newspapers in German

Newspapers from Germany