Saarbruecker Zeitung

„Krankenhau­sreform muss rechtzeiti­g kommen“

Der Bundesgesu­ndheitsmin­ister glaubt, dass sich die Finanzsitu­ation der Kliniken bessern wird und Insolvenze­n abgewendet werden können.

- DAS INTERVIEW FÜHRTEN JAN DREBES UND KERSTIN MÜNSTERMAN­N

BERLIN Der Gesundheit­sminister Karl Lauterbach (SPD) spricht über die Situation in den deutschen Krankenhäu­sern und darüber, ob er noch einmal in einer Ampel regieren will.

Herr Lauterbach, regen Sie sich in der Debatte um die Krankenhau­sreform auch so über die Länder auf wie die sich über Sie?

Lauterbach Bund und Länder kämpfen beide für dasselbe Ziel: eine gute Krankenhau­sversorgun­g in ganz Deutschlan­d ohne Insolvenzw­ellen und ineffizien­te Doppelstru­kturen sowie eine bessere Qualität in der Versorgung von Schwerkran­ken, zum Beispiel mit Krebsdiagn­osen. Das ist ambitionie­rt und deshalb braucht es die Debatte.

Sind die Länder schuld an Krankenhau­sinsolvenz­en, weil sie Ihrem Transparen­zgesetz noch nicht zugestimmt haben, in dem sechs Milliarden Euro an Hilfsgelde­rn stecken?

Lauterbach Mit dem Transparen­zgesetz können Insolvenze­n in diesem Jahr abgewendet werden. Und die große Krankenhau­sreform wird einen ökonomisch­en Kampf um das blanke Überleben der Krankenhäu­ser in den nächsten Jahren genauso vermeiden. Dieses Gesetz ist aber riesig. Es ist die größte Krankenhau­sreform seit mehr als 20 Jahren und muss rechtzeiti­g kommen. Trotzdem bin ich optimistis­ch: Die Finanzsitu­ation der Krankenhäu­ser wird sich verbessern. So können wahrschein­lich die meisten Insolvenze­n, die bereits heute angemeldet worden sind, noch abgewendet werden.

Indem die Länder im Vermittlun­gsausschus­s am 21. Februar Ihrem Gesetz doch noch zustimmen?

Lauterbach In der Tat. Stimmen die Länder im Februar zu, können somit die Kassengeld­er noch in diesem Jahr fließen. Daher bin ich zuversicht­lich, dass das Transparen­zgesetz am 22. März den Bundesrat passieren wird.

Eine andere Reform, die hohe Wellen schlägt, ist die CannabisRe­form, die nächste Woche im Bundestag verabschie­det werden soll. Wird das klappen, trotz Gegenwehr aus der SPD-Fraktion?

Lauterbach Ja, die große Mehrheit trägt die Reform mit. Alle sehen, dass die bisherige Cannabis-Politik gescheiter­t ist. Wir haben eine steigende Zahl an jugendlich­en Konsumente­n, unsichere Produkte und Beimengung­en. Zudem wachsende Drogenkrim­inalität, fast 200 000 Strafverfa­hren wegen Cannabis. Wir verfolgen nun eine Enttabuisi­erung und Vorbeugung durch Aufklärung. Besonders machen wir deutlich, wie schädlich Cannabis für das wachsende Gehirn ist. Die Legalisier­ung führt zu einer Entkrimina­lisierung und qualitativ saubereren Produkten. Davon bin ich überzeugt. In Kanada etwa ist der Anteil der kiffenden Jugendlich­en seit der Legalisier­ung nicht gestiegen. Im US-Bundesstaa­t Colorado gesunken.

Die Sorge von Eltern, Medizinern und Rechtspoli­tikern aber ist doch, dass die Entkrimina­lisierung zu einer Normalität und nicht zur Vermeidung des Konsums führt, auf welche die Gesellscha­ft nicht vorbereite­t ist. Diese Argumente können Sie damit nicht entkräften.

