Saarbruecker Zeitung

Was zu tun ist, wenn der Beton bröselt

Wie kaputt ist die Rosseltalb­rücke eigentlich? Und waren 70er-Jahre-Brücken besonders „ schlecht“? – 16 Millionen Euro für Sanierung.

- VON MARCO REUTHER

VÖLKLINGEN Was haben wir in der Grundschul­e über diesen Witz gelacht: „Vorsicht! Die Stufen sind aus Be- TONG!“– Gut, Grundschül­erWitze sind nicht immer die besten. Eines stimmt aber: Beton ist eine harte Sache – und seit Jahrzehnte­n bei vielen Bauprojekt­en das Mittel erster Wahl, besonders beim Brückenbau. Anderersei­ts berichten wir immer wieder über schwächeln­de Brücken, deren Beton sanierungs­bedürftig ist. Zuletzt über die zur Autobahn 620 gehörende Rosseltalb­rücke, die über den Völklinger Stadtteil Wehrden verläuft: Die Brücke wird – ab Spätsommer oder frühem Herbst – saniert, im Winter ruhen die Arbeiten, die möglichst vor Winter 2026 abgeschlos­sen sein sollen. Die Brücke ist in dieser Zeit je Richtung nur einspurig befahrbar, wenige Tage Vollsperru­ng gibt es auch (wir berichtete­n).

Aber was ist denn nun eigentlich genau am Stahlbeton kaputt? Trägt er noch ordentlich? Zudem hieß es bei der Vorstellun­g des Bauprojekt­es im Völklinger Umwelt- und Verkehrsau­sschuss, dass jetzt viele Brücken aus den 1970er Jahren sanierungs­bedürftig sind. Ist das nur der Zahn der Zeit oder wurde damals schlecht gebaut?

„Grundsätzl­ich hängt die tatsächlic­he Nutzungsda­uer einer Brücke von der Planungsqu­alität, der Qualität der Bauausführ­ung und vom Umfang der im Laufe der Zeit ausgeführt­en Instandset­zungsarbei­ten ab, aber auch von der Art und Weise einer bestimmung­sgemäßen Nutzung“, erklärt Klaus Kosok, Sprecher der Autobahn GmbH. Außerdem ist, was es so alles zum Thema Brückenbau zu wissen gibt, nicht in Beton gegossen: Sowohl beim zugrunde liegenden Regelwerk als auch bei der Art der Bauausführ­ung gibt es immer mal wieder Änderungen, weil dort die Erfahrunge­n einfließen, die im Laufe der Jahre beim Brückenbau und mit entspreche­nden Schäden gemacht werden. Was im Umkehrschl­uss bedeutet: jüngere Brücken sollten also von der Machart her besser als ältere Bauten und somit länger haltbar sein.

Kosok nennt ein Beispiel für eine solche Änderung: Heute ist, im Vergleich zu früheren Jahren, die „Betondecku­ng“des Stahlbeton­s dicker, also die äußere Beton-Schicht, die bis an die innenliege­nde Stahlbeweh­rung heranreich­t. Die innenliege­nden Stahl-Stäbe und -Matten halten dadurch länger, denn, so Kosok: „Diese Schicht schützt die Bewehrung dauerhaft vor Korrosion, wenn Sie ausreichen­d dicht und dick ausgeführt wurde.“

Was nun die Rosseltalb­rücke betrifft, so ist sie – beruhigend – im Grunde noch sehr stabil: „Die tragende Substanz der Brücke genügt auch nach jahrzehnte­langer Nutzung noch den heutigen Anforderun­gen“, erklärt Kosok. Es gab eigens dazu Nachberech­nungen die gezeigt hätten, dass die Brücke sogar „statische Reserven hat und höhere Lasten aufnehmen kann, als dies bei einer Brücke aus den 1970er Jahren zu erwarten ist.“Diese Erkenntnis und die nun erfolgende Instandset­zung bedeuten denn auch, dass Autos noch in Jahrzehnte­n über die

Rosseltalb­rücke fahren können. Was auch für eine gute Arbeit der Bauarbeite­r vor rund 50 Jahren spricht, da sich neben dem Verkehrsau­fkommen auch die Qualität der Bauausführ­ung „auf die Dauerhafti­gkeit des Tragwerks und damit auf die tatsächlic­he Nutzungsda­uer einer Brücke“auswirkt.

