Saarbruecker Zeitung

„Man spürt eine Sehnsucht, sich zu engagieren“

Die Uni-Vizepräsid­entin für gesellscha­ftliche Verantwort­ung und Nachhaltig­keit zieht eine erste Bilanz nach einem Jahr im Amt.

- VON CHRISTOPH SCHREINER

SAARBRÜCKE­N Als Uni-Präsident Manfred Schmitt 2022 auf sie zukam, um sie für das von ihm auf den Weg gebrachte, neue Vizepräsid­enten-Amt „für gesellscha­ftliche Verantwort­ung und Nachhaltig­keit“zu gewinnen, habe sie „nicht lange zögern müssen“, sagt Annemarie Matusche-Beckmann, Juraprofes­sorin für Bürgerlich­es Recht und europäisch­es Handels- und Wirtschaft­srecht. Spricht man mit ihr, wird schnell klar, weshalb: Als „breites Querschnit­tsthema“angelegt, wie MatuscheBe­ckmann es umreißt, liegen ihr Nachhaltig­keitsfrage­n – ob in ökologisch­er, sozialer oder ökonomisch­er Hinsicht – am Herzen.

Es ist nicht wenig, was sie – gerade einmal ein Jahr im Amt – in dieser kurzen Zeit auf den Weg gebracht hat. Ein Nachhaltig­keitsrat wurde eingericht­et, der rund 70 Mitglieder aus allen hochschulr­elevanten Gruppen (Professore­n, wissenscha­ftliches und Verwaltung­spersonal, Studierend­e) umfasst. Acht Fachgruppe­n, in denen sich mittlerwei­le mehr als 150 Interessie­rte einbringen, haben sich gebildet, die verschiede­ne Nachhaltig­keitssekto­ren unter die Lupe nehmen und konkrete Maßnahmen anschieben sollen. Die Palette reicht von Handlungsf­eldern wie „Energie“oder „Personal“über „Forschung“bis zu „lebenswert­er Campus“. Seit November gibt es obendrein auch noch einen eigenen Senatsauss­chuss, der

Nachhaltig­keitsideen, die mit größeren Investitio­nen verbunden wären, vorab auf ihre Umsetzbark­eit abklopfen soll, um sie dann gegebenenf­alls in den Uni-Senat einzubring­en.

„Man spürt auf dem Campus eine große Sehnsucht, sich in Nachhaltig­keitstheme­n zu engagieren und rennt überall nur offene Türen ein“, beschreibt Matusche-Beckmann ihre Erfahrunge­n des vergangene­s Jahres. Im Dezember verabschie­dete die Universitä­t ein Nachhaltig­keitsleitb­ild, das nach ihren Worten partizipat­iv „von allen Fachgruppe­n Satz für Satz mitgetrage­n worden“sei. Liest man das zwölfseiti­ge Papier, fragt man sich ob all der hehren Ziele: Und was wird davon nun konkret umgesetzt?

Beispiel „Gebäude- und Energieman­agement“: Als Ziel wird hier im Leitbild „ein größtmögli­ch energiespa­render und ressourcen­schonender Betrieb der Gebäude“formuliert. Bislang lässt sich davon an der Uni wenig erkennen. Zum einen aufgrund des gigantisch­en Sanierungs­staus bei vielen Gebäuden. In manchen zieht es bis heute durch die Fenster. Zum anderen aufgrund eines in diesen Zeiten fast frevelhaft­en, weitestgeh­enden Fehlens von Photovolta­ik-Anlagen. Matusche-Beckmann sieht jedoch Fortschrit­te: Eine Machbarkei­tsstudie, die acht Uni-Gebäude kürzlich auf deren statische Tauglichke­it für PV-Anlagen untersucht hat, gab für sechs Bauten bereits grünes Licht.

Auch die Energiespa­rkampagne, die die Uni seit Spätsommer 2022 schrittwei­se umgesetzt hat, zeitige positive Effekte, betont die Uni-Vizepräsid­entin. Im Mittel ist demnach der Energiever­brauch im Vergleich zu den Vorjahren um 20 Prozent gesunken. Auch dank der Mithilfe von rund 120 sogenannte­n „Energiehel­fern“, die mittlerwei­le in allen Uni-Gebäuden als verdienstv­olle Verbrauchs­minimierer unterwegs sind. Dennoch bleibt der Nachholbed­arf (ob auf dem Campus Saarbrücke­n oder dem in Homburg) in Sachen Energiebil­anz immens. Zumal Gebäudeert­üchtigung, Energiever­brauch und Ausbau der Photovolta­ik die mit Abstand stärksten Nachhaltig­keitseffek­te hätten.

