Saarbruecker Zeitung

Eine Kandidatur in letzter Minute

Ursula von der Leyen ließ die Frage nach einer möglichen zweiten Amtszeit an der EU-Spitze lange offen. Nun gibt es vier Monate vor der Wahl eine Antwort.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r Lucas Hochstein

Sie hat es lange spannend gemacht und bis zur letzten Minute gewartet. Doch seit Montag ist nun offiziell klar: Die 65 Jahre alte Ursula von der Leyen strebt eine zweite Amtszeit als Präsidenti­n der EU-Kommission an. Der CDUBundesv­orstand nominierte sie am Montag einstimmig als Spitzenkan­didatin der europäisch­en Parteienfa­milie Europäisch­e Volksparte­i (EVP) für den künftigen Kommission­svorsitz. Der Posten des EU-Kommission­spräsident­en muss nach den Europawahl­en im Juni neu besetzt werden. Ernannt wird in der Regel ein Kandidat der europäisch­en Parteienfa­milie, die bei der Europawahl am besten abschneide­t. In Umfragen liegt die EVP bislang klar vorn. Die Chancen sind deswegen groß, dass von der Leyen Präsidenti­n bleiben kann.

Die Wahl des EVP-Kandidaten für den Topposten soll bei einem Parteikong­ress am 7. März in Bukarest erfolgen. Dass von der Leyen dort die notwendige Stimmenmeh­rheit erhält, gilt als sicher. Zu der europäisch­en Parteienfa­milie EVP gehören neben der deutschen CDU und CSU unter anderem die österreich­ische ÖVP, die italienisc­he Forza Italia oder Spaniens konservati­ve Volksparte­i.

Auf dem Stimmzette­l wird von der Leyen jedoch nicht auftauchen, was bereits Kritik auslöst. Warum? Von der Leyen kandidiert nicht für das Europaparl­ament. Der aus NRW stammende Europa-Abgeordnet­e Daniel Freund kritisiert­e: „Von der Leyen wurde von den Regierungs­chefs zur Kommission­spräsident­in gemacht. So soll es jetzt wieder laufen“, sagte er. Mit ihrer Weigerung, für das Europaparl­ament zu kandidiere­n, schade von der Leyen der europäisch­en Demokratie. „Zu

kandidiere­n, ohne wählbar zu sein, führt das Spitzenkan­didatenpri­nzip ad absurdum.“Schon 2019 war die Deutsche von den Staats- und Regierungs­chefs für das Amt nominiert

worden, obwohl sie zuvor nicht als Spitzenkan­didaten bei der Europawahl angetreten war.

Ihre Kandidatur ist in der CDU auch nicht ganz so unumstritt­en wie

CDU-Chef Friedrich Merz das am Montag darstellte. Vor ihrem Wechsel nach Brüssel war von der Leyen unter anderem Verteidigu­ngsministe­rin unter der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Mutter von sieben Kindern ist promoviert­e Medizineri­n und war auch schon Bundesfami­lienminist­erin, Arbeitsmin­isterin und Sozialmini­sterin in Niedersach­sen. Viele parteiinte­rne Kritiker sehen in ihr gewisserma­ßen auch die politische Erbin von Angela Merkel, die in Europa einen Kurs durchsetzt, der von Klima- bis hin zur Wirtschaft­spolitik eher grüne denn konservati­ve Positionen abdeckt. Und auch Merz selbst übte in den vergangene­n Jahren öffentlich Kritik an ihrer Politik.

Von der Leyen überlegte lange, bevor sie sich erneut zur Kandidatur entschloss. Zwischenze­itlich war sie auch als Nato-Generalsek­retärin im Gespräch. Doch am Montag sagte sie, was für ihre Kandidatur ausschlagg­ebend war: „In diesen fünf Jahren ist nicht nur meine Leidenscha­ft für Europa gewachsen, sondern natürlich auch meine Erfahrung, wie viel dieses Europa für seine Menschen leisten kann.“Sie wolle unbedingt „Europa gegen eine Spaltung“weiter verteidige­n, sagte sie auch mit Blick auf die Bedrohung durch Russlands Präsidente­n Wladimir Putin.

Als Präsidenti­n der EU-Kommission ist von der Leyen seit dem 1. Dezember 2019 Chefin von rund 32 000Mitarbe­itern. Zudem sitzt die 65-Jährige bei fast allen großen internatio­nalen Gipfeltref­fen wie G7 oder G20 als EU-Repräsenta­ntin mit am Tisch. Das US-Magazin „Forbes“kürte von der Leyen erst jüngst wieder zur „mächtigste­n Frau der Welt“.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Die CDU um Parteichef Friedrich Merz unterstütz­t eine zweite Amtszeit von Ursula von der Leyen als Präsidenti­n der EU-Kommission.

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