„Ein Horrorfilm, der nicht aufhört“
Der deutsche Rekordmeister FC Bayern steckt in einer tiefen Krise. Es droht die erste titellose Saison seit zwölf Jahren.
(dpa) Thomas Tuchel freute sich über die Job-Garantie seines Chefs. Als er aber versuchte, den Münchner „Horrorfilm“schönzureden, rutschte ihm doch eine bemerkenswert ernüchternde Aussage heraus. „Es ist schon eine Kunst, im nächsten Spiel wieder positiv zu sein“, sagte der Trainer des FC Bayern München nach dem 2:3 beim VfL Bochum, der dritten PflichtspielNiederlage in Folge: „Das wieder auszustrahlen, dafür werden ein paar kleine Schritte nötig sein.“
„Es ist schon eine Kunst, im nächsten Spiel wieder positiv zu sein.“Thomas Tuchel Trainer des FC Bayern
Wie viele Schritte Tuchel mit den Bayern noch gehen darf, ist seit Sonntag offener denn je. Zwar steht das Bekenntnis von Vorstands-Chef Jan-Christian Dreesen, Tuchel bleibe „selbstverständlich“. Dieses gab Dreesen aber erst auf mehrfache Nachfrage ab. Er halte „nichts von diesen monströsen Trainer-Unterstützungs-Bekundungen“, denn „diese Treueschwüre sind ja meistens nach einer Woche schon wieder vorbei“, hatte der Vorstands-Chef zunächst gesagt. Das sei aber „kein Thema, mit dem wir uns aktuell beschäftigen“. Erst im Anschluss, auf die konkrete Frage, ob Tuchel nächste Woche noch Bayern-Trainer sei, fiel das Wort „selbstverständlich“, das nun erst einmal unmissverständlich im Raum steht.
Nach der Erfahrung der Beurlaubung des heutigen Bundestrainers Julian Nagelsmann im März 2023 wollen die Bayern einen Trainer
wechsel in dieser Saison tunlichst vermeiden. Die Frage ist, ob dieser angesichts der sich zuspitzenden Krise zu vermeiden ist.
Tuchel jedenfalls weiß, was auf ihn zukommt. Das Bekenntnis von Dreesen sei „natürlich schön“, sagte er: „Ob das hilft, dass die Diskussionen nicht geführt werden, wage ich zu bezweifeln.“Und dann ergänzte er in Richtung der Journalisten: „Aber das ist kein Problem. Das könnt Ihr machen. Das ist das Geschäft.“Die Diskussionen um ihn und seinen Job gebe es „ja schon gefühlt die ganze Saison. Auch als wir Spiele gewon
nen haben.“Der Bayern-Trainer wirkt fast trotzig, als er anfügte, für ihn sei „schon seit ein paar Wochen der Punkt erreicht, wo es mich nicht mehr tangiert“. Kapitän Manuel Neuer erklärte zur Trainer-Frage, es müsse „alles“hinterfragt werden.
„Es geht nicht um den Trainer. Es ist leicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Wir müssen bei uns selbst anfangen und Verantwortung übernehmen“, sagte der Nationaltorwart. Das versuchten zumindest einige wenige. „Wir können uns jetzt hinstellen und erzählen, dass wir gut ins Spiel gekommen sind“, sagte Leon
Goretzka: „Aber da kommt man sich ja mittlerweile bescheuert vor. Das fühlt sich an wie ein Horrorfilm, der einfach nicht aufhört.“Fehlen wird dabei vorerst Rechtsverteidiger Noussair Mazraoui, der mit einem Muskelfaserriss ausfällt.
Neuer gab vor, dass jetzt nach vorne geschaut werden müsse: „Aber man muss das Ganze schon analysieren.“Er könne sich „nicht erinnern, dass wir mal drei Spiele hintereinander verloren haben“, sagte der 37-Jährige, der seit 2011 in München spielt. 2015 verloren die Bayern unter Pep Guardiola sogar mal sechs Pflicht
spiele in Folge. Sie schieden damit im Halbfinale des DFB-Pokals und der Champions League aus, als Meister standen sie da schon fest.
Den Bayern droht die erste titellose Saison seit zwölf Jahren. Im Pokal sind die Münchner sensationell am 1. FC Saarbrücken gescheitert, in der Champions League verloren sie das Achtelfinal-Hinspiel bei Lazio Rom mit 0:1, und in der Liga sind es nun acht Punkte Rückstand auf den ungeschlagenen Tabellenführer Leverkusen. „Ich bin Optimist, aber kein Träumer“, gestand Dreesen: „Das wird jetzt wirklich sehr schwierig.“