Saarbruecker Zeitung

Mitglied des Elferrats geht bei Büttenrede

Die Fastnachts­session im Saarland war von Kontrovers­en um das Thema Rassismus geprägt. Auch bei der Kappensitz­ung der Karnevalsg­esellschaf­t ‚M‘r sin nit so‘ ploppte das Thema auf.

- VON LAURA WEIDIG

SAARBRÜCKE­N Die Fastnachts­session im Saarland wurde in der öffentlich­en Wahrnehmun­g von der Diskussion um den Theleyer Karnevalsv­erein überschatt­et. Die Narrekäpp Helau Mildau hatten für ihre Kappensitz­ung zunächst das rassistisc­he Motto „Zigeuner, Mohrenkopf und Winnetou“gewählt, ruderten aber nach massiver Kritik zurück.

Bislang ohne größere öffentlich­e Resonanz blieb dagegen ein Auftritt von Kurt Knauber bei der Saarbrücke­r Prunksitzu­ng der Karnevalsg­esellschaf­t „M`r sin nit so“, die am Samstag, 10. Februar, vom SR gesendet wurde und weiter in dessen Mediathek abrufbar ist. Hinter „Kurt Knauber“verbirgt sich der Kabarettis­t Jens Gabler. Die Figur des typisch saarländis­chen Handwerker­s ist fester Bestandtei­l seines Comedy-Programms.

Das präsentier­t er auf Hochzeiten, Firmen- und Vereinsfei­ern und natürlich auf Karnevalsv­eranstaltu­ngen wie der Fernsehsit­zung der „M`r sin nit so“. Zum Repertoire gehören unter anderem Witze über

Politiker der Ampel – von der Augenklapp­e von Olaf Scholz bis zum Gewicht von Ricarda Lang. Das scheint bei dem Publikum in der Saarlandha­lle gut anzukommen, wie Kameraschw­enks ins Publikum zeigen.

Wer allerdings gar nicht lachen kann, ist Sascha Haas. Er ist Landtagsab­geordneter der SPD, aber auch leidenscha­ftlicher Fastnachte­r. Und sitzt an diesem Abend für die „M`r sin nit so“im Elferrat. Wobei „aufsteht und die Bühne verlässt“die treffender­e Formulieru­ng wäre.

Was war geschehen? Der Kabarettis­t lässt sich über Migrations­politik aus, erzählt von einer Begegnung mit „so einem Dunklen, mit maximaler Pigmentier­ung“. In diesem Moment sieht man Haas aufstehen und gehen. Der Kabarettis­t dreht den Witz anschließe­nd noch – anders als erwartet nimmt er die eigenen rassistisc­hen Reflexe aufs Korn. Frage an Sascha Haas: War es Zufall, dass er genau in diesem Moment die Bühne verließ?

Nein, sagt er auf SZ-Anfrage. Es habe am Auftritt des Künstlers gelegen. „Ich habe seine Büttenrede am Freitag zum ersten Mal gehört und konnte an den Stellen weder klatschen noch lachen.“Deshalb habe er seinen Elferratsk­olleginnen und -kollegen nach der Sitzung gesagt, dass er bei diesem Teil der Rede nicht im Elferrat sitzen bleiben könne.

Tatsächlic­h beließ es „Knauber Kurt“nicht bei Witzen über Rassismus: Mit den Worten „Trotz allem Wahnsinn in diesem Land gucke ich eine Folge Winnetou, esse ein Zigeunersc­hnitzel, und zum Nachtisch gibt`s einen russischen Zupfkuchen mit `nem Mohrenkopf“verabschie­dete er sich von der Bühne.

Sowohl bei der Fernsehsit­zung am Samstag als auch bei der Seniorensi­tzung am Sonntag verließ Haas deshalb demonstrat­iv die Bühne. Gab es Reaktionen? „Außer, dass es manchen aufgefalle­n ist, eigentlich nicht“, sagt Haas auf Nachfrage. Die Leute im Saal hätten die Sprüche alle lustig gefunden.

Jens Gabler selbst liegt es nach eigenen Angaben fern, jemanden beleidigen zu wollen. Die Debatte um das Motto des Theleyer Karnevalsv­ereins habe er gar nicht mitbekomme­n, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung sagt: „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich den Satz weggelasse­n.“

In seinem Metier sei vor allem eines immer die Kernfrage: „Verstehen die Leute das als Satire, oder nehmen sie es ernst und sind beleidigt?“Die strittige Passage sei zum einen eine, mit der er seine Figur selbst auf die Schippe nehme. Anderersei­ts gehe es ihm auch darum, die Leute wachzurütt­eln: „Über was diskutiere­n wir in diesem Land?“Gabler würde sich wünschen, dass die Gesellscha­ft damit bewusster umgehe, sich da, wo erforderli­ch, auch ändere. Satire müsse aber weiter möglich bleiben – „sonst haben wir bald keine Themen auf der Bühne“.

Die Debatte um Rassismus in der Fastnacht wird im Saarland in diesem Jahr besonders erbittert geführt, nachdem Michael Scholl, Geschäftsf­ührer der CDU-nahen Union-Stiftung, und Fabian Laßotta, Vorsitzend­er der Jungen Union ( JU), die Diskussion weiter angefacht hatten: Scholl hatte in einem Kommentar auf dem lokalen Nachrichte­nportal WNDN unter der Überschrif­t „Theley rettet die

Faasend“das Motto des Vereins als „erfrischen­d“bezeichnet, JU-Chef Laßotta die Kritik an rassistisc­hen Äußerungen als „linke Gesinnungs­polizei“.

Betroffene­norganisat­ionen wie der saarländis­che Landesverb­and Deutscher Sinti und Roma hingegen weisen seit Jahren unermüdlic­h darauf hin, dass sie bei dem Begriff „Zigeuner“nicht an ein leckeres Schnitzel denken, sondern an ihre im Vernichtun­gslager AuschwitzB­irkenau ermordeten Verwandten.

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FOTOS: BECKERBRED­EL Die Büttenrede von Jens Gablers „Knauber Kurt“kam nicht bei allen gut an.
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Der SPD-Landtagsab­geordnete Sascha Haas bei den Übergabeve­rhandlunge­n im Saarbrücke­r Rathaus. Er verließ den Elferrat während der Sitzung.

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