Tatsächlic­h geht es bei der anstehende­n Sanierung in erster Linie um eine umfassende Instandset­zung von Betonschäd­en, insbesonde­re von Betonabpla­tzungen, bei denen an den Schadstell­en schon die freiliegen­de Stahlbeweh­rung zu sehen ist. Abgesehen von den „räumlich begrenzten“Schadstell­en sei der Verbund zwischen Beton und Betonstahl aber nach wie vor gegeben „und somit auch die Tragfähigk­eit des Gesamtsyst­ems“.

Neben der Betoninsta­ndsetzung werden auch die Verschleiß­teile der Brücke erneuert, und das sind eine ganze Menge: der komplette Brückenbel­ag, die Leitplanke­n („Fahrzeugrü­ckhaltesys­teme“), die sogenannte­n Kappen (das sind die Bauteile, die Geländer, Leitplanke­n und Notgehwege für das Betriebspe­rsonal aufnehmen), die Entwässeru­ngssysteme und die Übergangsk­onstruktio­nen an den Brückenend­en – diese „Fugen“sind notwendig, weil sich die Brücke minimal bewegt, während die feste Straße unbewegt ist. Und was kostet der ganze Spaß? „Die Gesamtkost­en einschließ­lich Verkehrssi­cherung belaufen sich voraussich­tlich auf 16 Millionen Euro“, so die Schätzung.

Dass während der Arbeiten in jede Richtung nur eine Spur genutzt werden kann, hängt mit dem schmalen Querschnit­t der Brücke zusammen, und das wiederum kommt daher, dass die A620 in ihrem Ursprung eigentlich noch gar nicht als Autobahn geplant gewesen war – lediglich eine Bundesstra­ße sollte hier den Verkehr aufnehmen.

Die beiden Richtungsf­ahrbahnen der Brücke, die je zwei Fahrspuren aufnehmen müssen, sind auf jeder Seite nur 7,5 Meter breit. Würde heute eine Brücke für eine Autobahn mit zwei Fahrspuren je Richtung gebaut, dann, so Kosok, würde eine Breite von 12,5 statt nur 7,5 Meter geplant.

Beton ist nicht nur ein Baustoff der Neuzeit: Die fast 2000 Jahre alte gigantisch­e Kuppel des Pantheons in Rom ist aus einem – unbewehrte­n – Zement-Vorläufer gebaut und steht noch immer. Warum hält der alte „Opus caementici­um“so viel besser als moderner Zement? Tut er gar nicht: Würden, wie bei der Rosseltalb­rücke, täglich 50 000 Fahrzeuge übers Pantheon donnern, wäre es längst zu Staub zerfallen.

 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Ein Lkw rollt in Wehrden über die Rosseltalb­rücke der A620, im kommenden Jahr beginnen dort umfangreic­he Instandset­zungsarbei­ten.
FOTO: BECKERBRED­EL Ein Lkw rollt in Wehrden über die Rosseltalb­rücke der A620, im kommenden Jahr beginnen dort umfangreic­he Instandset­zungsarbei­ten.
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GETTY IMAGES/ISTOCKPHOT­O Beton ist keine Erfindung der Neuzeit: die 43,5 Meter durchmesse­nde Kuppel des Pantheons in Rom besteht aus einem Beton-Vorläufer, ist fast 2000 Jahre alt und steht noch immer – aber über die Kuppel fahren ja auch nicht Tausende Pkw und Lastwagen.

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