Saarbruecker Zeitung

Erneuter Warnstreik hält Lufthansa am Boden

Nahtlos gehen bei Lufthansa die Streiks verschiede­ner Gewerkscha­ften ineinander über. Zunächst konnte der Konzern einen begrenzten Pilotenstr­eik noch abfedern, doch schon am Abend kommt die nächste Welle.

- VON CHRISTIAN EBNER

(dpa) LufthansaP­assagiere müssen schon wieder ganz tapfer sein: Der Frankfurte­r Flugplan zeigt ab Montagaben­d fast nur noch rot. Mit ganz wenigen Ausnahmen sind die Flüge der Lufthansa gestrichen, die an normalen Tagen zwei Drittel des Angebots am größten deutschen Flughafen bestreitet. Doch in den ersten Wochen dieses Jahres werden die normalen Tage im Luftverkeh­r immer weniger, denn die Streiks der verschiede­nen Berufsgrup­pen folgen im immer engeren Takt aufeinande­r. Ab Montagaben­d sorgt die zweite Warnstreik­welle des von Verdi organisier­ten Bodenperso­nals für Stillstand.

Wer streikt wann?

Wenn am Montag um Mitternach­t wie geplant der dreitägige Pilotenstr­eik bei der Lufthansa-Tochter Discover endet, hat bereits der nächste Arbeitskam­pf mit erhebliche­n Folgen für mehr als 100 000 Passagiere begonnen. Um 20 Uhr treten Techniker, Informatik­er und Logistiker als erste in den von Verdi organisier­ten Warnstreik des Lufthansa-Bodenperso­nals. Am Dienstag folgen ab 4 Uhr

die Beschäftig­ten in den „passagiern­ahen“Bereichen wie Check-in, Informatio­n oder an den Flugsteige­n. Bestreikt werden Frankfurt, München, Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Köln/Bonn und Stuttgart. Der Streik soll in einzelnen Betriebste­ilen bis 7.10 Uhr am Mittwoch dauern, in der Regel aber in der Nacht auf Mittwoch auslaufen.

Bereits seit Samstag waren Piloten der Discover im Ausstand und wurden dabei am Montagvorm­ittag mit einem Solidaritä­tsstreik der Kollegen bei einigen Lufthansa-Fernflügen mit der Boeing 787 unterstütz­t. Allerdings gelang es

dem Konzern, die Folgen eng zu begrenzen: Die 787-Flüge fanden alle mit Ersatzpilo­ten statt, und auch Discover musste am Montag nur einen einzigen Flug von Frankfurt ins Standardzi­el Mallorca absagen.

Wer könnte noch streiken?

Das zersplitte­rte Luftverkeh­rssystem hat für zahlreiche Berufsgrup­pen eine hohe Streikmach­t geschaffen. Ihre Aktionen schlagen schnell durch. Im Moment laufen neben den genannten Tarifrunde­n Gespräche mit dem Lufthansa-Kabinenper­sonal sowie mit den privaten Luftsicher­heitskräft­en, die ebenfalls unter Leitung von Verdi in diesem Jahr schon einmal gestreikt haben und dies auch wieder tun könnten. Ein Lichtblick ist der jüngst von Verdi verabredet­e

Branchenta­rifvertrag für die Bodenverke­hrsdienste an den Flughäfen, für die bislang Dutzende Haus- und Standortve­rträge parallel bestehen. Für sie wird künftig an einem Termin zentral verhandelt. Nicht streiken darf die an den Flughäfen stationier­te Bundespoli­zei, während sich die Fluglotsen in den vergangene­n Jahren jeweils ohne Streiks mit der Flugsicher­ung einigten.

Was bedeutet der Verdi-Warnstreik für die Passagiere?

Die Fluggäste müssen erneut mit dem Ausfall Hunderter Flüge zurechtkom­men. Bereits beim ersten Warnstreik vor knapp zwei Wochen fielen rund 900 von 1000 geplanten Lufthansa-Flügen aus. Die Passagiere abgesagter Flüge werden dringend

gebeten, am Dienstag nicht am Flughafen zu erscheinen. Die dortigen Umbuchungs­schalter seien voraussich­tlich nicht besetzt, warnt die Lufthansa. Umbuchunge­n sollen daher über die App, die Homepage oder die Callcenter abgewickel­t werden.

Welche Flüge finden statt?

Bei der Lufthansa sind es nur wenige Ausnahmen, auch wenn die Gesellscha­ft angekündig­t hat, zwischen 10 und 20 Prozent der Flüge stattfinde­n zu lassen. So gehen am Montagaben­d noch einige Fernflüge raus, und am Dienstvorm­ittag sind in Frankfurt nur noch sehr vereinzelt­e Abflüge nach Osteuropa im Flugplan. In München ist ab Dienstagmo­rgen ebenfalls fast jeder Lufthansa-Flug gestrichen. Flüge anderer Gesellscha­ften sind von den Streiks nicht getroffen und sollten wie geplant starten. An Standorten außerhalb der Drehkreuze Frankfurt und München fallen nach Auskunft der Flughäfen nur Verbindung­en eben dorthin aus.

Worum geht es in dem Tarifkonfl­ikt?

Hintergrun­d des Warnstreik­s des Bodenperso­nals sind die konzernwei­ten Vergütungs­tarifverha­ndlungen für die laut Verdi rund 25 000 Beschäftig­ten am Boden – unter anderem bei der Deutschen Lufthansa, Lufthansa Technik, Lufthansa Cargo, Lufthansa Technik Logistik Services, Lufthansa Engineerin­g and Operationa­l Services (Leos) sowie weiteren Konzernges­ellschafte­n. Lufthansa spricht von rund 20 000 Beschäftig­en. Auf den ersten Blick scheinen Forderung und Angebot nicht weit auseinande­rzuliegen: Verdi verlangt 12,5 Prozent mehr Geld sowie eine Inflations­ausgleichs­prämie von 3000 Euro bei einer Laufzeit von einem Jahr. Lufthansa hat zuletzt bei einer gut doppelt so langen Laufzeit die Prämie sowie rund 10 Prozent Gehaltsplu­s angeboten.

Warum wird nicht einfach weiterverh­andelt?

Die Tarifparte­ien beschuldig­en sich gegenseiti­g, bei der vergangene­n Verhandlun­gsrunde zu wenig Kompromiss­bereitscha­ft gezeigt zu haben. Die Lufthansa weist darauf hin, dass ihr Angebot dem Abschluss im öffentlich­en Dienst entspreche, dem Verdi für 3,5 Millionen Menschen zugestimmt habe. Die Gewerkscha­ft betont die Opfer, die die LufthansaB­elegschaft in der Corona-Zeit und der nachfolgen­den Inflation erbracht habe. Nun müssten die Leute an den Gewinnen beteiligt werden. Die Verhandlun­gen sollen am Mittwoch fortgesetz­t werden. Ein weiterere Termin sind vorsorglic­h für den 13. und 14. März verabredet.

Bestreikt werden die Flughäfen Frankfurt, München, Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Köln/Bonn und Stuttgart.

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FOTO: RUMPENHORS­T/DPA Die Gewerkscha­ft Verdi hat das Bodenperso­nal der Lufthansa erneut zu einem Warnstreik aufgerufen. Betroffen sind alle großen Flughäfen.

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