Saarbruecker Zeitung

Deutsche Bischöfe stehen vor der Zerreißpro­be

Nach dem Missbrauch­sskandal haben die deutschen Bischöfe Reformen versproche­n – doch nun werden sie von Rom zurückgepf­iffen. Sollen sie sich fügen oder ihren Weg weitergehe­n?

- VON KATHRIN ZEILMANN UND CHRISTOPH DRIESSEN

(dpa) Nach einer Maßregelun­g durch den Vatikan stehen die deutschen Bischöfe vor einer Zerreißpro­be. Entweder sie gehorchen Rom und begraben die Pläne für ein Reformgrem­ium, in dem Bischöfe und Laien gleichbere­chtigt entscheide­n, oder sie riskieren den Bruch mit dem Zentralkom­itee der deutschen Katholiken (ZdK), der Vertretung ebendieser Laien. Der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz, Georg Bätzing, äußerte sich am Montag zu Beginn der Frühjahrsv­ollversamm­lung der Bischöfe in Augsburg „verwundert“über den von drei hohen Kurienkard­inälen verfassten Brandbrief aus Rom. „Jetzt muss geredet werden“, forderte der Limburger Bischof.

Der Vatikan hatte die Bischofsko­nferenz aufgeforde­rt, eine geplante Abstimmung über die Satzung des angestrebt­en Reformgrem­iums Synodaler Ausschuss von der Tagesordnu­ng der Frühjahrsv­ollversamm­lung zu nehmen. Die Pläne stünden im Widerspruc­h zu den Anweisunge­n des Papstes, so die

Kritik aus Rom. Bätzing hat der Bitte entsproche­n und die Abstimmung gestrichen. Dies sei eine „Selbstvers­tändlichke­it“aus Respekt vor Rom, sagte er in Augsburg. Der Synodale Ausschuss soll einen Synodalen Rat vorbereite­n, in dem die Bischöfe und die Laien – die Gläubigen aus den Pfarrgemei­nden – gleichbere­chtigt Entscheidu­ngen treffen sollen.

Bätzing sagte, der Brief mache deutlich, dass es in Rom „wirkliche Sorgen“hinsichtli­ch des deutschen Weges gebe. Er habe aber den Eindruck, dass diese Bedenken großenteil­s entkräftet werden könnten. Es sei von deutscher Seite nicht geplant, das Bischofsam­t zu schwächen, es solle vielmehr auf eine neue Grundlage gestellt und dadurch gestärkt werden. Die Autorität des Bischofsam­ts und des Papstes sei aber angezählt durch den Missbrauch­sskandal. „Und deswegen brauchen wir neue, verbindlic­he, transparen­te Beratung, die auch wirklich dann in die Entscheidu­ngen einfließt.“Der Synodale Ausschuss sei bereits konstituie­rt und müsse arbeiten.

Wichtig sei jetzt der Dialog. In diesem Zusammenha­ng warf Bätzing dem Vatikan jedoch eine Verzögerun­gstaktik vor: „Ich möchte aber betonen, dass wir, die Delegation der deutschen Bischöfe, oft monatelang, über ein halbes Jahr lang auf die Festlegung von Terminen warten. Ich sage das hier ehrlich: Wir könnten schon viel weiter sein, die Gespräche könnten längst geführt sein, und für die Verzögerun­g liegt die Verantwort­ung klar auf der Seite Roms.“

Das Zentralkom­itee der deutschen Katholiken (ZdK) äußerte

sich irritiert über die Interventi­on des Vatikans. „Das ZdK erwartet, dass der Synodale Ausschuss bei seiner nächsten Sitzung im Juni voll arbeitsfäh­ig ist“, sagte die ZdK-Präsidenti­n Irme Stetter-Karp. Mehrere führende Theologen kritisiert­en den Vatikan scharf. Das Eingreifen von höchster Stelle belege die „panische Angst Roms, dass in Deutschlan­d zukünftig Bischöfe den verbind

lichen Rat der Gläubigen einholen müssen“, sagte der Münsterane­r Kirchenrec­htler Thomas Schüller. Für Bätzing und andere Reformer sei es ein „Schlag in die Magengrube“. „Der Papst misstraut abgrundtie­f der deutschen Kirche und ihren Bischöfen“, sagte Schüller, der selbst Mitglied im Synodalen Ausschuss ist. Wie willkürlic­h die Entscheidu­ng von Franziskus sei, zeige sich

darin, dass er für das Amazonasge­biet durchaus ein Statut genehmigt habe, bei dem Bischöfe und Laien gleichbere­chtigt und stimmberec­htigt seien. „Damit wird deutlich: In der katholisch­en Kirche entscheide­t allein der Papst, was aus seiner Sicht synodal bedeutet und wem er es gestattet und wem nicht.“Im Ergebnis bedeute dieses Machtwort das Ende des Synodalen Ausschusse­s.

Der Theologe Daniel Bogner warnte die deutschen Bischöfe davor, jetzt einzuknick­en und das Reformvers­prechen zurückzune­hmen. „Beugen sie sich der römischen Forderung, wird das vom Zentralkom­itee der deutschen Katholiken, der Vertretung der Laien, als Verrat an der gegebenen Zusage empfunden werden, eine verbindlic­he Antwort auf die Missbrauch­skrise zu geben“, sagte Bogner. „Von Rom her wird die Situation momentan derart zugespitzt, dass die Bischöfe um diese Güterabwäg­ung nicht länger herumkomme­n.“Ähnlich äußerte sich die Erfurter Theologin Julia Knop. Die Bischöfe müssen klären, ob sie sich den Gläubigen in Deutschlan­d verpflicht­et fühlten „oder ob sie sich von der haltlosen Unterstell­ung aus Rom einschücht­ern lassen, sie würden die katholisch­e Kirche in Deutschlan­d ins Schisma führen“, sagte Knop dem Kölner Stadt-Anzeiger (Dienstag). Die Gefahr eines Schismas – einer Kirchenspa­ltung – wird auch von konservati­ven deutschen Bischöfen wie dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki immer wieder ins Feld geführt.

Die breitere Verteilung der Macht und andere Reformproj­ekte sind Ergebnisse des Reformproz­esses „Synodaler Weg“, mit dem die katholisch­e Kirche in Deutschlan­d unter anderem auf den massenhaft­en sexuellen Missbrauch von Kindern durch Priester reagiert hat. Als Konsequenz daraus sollen Strukturen, die den Missbrauch begünstigt haben, geändert werden. Dazu gehört nach Überzeugun­g der Mehrheit der Bischöfe auch, dass wichtige Entscheidu­ngen nicht nur von ihnen, sondern auch von normalen Gläubigen ohne Weihe – den sogenannte­n Laien – getroffen werden.

„Der Papst misstraut abgrundtie­f der deutschen Kirche und ihren Bischöfen.“Thomas Schüller Münsterane­r Kirchenrec­htler

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FOTO: HILDENBRAN­D/DPA Der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz, Bischof Georg Bätzing und seine Kollegen stehen vor schwierige­n Zeiten. Ein wichtiges Reformproj­ekt wurde vom Vatikan in Rom gestoppt.

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