„Im Saarland fehlen 4000 Betreuungsplätze für Kinder“
Der erste Fachtag des Verbandes Kindertagespflege Saar thematisierte die Bedürfnisse von Tagespflegekräften, aber auch die der Eltern und Kinder.
SAARBRÜCKENWie können Kindertagespflegekräfte ihren Beruf genießen und die Kinder effektiv betreuen, wenn sie permanent gestresst oder verärgert sind? Wie können die Bedürfnisse von Eltern, Kindern und Tagespflegekräften unter einen Hut gebracht werden? Solche und weitere Fragen wurden am vergangenen Freitag beim ersten Fachtag des Verbandes Kindertagespflege Saar im Saarrondo in Saarbrücken beantwortet. „Im Saarland gibt es knapp 300 Tagespflegepersonen, die mehr als 1100 Kinder betreuen. Der Bedarf an Tagespflegekräften ist aber weiter sehr hoch.
„Im Saarland fehlen 4000 Betreuungsplätze für Kinder“, sagt Petra Boullay, die Vorsitzende des Verbandes. Sie hat mit ihrem Vorstandsteam den ersten Fachtag in Saarbrücken organisiert. Während in Kindertagesstätten die Erzieherinnen die Kinder überwiegen als Angestellte betreuen, sind die Kindertagespflegekräfte selbstständig und betreuen die Kinder in erster Linie in den eigenen vier Wänden. Bis zu fünf Kinder darf eine Kindertagespflegekraft betreuen. Sind es zwei oder drei Tagespflegekräfte, die zusammen arbeiten, dürfen es zehn Kinder sein. „Bevor eine Betreuungsstelle in Betrieb genommen werden kann, schauen sich die Fachberater der Jugendämter in den einzelnen Landkreisen die Sache genau an. Es müssen beispielsweise separate Schlafräume zur Verfügung stehen und die Spielräume müssen über ausreichend Platz verfügen. Auch die Spielgeräte werden kontrolliert, bevor eine Pflegeerlaubnis erteilt wird“, erklärt Petra Boullay. Passt alles, kann eine sehr familiäre und individuelle Betreuung von Kindern beginnen. „In den letzten Jahrzehnten hat sich die Wahrnehmung junger Eltern gewandelt. Sie erkennen die Kindertagespflege als Chance für ihre Kinder, frühzeitig an gesellschaftlichen Strukturen teilzuhaben, ohne auf persönliche Zuwendung zu verzichten.
Die Jüngsten dürfen dabei in ihren Gruppen Erfahrungen sammeln, lachen, toben, spielen und lernen gemeinsam, entsprechend den Möglichkeiten unserer Zeit“, sagt die saarländische Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot, die am Freitag beim ersten Fachtag vorbei schaute. Sie erklärt weiter: „Da die Kindertagespflege eine flexible und individuelle Betreuungsmöglichkeit in familiärer Atmosphäre für Kinder bietet, ist sie für Erziehungsberechtigte vor allem im Sinne der Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine gute Alternative zur Kita oder anderen Betreuungsformen. Tagespflegepersonen verfügen neben dem pädagogischen Fachwissen auch, wie alle Fachkräfte im frühpädagogischen Bereich, ein hohes
Maß an Einfühlungsvermögen“, so die Ministerin weiter. So weit, so gut.
Allerdings gibt es auch im Bereich der Kindertagespflege offensichtliche Problem, die gelöst werden müssen. Die Eltern zahlen beispielsweise 1,20 Euro pro Mittagessen, das von der Kindertagespflegekraft zubereitet wird. Ein Mittagessen für fünf Kinder für sechs Euro? „Das reicht hinten und vorne nicht. Die Eltern würden gerne mehr bezahlen, dürfen es aber nicht. Die Tagespflegekräfte dürfen auch nicht mehr Geld annehmen. Verantwortlich sind das Land und die einzelnen
Landkreise, die diese nicht nachvollziehbare Entscheidung getroffen haben. In den Kitas bezahlen die Eltern 4,50 Euro pro Kind pro Essen“, sagt Petra Boullay. Für sie ist auch das von der Politik verabschiedete Vertretungsmodell nicht hinnehmbar. Eine Kindertagespflegekraft bekommt pro Stunde pro Kind 3,70 Euro. Ab dem fünften Jahr als Tagespflegekraft sind es 4,15 Euro pro Stunde pro Kind. Im Krankheitsfall übernimmt eine Vertretungspflegekraft die Kinder. „Während die Kindertagespflegerin, vertraglich abgesichert, das Geld für alle fünf
Kinder erhält, bekommt die Vertretung nur das Geld für die an diesem Tag anwesenden Kinder und das ist ein Problem. Sind von fünf Kindern nur drei da (drei mal 3,70 Euro pro Stunde) bewegen wir uns mit 11,10 Euro unter dem Mindestlohn (12,41 Euro pro Stunde). Hier muss die Politik unbedingt nachsteuern, sonst funktioniert das Vertretungssystem nicht“, so die Verbandsvorsitzende weiter. Auch die Pflegekräfte berichteten beim ersten Fachtag über Probleme, die sie in der Kindertagespflege haben und die ihre Motivation herunter ziehen. Eines der größten Probleme, können die Eltern sein. Eine Pflegerin berichtetet von Eltern, die ihr Kinder trotz Erkrankung zur Tagespflege bringen wollten, obwohl dies verboten ist. „Ich bekam am Telefon von den Eltern gesagt, dass sie sofort kündigen würden und sie sich eine andere Tagespflegerin suchen würden, wenn sie ihr Kind trotz Krankheit nicht bringen könnten“, berichtet sie. Die Empfehlung auf dem Fachtag: Konsequent sein und den Eltern vermitteln, dass sie für ihr krankes Kind verantwortlich sind. Das Druckmittel, dass die Pflegekräfte bei einer Kündigung weniger Geld bekommen, soll ignoriert werden. „Wir haben in allen Landkreisen Wartelisten und die Betreuungsplätze sind sehr begehrt“, sagt Petra Boullay. 75 Kindertagespflegekräfte kamen zu dem Fachtag und konnten sich bei kostenloser Bewirtung auch mal den ein oder anderen Frust von der Seele reden oder über positive Beispiele im Umgang mit den Kindern berichten. Alle waren sich einig, dass es einen zweiten Fachtag des Verbandes geben soll, und diesem Vorschlag hat der Verband schon zugestimmt.
Weitere Infos: www.landesverbandkindertagespflege-saar.de