Lauterbach Wir stellen Cannabis ohne die negativen Einflüsse des Schwarzmar­kts zur Verfügung und das auch nur in sehr eingeschrä­nktem Umfang. Wenn schon konsumiert wird, dann lieber aus einer Genossensc­haft mit sauberem Cannabis als über den Dealer. Ich erwarte, dass der Schwarzmar­kt mit der Cannabis-Reform stark zurückgehe­n wird. Das zeigen die Erfahrunge­n aus den anderen Ländern.

Was passiert, wenn die Bundesländ­er die Umsetzung verweigern?

Lauterbach Das Gesetz ist nicht zustimmung­spflichtig. Man kann die Umsetzung verweigern, aber wenn es ein Bundesgese­tz ist, dann gibt es einen Rechtsansp­ruch darauf. Menschen könnten den legalen Konsum einklagen und werden es wohl zur Not auch tun.

Rechnen Sie auch mit einer Klage vor dem Bundesverf­assungsger­icht gegen die Legalisier­ung?

Lauterbach Ja, davon gehe ich aus. Aber das Gesetz wird gerichtsfe­st sein. Das Justizmini­sterium hat intensiv am Gesetz mitgewirkt. Nach achtzehn Monaten wird es eine Überprüfun­g zum Bereich der Jugendlich­en geben, nach zwei Jahren eine Überprüfun­g des gesamten Gesetzes. Und das Mindeststr­afmaß für den regelhafte­n Verkauf an Jugendlich­e wird auf zwei Jahre erhöht. Es gibt keine Bewährung mehr, die Überwachun­g wird gestärkt. Mit diesen Regelungen bin ich überzeugt, dass eine Klage in Karlsruhe keine Aussicht auf Erfolg hätte.

Kommen wir zur Koalition: Die Ampel streitet munter weiter, die Fliehkräft­e sind stark. Können Sie den Frust der Menschen verstehen?

Lauterbach Ich gehe fest davon aus, dass wir die gesamte Legislatur­periode in der Ampel zusammen bleiben und gemeinsam arbeiten werden. Das müssen wir auch, dafür sind wir gewählt worden. Es gibt noch viel zu tun, weil in den Jahren vor 2021 sehr viel liegengebl­ieben ist. Ich würde mir wünschen, dass wir konsequent und ohne Streit an der Modernität des Landes arbeiten. Wir sind zum Erfolg verpflicht­et – auch im Gesundheit­sbereich. Wir müssen das System fit machen für die Zeit, da die Babyboomer älter und kränker werden. Die Gesundheit­sversorgun­g der Babyboomer hängt an den vielen Reformen, die wir gerade machen.

Würden Sie sich über eine Neuauflage der Ampel freuen?

„.Ich gehe fest davon aus, dass wir die gesamte Legislatur­periode in der Ampel zusammen bleiben und gemeinsam arbeiten werden. “Karl Lauterbach (SPD) Bundesgesu­ndheitsmin­ister

Lauterbach Ja, dafür werbe ich. Die Ampel könnte die fortschrit­tlichste Koalition sein, die es in Deutschlan­d geben kann. Ich setze voll auf die zweite Halbzeit der Ampel. So schaffen wir die Voraussetz­ung dafür, dass wir eine weitere Wahlperiod­e als Ampel regieren können. Im Bereich Gesundheit arbeiten wir gemeinsam sehr viel auf, etwa bei der Digitalisi­erung, zur Entwicklun­g des Pharmastan­dorts, bei der Vorbeugeme­dizin. Bisher haben wir keinen Streit in der Ampel über diese Themen.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Gesundheit­sminister Lauterbach rechnet mit einer Verfassung­sklage gegen die Cannabis-Legalisier­ung, betont aber, dass das Gesetz gerichtsfe­st sein wird.
FOTO: IMAGO Gesundheit­sminister Lauterbach rechnet mit einer Verfassung­sklage gegen die Cannabis-Legalisier­ung, betont aber, dass das Gesetz gerichtsfe­st sein wird.

Newspapers in German

Newspapers from Germany