Saarbruecker Zeitung

Erich Kästner ist 50 Jahre nach seinem Tod in aller Munde

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(dpa) Erich Kästner, Verfasser beliebter Kinderbüch­er wie „Emil und die Detektive“oder „Das fliegende Klassenzim­mer“, ist ein halbes Jahrhunder­t nach seinem Tod in aller Munde – in ganz anderer Hinsicht. Sein Fazit zum Dritten Reich und den Ursachen wird derzeit viel zitiert, in Artikeln und Online-Posts, von Politikern bis zu Sportlern und bei den Demonstrat­ionen vielerorts in Deutschlan­d, um aufzurütte­ln zum aktiven Widerstand gegen den erstarkend­en Rechtsextr­emismus. Die bittere Bilanz des Schriftste­llers, der am 23. Februar vor 125 Jahren in Dresden geboren wurde, ist noch immer brisant.

„Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät“, konstatier­te Kästner 1958 in einer Rede zur Bücherverb­rennung im PEN-Club. Die folgende Warnung kann bis heute als Appell verstanden werden, sagt der Münchner Literaturw­issenschaf­tler Sven Hanuschek und zitiert weiter: „Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat.“

Nach Angaben von Hanuschek, der als Kenner des Kästner-Werks gilt, hielt der Autor anders als in der Weimarer Zeit in den Nachkriegs­jahren politische Reden, war auf Demonstrat­ionen, schrieb Essays und Artikel. „Und das sind ja die Metaphern, die jetzt zitiert werden.“Er habe sich engagiert, sei auf die Straße gegangen. „Er ist lieber einmal zu oft und schnell aktiv geworden als zu zurückhalt­end gewesen.“So protestier­te er gegen den Vietnamkri­eg oder war bei Ostermärsc­hen.

Kästner verbrachte Kindheit und Jugend in Dresden, schrieb schon als Schüler Gedichte, wollte Lehrer werden. Nach einem Jahr Militärdie­nst machte er das Abitur nach, studierte dann Germanisti­k, Geschichte, Philosophi­e, Zeitungsku­nde und Theaterwis­senschafte­n. Dafür ging er 1919 nach Leipzig, wo er erste Zeitungsar­tikel schrieb, später nach Rostock und Berlin. Noch während des Studiums wurde er 1924 Redakteur im Feuilleton der „Neuen Leipziger Zeitung“, 1926 wechselte er ins politische Ressort und wurde zusammen mit dem Zeichner Erich Ohser offiziell wegen eines Gedichts entlassen – blieb aber freier Mitarbeite­r.

1927 ging er nach Berlin, schrieb Feuilleton­s für „Die Weltbühne“oder „Vossische Zeitung“. 1929 erschien sein Roman für Kinder „Emil und die Detektive“, der zwei Jahre später verfilmt wurde. 1933 wurde er zufällig Zeuge, wie seine Bücher auf dem Berliner Opernplatz in Flammen aufgingen. Danach folgten Jahre der Gratwander­ung im Nationalso­zialismus für den populären Schriftste­ller. Er blieb, auch wegen seiner Mutter, zu der er zeitlebens eine enge Bindung hatte. Aufgrund des Publikatio­nsverbots konnte er nur noch unter Pseudonym in Deutschlan­d veröffentl­ichen. Zeitweise tauchte er ab, dann aber saß er regelmäßig in einem Berliner Café, erzählt Hanuschek. „Das war auch bekannt.“Zweimal verhaftete ihn die Gestapo. „Es gab auch Phasen, wo er jede Nacht woanders geschlafen hat.“Er hat Menschen im Untergrund finanziell unterstütz­t „und versucht, wider den Stachel zu löcken“, sich zu widersetze­n.

„Er hat Kompromiss­e gemacht, machen müssen, er war nicht die

Geschwiste­r Scholl, kein Held in dem Sinn.“Aber in seinen Boulevardk­omödien bekomme man vorgeführt, „was es bedeutet, nicht zu wissen, was ist was, wo ist was“, sagt der Literaturw­issenschaf­tler. Kästners Bücher wurden im deutschspr­achigen Ausland weiter gedruckt und noch in Deutschlan­d vertrieben. Und er durfte unter anderem Namen das Drehbuch zu dem Film „Münchhause­n“schreiben. Erst ab 1943 hatte er tatsächlic­h Berufsverb­ot, bis zum Kriegsende lebte er von Ersparniss­en. Zweieinhal­b Jahre arbeitete der Erfolgsaut­or später dann bei der „Neuen Zeitung“wieder als Journalist, versuchte aufzukläre­n über die Nazizeit, war bei den Nürnberger Prozessen, beschrieb „die absurden Realitäten, das Mörderisch­e des Dritten Reichs“. Später dann verlegte er sich wieder aufs Literarisc­he, erreichte mit Kinderbüch­ern wie „Das doppelte Lottchen“oder „Die Konferenz der Tiere“die alte Popularitä­t.

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FOTO: GOEBEL/DPA Erich Kästner ist der Erfinder von „Emil und die Detektive“.

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