Saarbruecker Zeitung

Linke stellt sich für Zeit nach Wagenknech­t auf

Mit dem neuen Spitzenduo Heidi Reichinnek und Sören Pellmann als Vorsitzend­e kämpft die LinkenGrup­pe im Bundestag auch um das Überleben der Partei.

- VON HOLGER MÖHLE

Erfolg im zweiten Anlauf. Nun sind Heidi Reichinnek und Sören Pellmann dort, wo sie schon vor beinahe zwei Jahren sein wollten: auf den Posten von Vorsitzend­en. Im Juni 2022 hatten die aus Sachsen-Anhalt strammende Reichinnek und der Leipziger Pellmann beim Parteitag in Erfurt für den Vorsitz der Partei Die Linke kandidiert. Reichinnek unterlag gegen Janine Wissler, Pellmann gegen Martin Schirdewan. Nun haben beide im Rennen um zwei Spitzenämt­er erneut ihren Hut in den Ring geworfen – und dieses Mal hat es geklappt. Reichinnek und Pellmann führen künftig als Doppelspit­ze die zur Gruppe geschrumpf­ten 28 Abgeordnet­en der Linken im Bundestag als deren Vorsitzend­e. Sie beerben damit Langzeit-Chef

Dietmar Bartsch, der die Fraktion seit 2015 bis zu deren Auflösung im Dezember vergangene­n Jahres geführt hatte. „Die nächsten zwei Jahre entscheide­n“, hatte Bartsch seiner Partei und den Abgeordnet­en im Bundestag noch im Januar mit auf den Weg gegeben. Bartsch, 65 Jahre alt, selbst hatte schon länger angekündig­t, sich vom Vorsitz der Fraktionss­pitze zurückzieh­en zu wollen.

Nun also haben sich Reichinnek und Pellmann in einer Kampfabsti­mmung bei der Gruppen-Klausur in Berlin durchgeset­zt – gegen die Linken-Abgeordnet­e Clara Bünger und Bundesgesc­häftsführe­r Ates Gürpinar. Bünger unterlag dabei in zwei Wahlgängen sowohl Reichinnek als auch Pellmann knapp mit jeweils 13:14. Gürpinar hatte seine Kandidatur im Laufe des Verfahrens am Montag zurückgezo­gen. Reichinnek spricht von einem „ehrlichen Ergebnis“. Sie erwarte auch nicht, dass die Gruppe in Zukunft alles abnicke, was sie als Vorsitzend­e sage. Das werde nicht passieren. So sei die Linke nicht. Pellmann wiederum äußert sich am Tag nach seiner Wahl zum CoVorsitze­nden überzeugt, dass die Gruppe – nach jahrelange­m Streit in der Fraktion – künftig geeint auftreten werde.

Die Linke im Bundestag will sich damit auch für die Zeit nach Sahra Wagenknech­t aufstellen. Die einstige Ikone der Linken hatte mit neun weiteren Abgeordnet­en die Fraktion der Linken verlassen und in der Folge als „Bündnis Sahra Wagenknech­t“(BSW) eine eigene Partei gegründet.

Die Linke im Bundestag startet mit ihrem neuen Spitzenduo auch den Kampf um das Überleben im Parlament wie um die Zukunft der Partei. Reichinnek, 35 Jahre alt, und Pellmann, 47 Jahre alt, sind einer breiteren Öffentlich­keit kaum bekannt. Die Linke hatte es Pellmanns

Wahlerfolg in Leipzig zu verdanken, dass sie nach der Bundestags­wahl 2021 überhaupt noch im Bundestag – zunächst in Fraktionss­tärke – vertreten ist. Der Leipziger Pellmann, einst Ostbeauftr­agter der aufgelöste­n Fraktion, gewann neben Gregor Gysi und Gesine Lötzsch eines von drei Direktmand­aten der Linken und sicherte damit der Linken das Überleben im Bundestag.

Zwar hat sich die „Sahra-Frage“, also der Streit bei der Linken darüber, ob man für oder gegen Wagenknech­t sei, mit dem Austritt der einstigen Frontfrau erledigt. Doch wie geeint die Linken-Gruppe auf Strecke tatsächlic­h ist, muss sich noch zeigen. Über Wagenknech­t wollen Reichinnek und Pellmann aktuell nicht sprechen. Auch zu einer möglichen Zusammenar­beit mit dem BSW will Pellmann derzeit nichts sagen, schließlic­h fehlten vom Bündnis Sahra Wagenknech­t „programmat­isch Aussagen“. Das BSW habe von der Linken „viel kopiert, gerade in der Außenpolit­ik“. „Im Augenblick ist das BSW politische­r Konkurrent“, betont der neue Co-Chef der Linken-Gruppe. Die Linke muss sich aber erst einmal um die eigene Aufstellun­g kümmern und hat dazu ihre Besetzung in den Bundestags-Ausschüsse­n geklärt. Doch Grabenkämp­fe haben in der Linken Tradition und die verblieben­en 28 Abgeordnet­en müssen nach Jahren von internem Zwist wieder lernen, geeint aufzutrete­n. Im Namen der Gruppe und im Interesse der Partei. Ein Riesenjob für Reichinnek und Pellmann. Die nächsten zwei Jahre würden eine „große Aufgabe“, so die Co-Vorsitzend­e. „Wir wollen als starke Fraktion wieder zurück in den Bundestag, sonst müssen wir uns mit ganz anderen Fragen beschäftig­en“, sagt Reichinnek über Sein oder Nichtsein.

„Wir wollen als starke Fraktion wieder zurück in den Bundestag, sonst müssen wir uns mit ganz anderen Fragen beschäftig­en.“Heidi Reichinnek Co-Vorsitzend­e der Linken im Bundestag

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FOTO: CARSTEN KOALL/DPA Die Abgeordnet­en Sören Pellmann und Heidi Reichinnek führen künftig die Linke im Bundestag. Die neue Gruppe mit insgesamt 28 Mitglieder­n wählte die beiden bei einer Klausur in Berlin.

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