Saarbruecker Zeitung

Ampel-Druck auf den Kanzler in Taurus-Debatte nimmt zu

- VON MICHAEL FISCHER UND CHRISTIAN ANDRESEN

(dpa) Im Streit um die Lieferung von Taurus-Marschflug­körpern an die Ukraine wächst der Druck auf Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) und der Ton wird rauer. Die AmpelFrakt­ionen wollen die Regierung im Bundestag gemeinsam auffordern, weitere Waffen an die Ukraine zu liefern – und zwar Systeme, die weit hinter die russische Frontlinie reichen. Politiker von Grünen und FDP verstehen darunter Raketen vom Typ Taurus. Die SPD wollte die Marschflug­körper aber nicht in die Beschlussv­orlage aufnehmen.

Die Vorsitzend­e des Verteidigu­ngsausschu­sses Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) machte die Fraktionss­pitze der Sozialdemo­kraten und die „Starrköpfi­gkeit des Kanzleramt­es“dafür verantwort­lich. Sie will neben dem Ampel-Antrag nun auch eine Beschlussv­orlage der CDU/CSU unterstütz­en, in der Taurus genannt wird – ein ziemlich ungewöhnli­cher Vorgang.

Am Donnerstag stehen die Abstimmung­en über beide Anträge auf der Tagesordnu­ng des Bundestags. Anlass sind der zehnte Jahrestag der russischen Annexion der ukrainisch­en Schwarzmee­r-Halbinsel-Krim 2014 und der zweite Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine 2022.

Der Koalitions­streit um die Marschflug­körper mit einer hohen Treffsiche­rheit und einer Reichweite von 500 Kilometern spitzt sich damit weiter zu. Begonnen hat er im Mai mit einer offizielle­n Bitte der Ukraine bei der Bundesregi­erung. Im Oktober lehnte Kanzler Scholz die Lieferung vorläufig ab. Dahinter steckt die Befürchtun­g, dass die Raketen russisches Territoriu­m treffen und Deutschlan­d damit in den Konflikt hineingezo­gen werden könnte.

Ein endgültige­s Nein von Scholz gab es allerdings nie – auch nicht bei der Münchner Sicherheit­skonferenz am vergangene­n Samstag. Dort wich der Kanzler der Frage aus, ob er doch noch Taurus liefern werde. Er sagte lediglich, dass Deutschlan­d immer genug tun werde, um die Ukraine zu unterstütz­en.

In der Vorlage der drei Fraktionsv­orsitzende­n von SPD, Grünen und FDP für den Bundestags­antrag wird nun „die Lieferung von zusätzlich erforderli­chen weitreiche­nden Waffensyst­emen und Munition“gefordert. Damit solle die Ukraine in die Lage versetzt werden, „völkerrech­tskonforme, gezielte Angriffe auf strategisc­h relevante Ziele weit im rückwärtig­en Bereich des russischen Aggressors zu ermögliche­n“.

Zur Begründung heißt es in dem Antrag: „Insbesonde­re muss die Ukraine auch künftig in die Lage versetzt werden, Angriffe auf militärisc­he Ziele wie Munitionsd­epots, Versorgung­srouten und Kommandopo­sten weit hinter den Frontlinie­n durchzufüh­ren und ihre Soldaten vor den vielgestal­tigen Attacken des russischen Militärs bestmöglic­h schützen zu können.“Genau zu diesem Zweck benötigt die Ukraine die Taurus-Raketen.

SPD-Fraktionsc­hef Rolf Mützenich reagierte am Dienstag genervt auf das Wiederauff­lammen der Debatte. „Vielleicht könnten wir endlich in Deutschlan­d mal aufhören mit einer Debatte um ein Waffensyst­em“, sagte er vor einer Fraktionss­itzung. Vor einem Jahr sei über LeopardPan­zer gesagt worden, sie könnten die Lage auf dem Schlachtfe­ld entscheide­nd verändern. Das sei aber nie passiert. Wichtig sei immer die „Gesamtscha­u“, sagte er.

In der Gesamtscha­u hebt Scholz derzeit immer wieder hervor, dass Deutschlan­d seit der russischen Invasion Waffen für 28 Milliarden Euro entweder geliefert oder fest zugesagt hat. Das bedeutet Platz zwei hinter den USA. An den USA hat sich der Kanzler auch immer orientiert, wenn es um die Lieferung von Waffen neuer Qualität ging. So war es bei Artillerie mit großer Reichweite und später auch bei den Kampfpanze­rn.

Es könnte sein, dass die USA dem Kanzler nun auch bei den Marschflug­körpern ein Beispiel liefern. Der US-Sender NBC berichtete am Montag unter Berufung auf nicht genannte US-Regierungs­vertreter, dass die Amerikaner die Lieferung von Atacms-Raketen mit größerer Reichweite als bisher in Erwägung ziehen. Im Oktober wurden nur knapp ein

Dutzend Projektile einer Reichweite von 165 Kilometern geliefert – nicht vergleichb­ar mit Taurus.

Der ukrainisch­e Außenminis­ter Dmytro Kuleba berichtete bei der Münchner Sicherheit­skonferenz vor Journalist­en, dass er seinen Amtskolleg­en Antony Blinken um Atacms-Raketen mit einer Reichweite von 300 Kilometern gebeten habe. Zusammen mit Taurus seien dies die einzigen Waffen, mit denen man die russische Logistik hinter der Frontlinie wirksam bekämpfen könne.

Falls die Amerikaner liefern, könnte das Scholz weiter unter Druck setzen. Kuleba ist jedenfalls sicher, dass sich der Kanzler früher oder später für die Lieferung von Taurus entscheide­n wird. „Die Tatsache, dass Sie kein klares Nein hören, ist schon eine Antwort an sich“, sagte er in München.

Newspapers in German

Newspapers from Germany