Was zu tun ist, wenn der Beton bröselt
Wie kaputt ist die Rosseltalbrücke eigentlich? Und waren 70er-Jahre-Brücken besonders „ schlecht“? – 16 Millionen Euro für Sanierung.
VÖLKLINGEN Was haben wir in der Grundschule über diesen Witz gelacht: „Vorsicht! Die Stufen sind aus Be- TONG!“– Gut, GrundschülerWitze sind nicht immer die besten. Eines stimmt aber: Beton ist eine harte Sache – und seit Jahrzehnten bei vielen Bauprojekten das Mittel erster Wahl, besonders beim Brückenbau. Andererseits berichten wir immer wieder über schwächelnde Brücken, deren Beton sanierungsbedürftig ist. Zuletzt über die zur Autobahn 620 gehörende Rosseltalbrücke, die über den Völklinger Stadtteil Wehrden verläuft: Die Brücke wird – ab Spätsommer oder frühem Herbst – saniert, im Winter ruhen die Arbeiten, die möglichst vor Winter 2026 abgeschlossen sein sollen. Die Brücke ist in dieser Zeit je Richtung nur einspurig befahrbar, wenige Tage Vollsperrung gibt es auch (wir berichteten).
Aber was ist denn nun eigentlich genau am Stahlbeton kaputt? Trägt er noch ordentlich? Zudem hieß es bei der Vorstellung des Bauprojektes im Völklinger Umwelt- und Verkehrsausschuss, dass jetzt viele Brücken aus den 1970er Jahren sanierungsbedürftig sind. Ist das nur der Zahn der Zeit oder wurde damals schlecht gebaut?
„Grundsätzlich hängt die tatsächliche Nutzungsdauer einer Brücke von der Planungsqualität, der Qualität der Bauausführung und vom Umfang der im Laufe der Zeit ausgeführten Instandsetzungsarbeiten ab, aber auch von der Art und Weise einer bestimmungsgemäßen Nutzung“, erklärt Klaus Kosok, Sprecher der Autobahn GmbH. Außerdem ist, was es so alles zum Thema Brückenbau zu wissen gibt, nicht in Beton gegossen: Sowohl beim zugrunde liegenden Regelwerk als auch bei der Art der Bauausführung gibt es immer mal wieder Änderungen, weil dort die Erfahrungen einfließen, die im Laufe der Jahre beim Brückenbau und mit entsprechenden Schäden gemacht werden. Was im Umkehrschluss bedeutet: jüngere Brücken sollten also von der Machart her besser als ältere Bauten und somit länger haltbar sein.
Kosok nennt ein Beispiel für eine solche Änderung: Heute ist, im Vergleich zu früheren Jahren, die „Betondeckung“des Stahlbetons dicker, also die äußere Beton-Schicht, die bis an die innenliegende Stahlbewehrung heranreicht. Die innenliegenden Stahl-Stäbe und -Matten halten dadurch länger, denn, so Kosok: „Diese Schicht schützt die Bewehrung dauerhaft vor Korrosion, wenn Sie ausreichend dicht und dick ausgeführt wurde.“
Was nun die Rosseltalbrücke betrifft, so ist sie – beruhigend – im Grunde noch sehr stabil: „Die tragende Substanz der Brücke genügt auch nach jahrzehntelanger Nutzung noch den heutigen Anforderungen“, erklärt Kosok. Es gab eigens dazu Nachberechnungen die gezeigt hätten, dass die Brücke sogar „statische Reserven hat und höhere Lasten aufnehmen kann, als dies bei einer Brücke aus den 1970er Jahren zu erwarten ist.“Diese Erkenntnis und die nun erfolgende Instandsetzung bedeuten denn auch, dass Autos noch in Jahrzehnten über die
Rosseltalbrücke fahren können. Was auch für eine gute Arbeit der Bauarbeiter vor rund 50 Jahren spricht, da sich neben dem Verkehrsaufkommen auch die Qualität der Bauausführung „auf die Dauerhaftigkeit des Tragwerks und damit auf die tatsächliche Nutzungsdauer einer Brücke“auswirkt.
Tatsächlich geht es bei der anstehenden Sanierung in erster Linie um eine umfassende Instandsetzung von Betonschäden, insbesondere von Betonabplatzungen, bei denen an den Schadstellen schon die freiliegende Stahlbewehrung zu sehen ist. Abgesehen von den „räumlich begrenzten“Schadstellen sei der Verbund zwischen Beton und Betonstahl aber nach wie vor gegeben „und somit auch die Tragfähigkeit des Gesamtsystems“.
Neben der Betoninstandsetzung werden auch die Verschleißteile der Brücke erneuert, und das sind eine ganze Menge: der komplette Brückenbelag, die Leitplanken („Fahrzeugrückhaltesysteme“), die sogenannten Kappen (das sind die Bauteile, die Geländer, Leitplanken und Notgehwege für das Betriebspersonal aufnehmen), die Entwässerungssysteme und die Übergangskonstruktionen an den Brückenenden – diese „Fugen“sind notwendig, weil sich die Brücke minimal bewegt, während die feste Straße unbewegt ist. Und was kostet der ganze Spaß? „Die Gesamtkosten einschließlich Verkehrssicherung belaufen sich voraussichtlich auf 16 Millionen Euro“, so die Schätzung.
Dass während der Arbeiten in jede Richtung nur eine Spur genutzt werden kann, hängt mit dem schmalen Querschnitt der Brücke zusammen, und das wiederum kommt daher, dass die A620 in ihrem Ursprung eigentlich noch gar nicht als Autobahn geplant gewesen war – lediglich eine Bundesstraße sollte hier den Verkehr aufnehmen.
Die beiden Richtungsfahrbahnen der Brücke, die je zwei Fahrspuren aufnehmen müssen, sind auf jeder Seite nur 7,5 Meter breit. Würde heute eine Brücke für eine Autobahn mit zwei Fahrspuren je Richtung gebaut, dann, so Kosok, würde eine Breite von 12,5 statt nur 7,5 Meter geplant.
Beton ist nicht nur ein Baustoff der Neuzeit: Die fast 2000 Jahre alte gigantische Kuppel des Pantheons in Rom ist aus einem – unbewehrten – Zement-Vorläufer gebaut und steht noch immer. Warum hält der alte „Opus caementicium“so viel besser als moderner Zement? Tut er gar nicht: Würden, wie bei der Rosseltalbrücke, täglich 50 000 Fahrzeuge übers Pantheon donnern, wäre es längst zu Staub zerfallen.