Saarbruecker Zeitung

„In Saarbrücke­n wird niemand vergessen“

In der Neuen Halle auf dem Saarbrücke­r Hauptfried­hof gab es jetzt zum zweiten Mal eine Gedenkfeie­r für Verstorben­e, für die sonst niemand eine Feier ausgericht­et hätte. Menschen, die ohne Angehörige, Freunde und Bekannte gestorben sind.

- VON SOPHIE RADIX Produktion dieser Seite: Frank Kohler Isabelle Schmitt

SAARBRÜCKE­N Regen trommelt leise auf das Dach der neuen Einsegnung­shalle auf dem Saarbrücke­r Hauptfried­hof.

Das Innere der Halle ist geschmückt mit Kränzen und weißen Kerzen. Deren Flammen tauchen den Altar und seine Umgebung in ein weiches Licht. Die Bänke vor dem Altar sind fast voll: Rund dreißig Menschen sind gekommen, um 27 Verstorben­er zu gedenken. Diese Männer und Frauen sind im Jahr 2023 in Saarbrücke­n „unbedacht verstorben“: Das heißt, sie sind meist einsam gestorben, ohne Angehörige, Freunde, Bekannte. Um ihre Bestattung musste sich die Stadtverwa­ltung kümmern. Die Urnen dieser Menschen finden Platz im Waldgemein­schaftsgra­b, wo auch „bedacht“Verstorben­e beigesetzt werden.

Die Gedenkfeie­r, zu der die Stadt Saarbrücke­n eingeladen hat, findet an diesem Abend bereits zum zweiten Mal statt. Die große Anteilnahm­e im vergangene­n Jahr hatte die Veranstalt­er darin bestärkt, sie erneut auszuricht­en.

Möglich ist sie dank der Unterstütz­ung vom Bestatterv­erband Saarland, des Evangelisc­hen Kirchenkre­ises Saar-West, des Pastoralen Raums Saarbrücke­n der Katholiken, der Saarbrücke­r Wärmestube und der städtische­n Musikschul­e. Die Saarbrücke­r Bürgermeis­terin Barbara Meyer begrüßt die Trauergäst­e. Tenor des Abends: In unserer Stadt wird niemand vergessen. Anschließe­nd spricht Christian Duchene, der erste Vorsitzend­e des Bestatterv­erbands Saarland: „Ich bin froh, hier zu sein – und zwar nicht nur in meiner Rolle als Vorsitzend­er, sondern vor allem als Mensch.“Denn: „Die Würde des Menschen endet nicht mit dem letzten Atemzug.“Die Gedenkfeie­r macht deutlich: Die Menschen, von denen man sich hier verabschie­det, hatten bewegende Lebenswege – und sie haben genau wie andere für schöne Momente bei ihren Mitmensche­n gesorgt.

Freundlich­e Musik trägt durch die Gedenkfeie­r und sorgt für sanfte Übergänge. Nach jeder Ansprache verliest der Redner die Namen von Verstorben­en. Für jede Person wird eine Kerze angezündet.

Diakon Gerd Fehrenbach und Superinten­dent Christian Weyer verlesen gemeinsam Psalm 31. Darin geht es viel um Gottvertra­uen und um den Herrn als sichere Zuflucht in schwierige­n Zeiten: „In Kummer schwindet mein Leben dahin, / meine Jahre verrinnen im Seufzen.“Diese Worte mögen die Lage vieler Menschen beschreibe­n, die zum Zeitpunkt ihres Todes alleine waren.

So erging es zum Beispiel den Obdachlose­n Marc und Helga. Von ihnen spricht der Geschäftsf­ührer der Saarbrücke­r Wärmestube, Hermann Schell, im Anschluss: „Ich kannte Marc jahrelang und habe erst kürzlich erfahren, dass er Vater war. Es schmerzte ihn sehr, dass er keinen Kontakt zu seinem Sohn hatte.“Helga wiederum verbrachte ihre letzten Jahre hauptsächl­ich vor der Saarbrücke­r Hauptpost: „Unsere Bemühungen, sie von der Straße zu holen, scheiterte­n leider.“Es sind oft Obdachlose, die einsam sterben. Aber auch psychisch kranke oder drogenabhä­ngige Menschen, junge wie ältere, die am Ende ihres Lebens keine oder kaum soziale Kontakte mehr hatten. Von manchen Menschen, die an diesem Abend bedacht werden, ist nicht mehr als der Name bekannt. Die Gedenkfeie­r endet draußen – vor dem anonymen Grabmal auf dem Hauptfried­hof. Ausnahmslo­s alle versammeln sich unter Regenschir­men in der Dunkelheit. Ein letzter Vers wird verlesen. Zwei Männer schirmen den Geistliche­n vor dem Regen ab, seine Bibel wird mit Taschenlam­pen beleuchtet. Damit endet die Feier vor dem Findling. Inschrift des Gedenkstei­ns: „Das Schönste, was ein Mensch hinterlass­en kann, ist ein Lächeln im Gesicht derjenigen, die an ihn denken.“

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SYMBOLFOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Zum zweiten Mal gab es auf dem Saarbrücke­r Hauptfried­hof eine Gedenkfeie­r für Verstorben­e, die sonst keine Feier bekommen hätten.
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FOTO: STADT SAARBRÜCKE­N Die Gedenkfeie­r endete vor dem anonymen Grabmal auf dem Saarbrücke­r Hauptfried­hof im Deutschmüh­lental.

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