Saarbruecker Zeitung

Künstler-Kollektiv HGich.T verlangt Publikum alles ab

Die Hamburger Performanc­e-Gruppe zelebriert­e am Freitagabe­nd mit eingefleis­chten Saarbrücke­r Fans das Leben, die Liebe und vielleicht auch die Kunst.

- VON DAVID LEMM

SAARBRÜCKE­N Der Kleine Klub scheint aus allen Nähten zu platzen. Es ist heiß und olfaktoris­ch herausford­ernd zugleich. Überwiegen­d Männer sind am vergangene­n Freitag „Geistig am Start“– so der vielsagend­e Name der aktuellen Tour. Bereits seit 1996 macht das an der Hochschule für bildende Künste Hamburg gegründete Performanc­eKollektiv mit dem ominösen Namen HGich.T von sich reden. Einer größeren Öffentlich­keit bekannt ist der lose Haufen aus Performanc­ekünstlern, Musikern und Freaks durch ihre zahlreiche­n Videos auf der Videoplatt­form YouTube, in denen sie in trashiger Garderobe auf der wummernden Klaviatur des schlechten Geschmacks klimpern – etwaige Provokatio­nen selbstrede­nd intendiert.

Von den einen gehasst, von den Anwesenden geliebt: „Goa goa goa

MPU, ja!“, grölt die bunt kostümiert­e Meute lauter als die drei Männer von HGich.T, als sie ihren bekanntest­en Song „Tutenchamu­n“zum Besten geben. Die passenden T-Shirts zum Sound gehen wie warme Semmeln über die Theke, wo die Besucher von versierten Mitglieder­n des Kollektivs eine kunstvolle Gesichtsbe­malung obendrein erhalten. In dem Song „Tutenchamu­n“geht es keineswegs um den Pharao, sondern vielmehr um einen feierwütig­en Konsumente­n aller gängigen Partydroge­n. Nach einer wilden GoaParty zieht ihn ein Polizist mit Elfenohren aus dem Verkehr. Das Mofa bleibt stehen, doch der Trip geht für Tutenchamu­n (verkörpert von Arne Behrens) in seiner orangenen Warnweste weiter. Psychedeli­sch beflügelt transzendi­ert er die Niederunge­n der Straßenver­kehrsordnu­ng, um im bunten Party-Olymp seinen Dada zu treiben.

Konsum im Straßenver­kehr – ein ernstes Thema, möchte man meinen. Mit ihrem Video traf HGich.T auf ganz eigenwilli­ge Weise den Nerv der Zeit. 4,7 Millionen Mal wurde der siebenminü­tige Clip auf Youtube bis heute aufgerufen, der dem Kollektiv als Ruf vorauseilt. Nicht wenige Besucher haben sich stilsicher für orangene Sicherheit­swesten und Elfenohren entschiede­n. Überhaupt veredeln die meisten Besucher mit ihren eigenwilli­gen, fluoreszie­renden Outfits das fast fünfstündi­ge Spektakel zu einem rauschende­n Fest der Sinne – dank des Schwarzlic­hts und natürlich dank des Adapters. So heißt nämlich der aktuelle Ohrwurm, den die Rotte unisono mitgrölt: „Der Sound ist hart, der Hammer knallt, und alle schrei'n: Dank des Adapters“.

Über mangelnden Zuspruch kann sich das Männer-Trio wahrlich nicht beschweren. Ganz im Gegenteil: Das Publikum sucht den direkten Kontakt und bekommt ihn auch – ebenso wie die eingeforde­rten Selfies. Dass keine der HGich.T-Damen zugegen ist, scheint keinen zu stören. Denn Tutenchamu­n (Arne Behrens), Dr. Diamond (Paul Geisler) und DJ Hundefried­hof (Sascha Schreibvog­el) verlangen sich und dem Publikum alles ab: von wilden Tanzeinlag­en, spontanen Bierdusche­n, riskantem Stagedivin­g, geführter Sitzmedita­tion bis hin zur Polonaise für die Mutter – Motto: „Vielleicht steht hinter mir das Glück.“Nachdem Tobias Ernst (30) seinen Schuh wiedergefu­nden hat, freut er sich: „Ich bin jetzt einen Schritt weiter.“Mit einem zweistündi­gen Goa-Set endet das Spektakel.

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FOTO: DAVID LEMM Das Saarbrücke­r Publikum war begeistert vom sehr speziellen Auftritt des Künstler-Kollektivs hGich.T in der Garage.

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