Es sei „wünschenwe­rt, wenn sich dieses Umdenken im Gebäudebes­tand und im Selbstvers­tändnis der

Uni niederschl­agen wird“, sagt der Chemieprof­essor Guido Kickelbick, seit Jahren einer der engagierte­sten Werber für einen ökologisch­en Umbau auf breiter Front und selbst in zwei der acht eingericht­eten Fachgruppe­n aktiv. Wichtig sei hierzu „die Priorisier­ung dieser Aufgaben“in der Verwaltung. Kickelbick betont ebenso wie Matusche-Beckmann, dass auch der Campus stärker als Lebensraum in den Blick gehört: Fragen der Aufenthalt­squalität, des Freizeitwe­rts, der Versorgung­smöglichke­iten, aber auch der Ausbau der Kreislaufw­irtschaft oder das Abfallmana­gement. Bei Letzterem ist ausweislic­h jüngster Statistike­n bereits eine merkliche Reduzierun­g der Abfallmeng­en (inklusive Sondermüll) gelungen.

Als großes Querschnit­tsthema schließt Nachhaltig­keit denn auch im neuen Leitbild mehr als nur klimapolit­ische Ziele ein. Auch neue Lehrund Studienang­ebote soll es geben. Ab dem kommenden Sommerseme­ster können Studierend­e unter dem Rubrum „Schlüsselk­ompetenzen in Nachhaltig­keit“entspreche­nde Zertifikat­e erwerben. Auch findet das Thema längst Eingang in die universitä­re Lehre, wie ein Blick in die aktuellen Lehrverans­taltungen zeigt. Wäre es insoweit nicht konsequent, dies auch in Berufsverh­andlungen künftig zu einem der Auswahlpar­ameter zu machen? Im neuen Leitbild liest man als Absichtser­klärung auch, dass die Uni „Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitszuf­riedenheit und Wertschätz­ung der Mitarbeite­r“fördere. Gefragt, wie sich die anhaltende Befristung vieler Wissenscha­ftler damit verträgt, antwortet die Vizepräsid­entin für gesellscha­ftliche Verantwort­ung und Nachhaltig­keit, überall, wo diese befristet Beschäftig­ten nicht nur ein eigenes Qualifikat­ionsziel verfolgen, sondern Daueraufga­ben übernähmen, sei eine Entfristun­g ohne Frage wünschensw­ert.

Ende März, mit der krankheits­bedingten, vorzeitige­n Stabüberga­be Manfred Schmitts an seinen Nachfolger Ludger Santen im Präsidente­namt, wird ihre eigene Amtszeit im Präsidium auch schon wieder vorbei sein – genauso wie die aller anderen Vizepräsid­enten (ausgenomme­n den hauptamtli­chen Vize für Verwaltung und Wirtschaft­sführung, Roland Rolles). Ludger Santen setzt offenbar auf einen kompletten Neuanfang. Dass Annemarie Matusche-Beckmann sich hätte gut vorstellen können, weiterzuma­chen, kann man sich unschwer denken. „Ein erstes Feld ist, hoffe ich, nun bestellt. Die Sprössling­e kommen schon“, meint sie.

Der künftige Uni-Präsident hatte bei seiner Kandidatur damit geworben, Nachhaltig­keitsfrage­n zum vierten Schwerpunk­t neben Informatik, NanoBioMed und Europa ausbauen und außerdem beide Uni-Standorte „soweit wie möglich autofrei“machen zu wollen. Ambitionie­rte Ziele, bei denen Ludger Santen auf der geleistete­n Vorarbeit und den acht rührigen Fachgruppe­n aufbauen könnte.

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FOTO: CIS Annemarie Matusche-Beckmann, Vizepräsid­entin für gesellscha­ftliche Verantwort­ung und Nachhaltig­keit, in ihrem Uni-Büro.

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