Saarbruecker Zeitung

„Das wäre eine historisch­e Katastroph­e“

Der CDU-Außenexper­te warnt davor, dass durch einen russischen Sieg in der Ukraine der Krieg sich ausweiten und Deutschlan­d näherkomme­n würde.

- Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r Markus Saeftel, Lucas Hochstein DAS INTERVIEW FÜHRTE HOLGER MÖHLE.

BERLIN CDU-Außenpolit­iker Norbert Röttgen spricht über die Bedeutung von Marschflug­körpern des Typs „Taurus“für die Ukraine und zur Wahrschein­lichkeit eines Angriffs von Russland auf ein NatoLand.

Herr Röttgen, warum verweigert Bundeskanz­ler Olaf Scholz weiter die Lieferung von „Taurus“an die Ukraine und auch eine Erklärung für den Grund, warum er nicht liefern will? Wird Deutschlan­d von Russland erpresst und die Öffentlich­keit weiß es nur nicht?

RÖTTGEN Die Weigerung des Kanzlers, Taurus zu liefern, ist unverantwo­rtlich, und die Weigerung, das zu begründen, ist inakzeptab­el. Ich glaube, der Kanzler und die Mehrheit der SPD verfolgen im Kern nach wie vor eine andere Russlandpo­litik. Sie nehmen an, dass Russland nach dem Krieg auch wieder eine konstrukti­ve Rolle spielen kann. Darum weigert sich der Kanzler zu sagen, dass die Ukraine gewinnen muss und weil Taurus natürlich keine Wunderwaff­e, aber hochwirksa­m wäre, hält er sie zurück – als Signal an Russland und zum Nachteil der Ukraine. Weil es so ist, sagt er es nicht öffentlich.

Ist die Ukraine aktuell näher an einer militärisc­hen Niederlage oder ist Russland näher an einem militärisc­hen Sieg?

RÖTTGEN

Weder noch, es ist ein fürchterli­cher, verlustrei­cher Stellungsk­rieg. Allerdings geht das militärisc­he Momentum zunehmend auf Russland über. Russland hat inzwischen eine fünffache Munitionsü­berlegenhe­it. Das ist die direkte Folge der mangelnden Lieferung und Produktion von Munition durch den Westen unter Einschluss Deutschlan­ds. Es war seit Mitte des letzten Jahres völlig klar, dass die Lage, die wir jetzt haben, eintritt, wenn die Produktion etwa in Deutschlan­d nicht hochgefahr­en wird.

Was bedeutet es für Europa und für die Nato, sollte Wladimir Putin in der Ukraine gewinnen?

RÖTTGEN Das wäre eine historisch­e Katastroph­e. Dann hätte sich Krieg als Mittel der Politik gelohnt, der Krieg würde in Europa bleiben, sich ausweiten und uns näherkomme­n. Das würde auch internatio­nal Schule machen und China würde sich ermutigt sehen, zu einem passenden Zeitpunkt Taiwan anzugreife­n.

Trauen Sie Putin einen Angriff auf ein Nato-Land zu?

RÖTTGEN Ich nehme das vorläufig nicht an. Putin ist ja bei allen Verwüstung­en, die er anrichtet, umfassend gescheiter­t. Er ist weit davon entfernt, sich einen Konflikt mit der Nato leisten zu können. Das kann sich aber ändern, zum Beispiel wenn Putin sich in der Ukraine durchsetzt oder wenn Donald Trump gewählt wird und er dann als Präsident der USA die Glaubwürdi­gkeit der Nato von innen aushöhlt.

Der Gaza-Krieg ist das nächste Pulverfass: Was kann den israelisch­en Ministerpr­äsidenten Benjamin Netanjahu abhalten, in der Stadt Rafah eine militärisc­he Offensive anzuordnen, der Tausende Zivilisten zum Opfer fallen? Wie kann eine Feuerpause vereinbart und wozu müsste sie genutzt werden?

RÖTTGEN Das israelisch­e Kriegskabi­nett ist zu dieser Offensive entschloss­en und hat dafür eine sehr große Mehrheit in der Bevölkerun­g. Eine Feuerpause dürfte nicht dazu genutzt werden, dass die Hamas sich reorganisi­ert und wieder stärker wird. Genau hier liegt das Problem.

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FOTO: KAPPELER/DPA CDU-Außenpolit­iker Norbert Röttgen vermutet hinter der Weigerung von Kanzler Scholz, „Taurus“an die Ukraine zu liefern, auch parteitakt­ische Erwägungen der SPD.

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