Künstler-Kollektiv HGich.T verlangt Publikum alles ab
Die Hamburger Performance-Gruppe zelebrierte am Freitagabend mit eingefleischten Saarbrücker Fans das Leben, die Liebe und vielleicht auch die Kunst.
SAARBRÜCKEN Der Kleine Klub scheint aus allen Nähten zu platzen. Es ist heiß und olfaktorisch herausfordernd zugleich. Überwiegend Männer sind am vergangenen Freitag „Geistig am Start“– so der vielsagende Name der aktuellen Tour. Bereits seit 1996 macht das an der Hochschule für bildende Künste Hamburg gegründete PerformanceKollektiv mit dem ominösen Namen HGich.T von sich reden. Einer größeren Öffentlichkeit bekannt ist der lose Haufen aus Performancekünstlern, Musikern und Freaks durch ihre zahlreichen Videos auf der Videoplattform YouTube, in denen sie in trashiger Garderobe auf der wummernden Klaviatur des schlechten Geschmacks klimpern – etwaige Provokationen selbstredend intendiert.
Von den einen gehasst, von den Anwesenden geliebt: „Goa goa goa
MPU, ja!“, grölt die bunt kostümierte Meute lauter als die drei Männer von HGich.T, als sie ihren bekanntesten Song „Tutenchamun“zum Besten geben. Die passenden T-Shirts zum Sound gehen wie warme Semmeln über die Theke, wo die Besucher von versierten Mitgliedern des Kollektivs eine kunstvolle Gesichtsbemalung obendrein erhalten. In dem Song „Tutenchamun“geht es keineswegs um den Pharao, sondern vielmehr um einen feierwütigen Konsumenten aller gängigen Partydrogen. Nach einer wilden GoaParty zieht ihn ein Polizist mit Elfenohren aus dem Verkehr. Das Mofa bleibt stehen, doch der Trip geht für Tutenchamun (verkörpert von Arne Behrens) in seiner orangenen Warnweste weiter. Psychedelisch beflügelt transzendiert er die Niederungen der Straßenverkehrsordnung, um im bunten Party-Olymp seinen Dada zu treiben.
Konsum im Straßenverkehr – ein ernstes Thema, möchte man meinen. Mit ihrem Video traf HGich.T auf ganz eigenwillige Weise den Nerv der Zeit. 4,7 Millionen Mal wurde der siebenminütige Clip auf Youtube bis heute aufgerufen, der dem Kollektiv als Ruf vorauseilt. Nicht wenige Besucher haben sich stilsicher für orangene Sicherheitswesten und Elfenohren entschieden. Überhaupt veredeln die meisten Besucher mit ihren eigenwilligen, fluoreszierenden Outfits das fast fünfstündige Spektakel zu einem rauschenden Fest der Sinne – dank des Schwarzlichts und natürlich dank des Adapters. So heißt nämlich der aktuelle Ohrwurm, den die Rotte unisono mitgrölt: „Der Sound ist hart, der Hammer knallt, und alle schrei'n: Dank des Adapters“.
Über mangelnden Zuspruch kann sich das Männer-Trio wahrlich nicht beschweren. Ganz im Gegenteil: Das Publikum sucht den direkten Kontakt und bekommt ihn auch – ebenso wie die eingeforderten Selfies. Dass keine der HGich.T-Damen zugegen ist, scheint keinen zu stören. Denn Tutenchamun (Arne Behrens), Dr. Diamond (Paul Geisler) und DJ Hundefriedhof (Sascha Schreibvogel) verlangen sich und dem Publikum alles ab: von wilden Tanzeinlagen, spontanen Bierduschen, riskantem Stagediving, geführter Sitzmeditation bis hin zur Polonaise für die Mutter – Motto: „Vielleicht steht hinter mir das Glück.“Nachdem Tobias Ernst (30) seinen Schuh wiedergefunden hat, freut er sich: „Ich bin jetzt einen Schritt weiter.“Mit einem zweistündigen Goa-Set endet das Spektakel.